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Adler und Fliegen

Kuba und Venezuela empört über Jahresbericht der "Interamerikanischen Menschenrechtskommission"

Von André Scheer *

Havanna und Caracas haben empört auf den jüngsten Jahresbericht der »Interamerikanischen Menschenrechtskommission« (CIDH) reagiert. Neben den von Gewalt erschütterten Staaten Kolumbien und Haiti sind Kuba und Venezuela die einzigen Länder der Region, die in dem Bericht mit eigenen Kapiteln behandelt werden, weil »ihre Praktiken im Bereich der Menschenrechte besondere Aufmerksamkeit« erforderten, wie es in dem Vorwort des Berichts heißt.


Der Bericht der CIDH in englischer Sprache ist vollständig herunterzuladen unter folgender Adresse:
www.cidh.org
Und hier geht es zu den besonderen Teilen zu:


Es ist wohl kaum ein Zufall, daß dieser Bericht gerade jetzt erscheint. Im Juni findet in Honduras die 49. Vollversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) statt, deren Einrichtung die CIDH ist. Am Rande des Amerika-Gipfels im April hatte OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza angekündigt, eine Aufhebung der seit 1962 bestehenden »Suspendierung« der kubanischen Mitgliedschaft beantragen zu wollen, nachdem alle Staaten Lateinamerikas wiederholt ein Ende der US-amerikanischen Blockade gegen die Insel gefordert hatten. Dieser Forderung hatte sich auch US-Präsident Barack Obama nicht entziehen können und »Lockerungen« der Maßnahmen Washingtons gegen Kuba angekündigt. Eine Aufhebung der Blockade steht aber nach wie vor nicht auf seiner Agenda.

»Man muß diese dreiste Institution fragen, welches Recht sie hat, uns zu verurteilen, wenn wir doch aus der OAS ausgeschlossen wurden, weil wir unsere Überzeugungen gesagt haben, und nicht Mitglied dieser Institution sind. Würde die OAS dasselbe mit der Volksrepublik China, Vietnam und anderen Ländern tun, die wie Kuba ihre Unterstützung für die marxistisch-leninistischen Prinzipien erklärt haben?« fragte der frühere Präsident Fidel Castro in einer am Sonnabend (9. Mai) von den kubanischen Medien veröffentlichten Reflexion [Siehe unten im Kasten]. Ironisch kommentierte er: »Gibt es in dieser verfaulten Institution (der OAS) tatsächlich eine CIDH? Ja, sie gibt es. Und was ist ihre Aufgabe? Die Menschenrechtssituation in den OAS-Mitgliedsländern zu beurteilen. Sind die USA Mitglied dieser Institution? Ja, eines ihrer ehrenwertesten Mitglieder. Wurde die US-Regierung einmal verurteilt? Nein, niemals. Nicht einmal für die mörderischen Verbrechen von Bush, die Millionen Menschen das Leben gekostet haben? Nein, niemals, wie könnte sie so eine Ungerechtigkeit begehen. Nicht einmal für die Folterungen in der Base von Guántanamo? Unseres Wissens nicht ein einziges Wort.«

Auch die venezolanische Regierung zieht ihre eigene Bilanz. Zwischen der Ratifizierung der Amerikanischen Menschenrechtskonvention durch Venezuela am 23. Juni 1977 und dem Jahr 2000 bestätigte die CIDH sechs Klagen wegen Menschenrechtsverletzungen gegen den venezolanischen Staat. In diesen 23 Jahren ging es um die Ermordung von Studenten, das Verschwinden und die Folterung von Politikern, Medienzensur und die Massaker an Zivilisten in Cantaura, Yumare und während des Caracazo von 1989. Seit dem Regierungsantritt von Hugo Chávez 1999 bis heute hat sich die Kommission hingegen um über 150 Fälle gekümmert und beklagt in dem Bericht die »Einschüchterung von Oppositionspolitikern«. Zu den von der CIDH registrierten Fällen gehört jedoch beispielsweise nicht der Putsch vom April 2002, bemerkt das Außenministerium in Caracas: »Es ist notwendig, daran zu erinnern, daß die Kommission Venezuela im Mai 2002 besucht hat, kurz nach dem Putsch, und anstatt diesen Anschlag auf die demokratischen Institutionen zu verurteilen, rechtfertigte sie die Handlungen der Urheber.«

Ähnlich scharf hatte die venezolanische Regierung in der vergangenen Woche auch auf eine von gerade einmal 27 der insgesamt 785 Abgeordneten des Europaparlaments verabschiedete Resolution reagiert, in der im Zusammenhang mit den Korruptionsermittlungen gegen den früheren Gouverneur des Bundesstaates Zulia, Manuel Rosales, von einem »Niedergang der Demokratie« gesprochen wurde. Rosales hatte sich nach Peru abgesetzt, wo er politisches Asyl erhalten hat.

»Was interessiert uns das Euro­päische Parlament, was interessiert uns die europäische Rechte. Wir haben uns entschieden, frei zu sein«, kommentierte Venezuelas Präsident Hugo Chávez unter Anspielung auf eine ähnliche Äußerung des Nationalhelden Simón Bolívar diese Resolution, die auch von den Europa-Fraktionen der Linken, der Grünen und der Sozialdemokraten als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas abgelehnt worden war. Mehr wollte Chávez dazu jedoch nicht sagen, »denn ein Adler fängt keine Fliegen«.

* Aus: junge Welt, 11. Mai 2009

ERNEUT DIE VERFAULTE OAS

Von Fidel Castro Ruz **

Die deutsche Nachrichtenagentur DPA verbreitete gestern die Mitteilung, dass die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) der OAS einen Bericht gebilligt hat, indem aufgezeigt wird, dass Kuba „weiterhin“ gegen die wichtigsten Rechte „verstößt“, weil es die „Einschränkungen“ der politischen und bürgerlichen Rechte der Bevölkerung beibehält, und gleichzeitig weiterhin das „einzige“ Land der Region ist, wo es keinerlei Meinungsfreiheit gibt.

Gibt es etwa in dieser verfaulten Einrichtung eine Interamerikanische Menschenrechtskommission? Ja, es gibt sie, gebe ich mir selbst die Antwort. Und welche ist ihre Aufgabe? Die Situation der Menschenrechte in den Mitgliedsländern der OAS zu beurteilen. Sind die Vereinigten Staaten Mitglied dieser Einrichtung? Ja, eines ihrer ehrbarsten Mitglieder. Hat sie irgendwann einmal die Regierung der Vereinigten Staaten verurteilt? Nein, niemals. Nicht einmal die von Bush begangenen völkermörderischen Verbrechen, welche Millionen Menschenleben gekostet haben? Nein, niemals! - wie würde sie auch jene Ungerechtigkeit begehen. Nicht einmal die Folterprozeduren im Stützpunkt Guantánamo? Soweit uns bekannt ist, mit keinem einzigen Wort.

Wir haben über Internet eine Kopie des Übereinkommens gegen Kuba erlangt. Reiner Abfall. Es widmet sich dem konterrevolutionären Klatsch. Es ist lang, im Stil derjenigen des State Department, politisches Paradigma und Chef der OAS. Wie hatte Roa doch Recht, als er diese Organisation Ministerium der Yankee-Kolonien nannte!

Es ist angebracht, jene unverschämte Einrichtung zu fragen, welches Recht sie hat, uns zu beurteilen, wo wir doch kein Mitglied jener Institution sind, weil wir aus ihr hinausgeworfen wurden, nachdem wir unsere Überzeugungen verkündet hatten? Würde die OAS dasselbe mit der Volksrepublik China, mit Vietnam oder anderen Ländern tun, welche wie Kuba ihre Adhäsion an die Prinzipien des Marxismus–Leninismus verkündet haben?

Die OAS sollte wissen, dass wir seit langem nicht mehr zu jener Kirchengemeinschaft gehören und auch deren Katechismus nicht teilen. Wir gehen von anderen Positionen aus. Wenn wir über Meinungsfreiheit sprechen, dann müssen wir sie daran erinnern, dass in unseren Land das Privateigentum über die Massenmedien nicht anerkannt wird. Es sind immer deren Eigentümer gewesen, die bestimmt haben, was geschrieben wurde und wer schreiben durfte, was übermittelt wurde oder nicht, was zur Schau gestellt wurde oder nicht. Die Analphabeten und funktionellen Analphabeten können dies nicht tun, und über hunderte von Jahren, seitdem die Buchdruckerei erfunden war und solange der Kolonialismus herrschte und sich das kapitalistische System entwickelte, konnten vier Fünftel der Bevölkerung weder lesen noch schreiben, und außerdem gab es keine kostenlose öffentliche Schulbildung.

Die modernen Kommunikationsmittel haben alles verändert. Heutzutage kann man nur mittels gigantischen Investitionen über jene Zentren verfügen, welche die Nachrichten auf dem gesamten Planeten verbreiten und nur diejenigen, die sie lenken, bestimmen, was verbreitet wird und wie dies geschieht, was veröffentlicht wird und wie es veröffentlicht wird.

Die vom Pentagon unternommenen Bemühungen, die Information und die Internetnetze zu monopolisieren, sind offensichtlich. Unserem Land wird der Zugang zu diesen Quellen blockiert. Es wäre besser, dass die CIDH die Welt über jene Ressourcen informieren würde, welche ihre Bürokratie in Lappalien ausgibt, anstelle diese Realitäten zu analysieren und die Länder Lateinamerikas über die schwerwiegenden Gefahren zu informieren, welche die Meinungsfreiheit aller Völker der Welt bedrohen.

Um die Rolle von Kuba auf diesem Gebiet in Frage zu stellen, müsste sie beginnen, ohne Umschweife anzuerkennen, dass dies die Nation ist, die unter allen Völkern des Planeten am meisten für die Bildung, die Wissenschaft und die Kultur getan hat, und dass ihr Beispiel heute von anderen revolutionären und fortschrittlichen Regierungen befolgt wird. Wenn sie irgendwelche Zweifel hegen, dann können sie hierüber bei den Vereinten Nationen nachfragen.

In dieser Hemisphäre haben die Armen niemals das Recht zur freien Meinungsäußerung gehabt, weil sie niemals eine qualitätsgerechte Bildung erhalten haben und die Kenntnisse waren ausschließlich den privilegierten und Bourgeoisie-Eliten reserviert. Beschuldigt jetzt weder Venezuela, das seit der Bolivarianischen Revolution so viel für die Bildung getan hat, noch die Republik Haiti, welche durch die Armut, die Krankheiten und Naturkatastrophen niedergeschlagen ist, als ob jene die idealen Bedingungen für die Meinungsfreiheit wären, welche die OAS ausruft. Tut, was Kuba macht: helft erst qualifiziertes Personal in großem Maßstab für das Gesundheitswesen auszubilden, schickt revolutionäre Ärzte in die abgelegensten Winkel des Landes, damit diese in erster Linie dazu beitragen, Leben zu bewahren, übermittelt ihnen Bildungsprogramme und Ausbildungserfahrungen; fordert, dass die finanziellen Einrichtungen der entwickelten und reichen Welt Mittel zum Bau von Schulen, zur Ausbildung von Lehrern, zur Herstellung von Arzneimitteln, zur Entwicklung ihrer Landwirtschaft und Industrie schicken, und dann sprecht von den Rechten des Menschen.

8. Mai 2009

** Reflexionen des Genossen Fidel, Website der Kubanischen Rgierung; www.cuba.cu/gobierno/reflexiones




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