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Hugo Chávez: Revolutionär, Präsident und Visionär

Die große Stimme Lateinamerikas ist tot - Nachrufe, Kommentare


Im Folgenden dokumentieren wir eine Reihe von Nachrufen auf den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, der am 5. März 2013 im Alter von 58 Jahren nach langem Kampf einem Krebsleiden erlegen ist. Chávez hat für sein Land und darüber hinaus für ganz Lateinamerika Großes geleistet: Er hat der tiefen sozialen Kluft zwischen wenigen Reichen und vielen Armen den Kampf angesagt und hierbei auch unverkennbare Fortschritte erzielt; und er hat die Einheit des lateinamerikanischen Subkontinents im Sinne Simón Bolívars befördert und der traditionellen Vormunschaft durch die USA die Stirn geboten.

Für all das haben ihn die Menschen diesseits und jenseits der Grenzen geliebt. Seine Wahlerfolge - gegen die Hetze der privaten Medien im Land - sprechen eine deutliche Sprache. Westliche Politiker haben Chávez abgelehnt und als "Populisten", "Diktator" und "Putschisten" gemieden, wo sie nur konnten. Verhasst war er den Transnationalen Konzernen, weil er sich dem Durchmarsch des Neoliberalismus widersetzte. Widerstand leistete er auf internationaler Ebene auch dem Militärinterventionismus à la Afghanistan, Irak oder Libyen.

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Venezuelas Präsident Hugo Chávez ist tot

Vizepräsident Maduro gibt den Tod von Hugo Chávez bekannt. Regierungs- und Militärspitze kommt zusammen. Venezuela weist zwei US-amerikanische Diplomaten aus

Von Malte Daniljuk *


Caracas. Am Dienstag um 16:25 Uhr (Ortszeit) erlag der venezolanische Präsident und Mitbegründer der bolivarischen Bewegung Hugo Chávez seinem Krebsleiden. Dies gab Vizepräsident Nicolás Maduro nach einem Treffen mit den führenden Politikern der sozialistischen Partei PSUV in Caracas bekannt. Unmittelbar vor der Todesnachricht hatte Vizepräsident Nicolás Maduro erklärt: "Unsere Revolution ist vorbereitet und stärker als jemals zuvor."

"Heute verstarb Kommandant und Präsident Hugo Chavez, nachdem er seit fast zwei Jahren hart mit seiner Krankheit kämpfte, in Liebe zum Volk, mit dem Segen der Menschen und der absoluten Loyalität seiner Genossinnen und Genossen, in Liebe zu all seinen Familienangehörigen", heißt es in der Erklärung von Nicolás Maduro.

Er rief die Unterstützer der sozialistischen Bewegung auf, sich vor dem Militärhospital Dr. Carlos Arvelo in Caracas und auf den öffentlichen Plätzen des Landes zu versammeln. "Wir singen das Lied von Alí Primera: Diejenigen, die für das Leben starben, darf man nicht als tot bezeichnen", sagte Maduro in einer landesweit übertragenen Ansprache um 17 Uhr (Ortszeit).

Unmittelbar nach der Nachricht vom Tod des venezolanischen Präsidenten gingen aus ganz Lateinamerika Beileidsbekundungen ein. Die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner brach eine Abendveranstaltung ab und ordnete eine dreitägige Staatstrauer in Argentinien an. Der gerade im Amt bestätigte Präsident Ecuadors, Rafael Correa, erklärte: "Ecuador solidarisiert sich angesichts dieses unermesslichen Verlustes für Venezuela und ganz Lateinamerika."

Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos bezeichnete den Tod von Hugo Chávez als großen Verlust für Venezuela und die gesamte Region. "Die beste Wertschätzung, die wir seinem Andenken entgegen bringen können, ist, dass wir eine Regelung über das Ende des Konfliktes in Kolumbien erreichen. Er sagte, dies sei das, was Bolívar wollte."Auch der venezolanische Oppositionsführer und Gouverneur des Bundesstaates Miranda, Henrique Capriles Radonski, drückte den Unterstützern und Familienangehörigen des Präsidenten sein Beileid aus.

Aus den USA meldete sich Präsident Barack Obama mit den Worten: "Heute beginnt ein neues historisches Kapitel für Venezuela. Die Vereinigten Staaten bestätigen ihre Unterstützung für Politikansätze, die demokratische Prinzipien, den Rechtsstaat und Respekt für die Menschenrechte befördern."

Zugespitzte Situation in den vergangen Tagen

Der Vizepräsident hatte am Dienstag zunächst bekannt gegeben, dass sich der Gesundheitszustand von Präsident Hugo Chávez erneut verschlechtert hatte. Aus diesem Anlass rief er die Spitzen von Regierung und Militär zusammen. An der Zusammenkunft im Präsidentenpalast Miraflores nahmen nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur AVN die Mitglieder des Regierungskabinetts, die 20 Gouverneure der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) und führende Militärs teil.

Die Teilnahme der Armeeführung wurde bereits als Zeichen für die besondere Bedeutung der Versammlung im Ayacucho-Salon des Präsidentenpalastes gesehen. Seit der Nacht von Sonntag auf Montag hatten sich die ernsten Nachrichten aus Caracas gehäuft. Auch der Minister für Kommunikation und Information, Ernesto Villegas, informierte über eine eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes von Präsident Hugo Chávez.

Chávez leide erneut an einer Einschränkung der Atemwegfunktionen, hatte Villegas am Montag in einer Stellungnahme bekanntgegeben. Grund dafür sei eine "erneute schwere Infektion". Der Präsident habe sich aufgrund seiner Krebserkrankung in chemotherapeutischer Behandlung befunden, wozu weitere akute Behandlungen wegen seiner allgemeinen gesundheitlichen Situation kämen. Laut Villegas war der Zustand des Präsidenten "weiterhin sehr kritisch".

Ebenfalls am heutigen Dienstag verwies Venezuela zwei Diplomaten der USA des Landes. Außenminister Elías Jaua begründete die Ausweisung damit, dass die beiden "Aktivitäten im Widerspruch zu ihren Verantwortlichkeiten" unternommen hätten. Aus verschiedenen Teilen der Streitkräfte würden Berichte vorliegen, dass die beiden Botschaftsangehörigen David del Mónaco und Devlin Costal persönlich und telefonisch Militärs angesprochen hätten.

Revolutionär und Präsident

Hugo Chávez, Sohn eines Dorfschullehrers aus dem Dorf Sabaneta im ländlichen Bundesstaat Barinas, regierte Venezuela seit dem Jahr 1999. Nach seiner ersten Wahl im Dezember 1998 berief er eine verfassunggebende Versammlung ein, deren Vorschlag 1999 in einem Referendum als neues Grundgesetz angenommen wurde. Nach einer seit 1984 anhaltenden Wirtschaftskrise galt der verfassunggebende Prozess als eine Neugründung des Landes.

Seit seinem offiziellen Amtsantritt bestätigte die venezolanische Bevölkerung den 1954 geborenen Politiker drei Mal bei Präsidentschaftswahlen sowie in einem Abwahlreferendum – jeweils mit sehr hohen Zustimmungswerten.

Seine politische Laufbahn begann Hugo Chávez im Jahr 1978 als Mitglied der illegalen Revolutionären Partei Venezuelas (PRV) des Guerilla-Kommandanten Douglas Bravo. Ab 1982 organisierte er für die PRV eine Struktur von oppositionellen Offizieren, die im Jahr 1992 zwei Aufstände gegen den sozialdemokratischen Präsidenten Carlos Andrés Pérez durchführten.

Anlass für die Umsturzversuche war die blutige Niederschlagung eines Volksaufstandes (Caracazo), welche zwischen 300 und 3.000 Menschenleben kostete. Die spontane Revolte richtete sich gegen ein Kürzungsprogramm, dass Carlos Andrés Pérez kurz nach seiner Wahl verabschiedete. Der Sozialdemokrat war nach zehn Jahren Wirtschaftskrise im Dezember 1988 zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt worden, weil er versprochen hatte die unsozialen Kürzungsmaßnahmen zu beenden.

Hugo Chávez erlangte landesweite Berühmtheit, weil er nach dem Scheitern der ersten Militärrevolte am 4. Februar 1992 im Fernsehen live die Verantwortung für die Unternehmung übernahm. Mit den Worten "Wir sind gescheitert, vorerst" richtete er sich an die am Aufstand beteiligten Offiziere und bat sie, weitere Blutvergießen zu verhindern. Das Schlagwort "por ahora" (vorerst) entwickelte sich später zum Kennzeichen einer breiten Bewegung der Bevölkerung.

Nach den zivil-militärischen Umsturzversuchen gründete Hugo Chávez ab 1995 das Wahlprojekt "Bewegung Fünfte Republik" (MVR), für das er schließlich 1998 die Präsidentschaftswahlen gewann und damit die 40-jährige Herrschaft von Sozial- und Christdemokraten in dem ölreichen Land beendete. Zu diesem Zeitpunkt lebten mehr als 60 Prozent der Venezolaner unter der Armutsgrenze, die Inflation betrug 110 Prozent.

* Aus: amerika21.de, 5. März 2013


Chávez: Gestorben für das Leben

Trauer in Venezuela und weltweit. Dutzende Staatschefs zur Beisetzung am Freitag erwartet.

Von André Scheer **


Am Dienstag nachmittag (Ortszeit) wandte sich Venezuelas Vizepräsident Nicolás Maduro über alle Rundfunk- und Fernsehsender des Landes an die Öffentlichkeit: »Wir haben die härteste und tragischste Information erhalten, die wir unserem Volk übermitteln könnten: Um 16.25 Uhr ist am heutigen 5. März der Comandante Präsident Hugo Chávez Frías verstorben.« Maduro, der bis zu den von der Verfassung innerhalb von 30 Tagen vorgeschriebenen Neuwahlen die Amtsgeschäfte führt und dann als Kandidat für das bolivarische Lager als neuer Staatschef kandidieren wird, rief die Bevölkerung zu Geschlossenheit, Respekt und Frieden auf und kündigte zugleich an, daß Streitkräfte und Nationalgarde in Alarmbereitschaft versetzt worden seien und Posten bezögen, um die Ruhe in dem südamerikanischen Land zu bewahren.

Der Schock der Nachricht erfaßte Venezuela und den ganzen Kontinent. Am Militärkrankenhaus in Caracas, in dem Chávez zuletzt behandelt worden war, und auf den zentralen Plätzen der Städte im ganzen Land versammelten sich spontan Zehntausende Menschen, um gemeinsam zu trauern. In La Paz trat Boliviens Präsident Evo Morales in Begleitung seines gesamten Kabinetts vor die Presse. Mit versagender Stimme würdigte er »den lateinamerikanischen revolutionären Genossen, der sein ganzes Leben für die Befreiung des venezolanischen Volkes, des lateinamerikanischen Volkes gegeben hat«. Bolivien ordnete eine siebentägige Staatstrauer an. Auch in Ecuador sanken die Fahnen an allen öffentlichen Gebäuden auf Halbmast. »Lieber Hugo, heute mehr denn je werden wir deinen Träumen folgen, die die Träume des Großen Heimatlandes sind«, erklärte der gerade wiedergewählte Präsident des Landes, Rafael Correa, und zitierte die Zeilen eines Liedes des revolutionären venezolanischen Volkssängers Alí Primera: »Diejenigen, die für das Leben gestorben sind, können nicht als tot bezeichnet werden...« Die kubanische Tageszeitung Granma färbte ihren eigentlich roten Namenszug schwarz ein und erschien mit einer ganzseitigen Regierungserklärung unter dem Titel »Hasta siempre, Comandante«. Kuba werde »der Erinnerung und dem Erbe des Comandante Presidente Hugo Chávez ewig loyal sein« und sich für dessen Ideal von der Einheit der revolutionären Kräfte und der Integration und Unabhängigkeit Lateinamerikas einsetzen: »Sein Beispiel wird uns in den kommenden Schlachten führen!«

Ebenso wie Morales machten sich Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández und ihr Amtskollege aus Uruguay, José Mujica, noch in der Nacht zum Mittwoch im Flugzeug auf den Weg nach Caracas. Dort wurde der Leichnam des verstorbenen Präsidenten am Mittwoch in die Militärakademie überführt, wo er bis zum morgigen Freitag aufgebahrt wird. Möglichst viele Menschen sollen so Abschied von ihrem Comandante nehmen können, kündigte Außenminister Elías Jaua an. Anschließend findet die offizielle Beisetzung statt, zu der nach Angaben aus Caracas mindestens ein Dutzend Staats- und Regierungschefs vor allem aus Lateinamerika erwartet werden. Wo Chávez seine letzte Ruhestätte finden wird, wurde noch nicht bekannt. Anhänger des verstorbenen Präsidenten fordern, ihn in den Panteón Nacional, die Ruhmeshalle, zu überführen, in der auch Simón Bolívar ruht.

Im Norden des Kontinents zeigten nur wenige bekannte Politiker eine solche Größe wie der frühere US-Präsident James Carter. »Auch wenn wir nicht mit allen Methoden seiner Regierung übereinstimmten, haben wir nie daran gezweifelt, daß Hugo Chavez dem Ziel verpflichtet war, das Leben von Millionen seiner Landsleute zu verbessern«, erklärte er in Washington. Demgegenüber verstieg sich der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des US-Abgeordnetenhauses, der Republikaner Edward Royce, zu der Erklärung: »Hugo Chávez war ein Tyrann, der das Volk Venezuelas zwang, in Furcht zu leben. Gott sei Dank sind wir den Diktator los.« Auch US-Präsident Barack Obama konnte sich nicht zu einer Beileidsbekundung durchringen.

Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad würdigte Chávez als einen engen Freund und Verbündeten.

Für die Fatah erklärte Nabil Shaat: »Palästina verabschiedet sich von einem treuen Freund, der unser Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung leidenschaftlich verteidigt hat.« Der russische Präsident Wladimir Putin würdigte Chávez als ungewöhnlichen und starken Mann: »Er hat die Zukunft im Blick gehabt.« Aus China sandten sowohl der scheidende Präsident Hu Jintao als auch sein Nachfolger Xi Jinping persönliche Kondolenzschreiben. Die Sprecherin des Außenministeriums in Peking, Hua Chunying, nannte Chávez einen »großartigen Führer Venezuelas und Freund des chinesischen Volkes«.

** Aus: junge Welt, Donnerstag, 7. März 2013


Ein Junge aus Sabaneta

Chávez hat Venezuela verändert, das Tor zum Aufbau des Sozialismus ­aufgestoßen und war von seinen Gegnern nicht zu stürzen

Von André Scheer ***


Der Fernsehmoderator Miguel Ángel Pérez Pirela formulierte es am Dienstag so: »Heute ist kein Mensch gestorben, heute ist eine Legende geboren worden.« Tatsächlich wurde Venezuelas Präsident Hugo Chávez auf Plakaten und Wandbildern längst gemeinsam mit Befreiungshelden wie Simón Bolívar oder Che Guevara abgebildet – und das nicht nur im eigenen Land. In diese große Ahnenreihe ist der Comandante der Bolivarischen Revolution nun eingetreten: Der Junge aus Sabaneta, der sein Heimatland gründlich verändert hat. Der Präsident, den seine Gegner weder durch Putschversuche noch durch Wahlen aus dem Amt verdrängen konnten. Der Comandante, der den jahrzehntelang ausgegrenzten Menschen wieder eine Perspektive gegeben hat, die Hoffnung auf ein besseres Leben.

Hugo Chávez wurde am 28. Juli 1954 in Sabaneta geboren, einer Ortschaft im Bundesstaat Barinas. Er war das zweite von sechs Kindern eines Lehrerehepaars, und er war Mestize. Für so einen Jungen aus der Provinz, aus der Unterschicht, dessen Hautfarbe nicht hell genug war, schien der gesellschaftliche Aufstieg versperrt. Für jemanden wie ihn bot die Armee nahezu die einzige Perspektive, und so entschloß er sich nach dem Abitur, die Militärakademie zu besuchen, die er 1975 als Unteroffizier verließ. Doch die Lehrzeit in den Streitkräften prägte den jungen Mann anders, als es sich seine Vorgesetzten gedacht hatten. Das Studium war kurz zuvor reformiert worden, da die Generäle Lehren aus dem gerade zu Ende gegangenen Krieg gegen die linken Guerillaorganisationen ziehen wollten. Sie gingen davon aus: Wenn wir künftig das Entstehen solcher Bewegungen verhindern wollen, müssen wir verstehen, wie deren Anhänger denken. Und so bekamen die Kadetten Literatur zu lesen, die ihren Vorgängern strikt verboten gewesen waren: Marx und Engels, Lenin, Che Guevara. Ein Autor zog den jungen Chávez besonders in seinen Bann, wie er Jahre später der chilenischen Publizistin Marta Harnecker erzählte: »Mao hat mir sehr gefallen. Aus meiner Lektüre Maos zog ich für mich verschiedene Schlußfolgerungen. Mao wies darauf hin, daß das, was das Ergebnis eines Krieges bestimmt, nicht die Maschine, das Gewehr, das Flugzeug oder der Panzer ist, sondern der Mann, der Mensch, der die Maschine lenkt, aber vor allem die Moral des Menschen, der die Maschine lenkt.«

Aus dem Kadetten wurde ein Oberstleutnant, der seinen Vorgesetzten bald durch eigenständiges Denken verdächtig wurde. Er nahm Simón Bolívar ernst, den Nationalhelden Venezuelas, der von den Herrschenden nur noch rituell verehrt wurde. Für Hugo Chávez war Simón Bolívar auch im 20. Jahrhundert der Wegweiser für ein unabhängiges, sozial gerechtes Venezuela. Hatte dieser doch schon Anfang des 19. Jahrhunderts prophezeit: »Die Vereinigten Staaten von Nordamerika scheinen von der Vorsehung dazu verdammt zu sein, die Völker Amerikas im Namen der Freiheit ins Elend zu stürzen.«

Ein weiterer Ausspruch Bolívars lautete: »Schande über den Soldaten, der das Gewehr gegen das eigene Volk richtet.« So empfand es Hugo Chávez, als am 27. Februar 1989 Soldaten und Polizisten ein Blutbad unter Tausenden Menschen anrichteten, die gegen von der sozialdemokratischen Regierung verordnete Preissteigerungen rebellierten. Innerhalb von zwei Tagen wurden Schätzungen zufolge bis zu 4000 Menschen von der Staatsmacht ermordet, Todesschwadronen machten Jagd auf soziale Aktivisten. Offiziere, die ihren Untergebenen nicht den Befehl zum Massaker geben wollten, kamen teilweise unter bis heute ungeklärten Umständen ums Leben.

Hugo Chávez befand sich während dieser Tage in einer entlegenen Garnison, deren Befehlsgewalt ihm übertragen worden war. Mit einigen Vertrauten hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits eine Geheimorganisation innerhalb der Streitkräfte gegründet, die Revolutionäre Bolivarische Bewegung 200 (MBR-200), wobei die Ziffer für den 200. Geburtstag Bolívars 1983 stand. Doch der »Caracazo«, als der die Ereignisse des Februar 1989 in die Geschichte eingingen, überrumpelte deren Mitglieder, auch Hugo Chávez: »Als Carlos Andrés Pérez das Militär auf die Straße schickte, um die soziale Explosion zu unterdrücken, und es dieses Massaker gab, analysierten wir bolivarischen Militärs, daß es nun für uns keine Umkehr mehr gab. Wir entschieden, daß wir zu den Waffen greifen müßten.«

Der Tag des Aufstands war der 4. Februar 1992. Comandante Hugo Chávez setzte sich mit 300 Angehörigen eines von ihm befehligten Fallschirmjägerbataillons nach Caracas in Marsch, um den Präsidentenpalast, den Militärflughafen La Carlota und andere strategisch wichtige Punkte in Caracas zu besetzen. Mitverschwörer erhoben sich in Maracaibo, Maracay und Valencia. Doch während die Rebellen im Landesinneren erfolgreich operierten, scheiterte der Aufstand in der Hauptstadt. Staatschef Carlos Andrés Pérez konnte nicht festgenommen werden, die Rebellion geriet ins Stocken. Als Chávez klar wurde, daß es keinen schnellen Sieg geben würde, ergab er sich. Doch damit die rebellierenden Einheiten in den anderen Städten die Waffen streckten, mußte das Oberkommando den Comandante im Fernsehen sprechen lassen. Dadurch wurde er schlagartig berühmt. Die zweiminütige Rede – wohl die kürzeste seiner gesamten Laufbahn – ging in die Geschichte ein. Er übernahm die Verantwortung für die Ereignisse und erklärte, die Ziele seien »por ahora« – fürs erste – nicht erreicht worden. Por ahora? Das wurde in Venezuela als Versprechen empfunden.

Hugo Chávez und seine Mitverschwörer wurden inhaftiert, doch bereits am 26. März 1994 waren sie wieder frei. Rafael Caldera, der 1993 unter anderem deswegen gewählt worden war, weil er Verständnis für die Rebellion der Offiziere geäußert hatte, begnadigte die Rebellen unter der Bedingung, sich aus dem aktiven Militärdienst zurückzuziehen. In der Folge entwickelte Chávez als Zivilist aus seiner Untergrundorganisation MBR-200 die legale Partei Bewegung Fünfte Republik (MVR), die 1998 zu den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen antrat. Chávez gewann die Wahl am 6. Dezember 1998 mit 57 Prozent der Stimmen und wurde neuer Staatschef Venezuelas. An die Zeit bis zu seiner offiziellen Amtseinführung am 2. Februar 1999 erinnerte er sich 2003 am Rande des Weltsozialforums in Porto Alegre: »Eines Abends kam ein Vertreter dieser (mächtigen) Kreise bei einem der Abendessen des Dezember 1998 auf mich zu und sagte mir: ›Präsident, wir haben uns zusammengesetzt, und weil wir Ihnen helfen wollen, bringen wir Ihnen diese Liste. Das sind unsere Kandidaten für die Ministerämter.‹ Ich schaute auf die Liste und als erstes sah ich den Finanzminister, dann den Außenhandelsminister; weiter unten andere… Ich habe mir diesen Zettel natürlich gut aufgehoben und haben niemanden von denen, die sie mir vorgeschlagen hatten, ernannt.«

Hugo Chávez war keiner der unzähligen früheren Staatschefs Lateinamerikas, die sich mit wohlklingenden, sogar linken Parolen wählen ließen, um dann vor den tatsächlich herrschenden Klassen ihrer Länder einzuknicken. Der Junge aus Sabaneta vergaß seine Herkunft nicht und fühlte sich auch im Präsidentenpalast Miraflores den einfachen Menschen seines Landes verpflichtet. Das Ziel war die Neugründung Venezuelas. Seine erste Amtshandlung war deshalb, die erste Volksabstimmung in der Geschichte des Landes anzusetzen und die Bürger zu fragen, ob sie für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung seien. Das Referendum fand am 25. April 1999 statt, keine 100 Tage nach seinem Amtsantritt. 87 Prozent der Teilnehmer stimmten für die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung, die dann Ende Juli gewählt wurde. Auch hier zeigte sich eine klare Mehrheit für Chávez’ »Patriotischen Pol« – und am Ende der Arbeit stand das neue Grundgesetz der Bolivarischen Republik Venezuela, das am 15. Dezember 1999 in einem weiteren Referendum mit über 71 Prozent der Stimmen verabschiedet wurde.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Venezolaner ihren Präsidenten bereits als Medienstar kennengelernt. Im Mai 1999 hatte sich Chávez erstmals – zunächst nur eine Stunde lang im Radio, später meist viel länger und auch im Fernsehen – den Fragen seiner Mitbürger gestellt. »Aló, Presidente« wurde legendär. Jeden Sonntag stellte der Präsident dem Land die Politik seiner Regierung vor. Minister mußten damit rechnen, ohne Vorankündigung und vor laufenden Kameras von ihrem Chef nach dem Stand von ihnen zu verantwortender Projekte befragt zu werden. Wer darauf nicht befriedigend antworten konnte, war sein Amt schnell los.

Schon die politischen Reformen, die das Wirtschaftssystem Venezuelas noch kaum antasteten, weckten den Zorn der herrschenden Eliten und der USA. Schon im Herbst 1999 wetterte der US-Auslandssender Voice of America gegen den »populistischen Möchtegern-Diktator«, und ab 2001 riefen der sozialdemokratisch beherrschte Gewerkschaftsbund CTV und der Unternehmerverband Fedecámaras einhellig zum Sturz der Regierung auf. Ihre Kampagne führte im April 2002 zum Putsch.

»Der Endkampf findet um den Präsidentenpalast Miraflores statt«, verkündete die Oppositionszeitung El Nacional am 11. April 2002 in einer Sonderausgabe. Für diesen Tag hatten CTV, Fedecámaras und die Parteien der rechten Opposition zu einer Großdemonstration aufgerufen. Offiziell sollte sie zum Sitz des staatlichen Ölkonzerns PdVSA führen, deren Spitze Chávez austauschen wollte, um das wie ein »Staat im Staate« agierende Unternehmen unter die Kontrolle der Regierung zu bringen. Doch plötzlich wurde der Marsch zum Regierungssitz umgelenkt. Dort hatten sich Tausende Unterstützer des bolivarischen Prozesses versammelt, um Miraflores gegen eine befürchtete Erstürmung durch die Regierungsgegner zu schützen. Was sie nicht wußten: Heckenschützen hatten sich auf den Hochhäusern im Zentrum der Stadt postiert. Als Oppositionelle und Regierungsanhänger nur noch wenige hundert Meter voneinander trennten, fielen Schüsse. Die Zahl der dabei getöteten Menschen wird inzwischen auf 19 beziffert, die meisten waren Unterstützer des Präsidenten. Die Medien der Regierungsgegner behaupteten allerdings, Chávez habe auf die unbewaffneten Oppositionellen schießen lassen. Führende Militärs kündigten dem Präsidenten die Gefolgschaft auf und forderten seinen Rücktritt. Einheiten der Streitkräfte umstellten Miraflores. Die Generäle drohten, den Palast zu bombardieren. Um ein Blutbad zu verhindern, begab sich Chávez in die Hände der Militärs, die ihn an einen zunächst unbekannten Ort verschleppten. Doch einen Rücktritt unterzeichnete er nicht. Unter Bruch der Verfassung übernahm eine Junta aus Militärs und Oligarchen die Herrschaft, zum »Übergangspräsidenten« wurde Fedecámaras-Chef Pedro Carmona ernannt. Dieser löste mit einem Handstreich das Parlament, den Obersten Gerichtshof und andere Behörden auf und änderte kurzerhand den Namen des Landes, indem er das programmatische Wort »bolivarisch« strich.

Doch die Putschisten hatten nicht mit den einfachen Menschen des Landes gerechnet. Die Bevölkerung, die nach gut drei Jahren Veränderungsprozeß Mut geschöpft hatte, wollte sich nicht in die alten Zeiten zurückstürzen lassen. Spontan und ohne sichtbare Führung gingen die Menschen auf die Straße, Tausende versammelten sich vor den Fernsehsendern, an den Militärbasen und vor dem Präsidentenpalast. Am Ende waren es Millionen, während in Maracay die Fallschirmjäger erklärten, das Carmona-Regime nicht anzuerkennen. Das war militärisch entscheidend, denn damit war den Putschisten die Kontrolle über Venezuelas Luftwaffe entzogen. Die Herren, die es sich im Präsidentenpalast bequem gemacht hatten, flohen Hals über Kopf. Sogar die Präsidentenschärpe, die sich Carmona selbst über den Kopf gezogen hatte, wurde später gefunden. Sie trug ein Etikett mit der Aufschrift »Made in Spain«.

Auch später gelang es der Opposition nicht, Hugo Chávez aus dem Amt zu verdrängen. Sie scheiterte bei dem Versuch, die Revolution durch einen unbefristeten »Generalstreik« im Dezember 2002 und Januar 2003 – der eigentlich eine Sabotage der Erdölindustrie war – wirtschaftlich zu erdrosseln. Sie scheiterte bei dem von ihnen angestrengten Amtsenthebungsreferendum im August 2004, als sich 59,1 Prozent der Venezolaner gegen eine Absetzung ihres Comandante aussprachen. Sie scheiterte bei der Präsidentschaftswahl 2006, bei der Chávez mit 62,84 Prozent im Amt bestätigt wurde, und sie scheiterte im vergangenen Oktober, als sie trotz zur Schau gestellter Siegesgewißheit noch einmal von Hugo Chávez geschlagen wurde – 55,07 Prozent stimmten bei einer Wahlbeteiligung von über 80 Prozent für den Comandante.

Der hatte in diesen Auseinandersetzungen den Kurs der Bolivarischen Revolution radikalisiert. Seit Anfang 2005 propagierte er den Sozialismus als Ziel des Prozesses. Venezuela war das erste Land, das nach 1989/90/91 wieder offen Kurs auf eine Überwindung des Kapitalismus, auf den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft nahm. Chávez war Impulsgeber für eine immer engere Vereinigung Lateinamerikas – die antiimperialistische Allianz ALBA, die Union Südamerikanischer Nationen und die 2011 in Caracas gegründete Gemeinschaft der Staaten Lateinamerikas und der Karibik (CELAC) sind und bleiben untrennbar mit seinem Namen verbunden.

Doch am 8. Dezember 2012 mußte sich Hugo Chávez in einer Fernsehansprache an seine Landsleute wenden. Seit 2011 hatte er unter anderem in Kuba gegen Krebs gekämpft – zunächst, wie es schien, erfolgreich. Im Wahlkampf machte er den Eindruck eines gesunden, kraftvollen Menschen. Doch kurz darauf klagte er über Schmerzen in der Beckengegend und mußte seine öffentlichen Auftritte reduzieren. Aufgrund der Beschwerden reiste er zu Untersuchungen nach Kuba, wo ein neuer Tumor festgestellt wurde. Er kehrte nach Caracas zurück, um sich in seiner Heimat an seine Landsleute zu wenden und diesen mitzuteilen, daß er sich wieder zur Behandlung nach Kuba begeben müsse. Erstmals sprach er offen von der Möglichkeit, nicht in sein Amt zurückkehren zu können. Er wisse, daß das »bei Millionen Venezolanern Schmerz und Trauer auslösen« werde, doch nun komme es darauf an, die eigenen Reihen geschlossen zu halten. Es werde nicht an Versuchen fehlen, die schwierige Lage auszunutzen »um den Kapitalismus und Neoliberalismus zu restaurieren«. Sollte er nicht in sein Amt zurückkehren können, rufe er dazu auf, bei den dann notwendigen Neuwahlen für Vizepräsident Nicolás Maduro zu stimmen. Unter allen Umständen müsse es darum gehen, den Sieg der Bolivarischen Revolution zu sichern und auf dem venezolanischen Weg zum Sozialismus eine neue Demokratie aufzubauen. Es war die letzte öffentliche Ansprache des Präsidenten.

Am 18. Februar kehrte Hugo Chávez frühmorgens nach Caracas zurück und wurde in das dortige Militärkrankenhaus gebracht. Dort starb er am Dienstag, 5. März 2013, um 16.25 Uhr. Vizepräsident Nicolás Maduro überbrachte die tragische Nachricht in einer über alle Rundfunk- und Fernsehsender des Landes ausgestrahlten Ansprache: »Seine Banner werden mit Ehre und Würde erhoben bleiben. Comandante, wo Sie nun auch sein mögen: Dieses Volk, das Sie beschützt haben, das Sie geliebt haben und das Sie nie im Stich gelassen haben, sagt Ihnen tausendmal danke.«

*** Von André Scheer erschienen zu diesem Thema die Bücher »Kampf um Venezuela. Hugo Chávez und die Bolivarianische Revolution« (Neue Impulse Verlag, Essen 2004) und »Venezuela – Reportage aus der Revolution« (Verlag Wiljo Heinen, Berlin und Böklund 2013)

Aus: junge Welt, Donnerstag, 7. März 2013



Vermächtnis

Von Martin Ling ****

Hugo Chávez hat in seinem Leben viel und viele bewegt. Mit dem Tod des venezolanischen Präsidenten ist es nicht anders. Vor allem in Lateinamerika sind es Millionen, überwiegend aus den Unterschichten, die trauern. Ihnen hat der große Kommunikator eine Stimme verliehen, wie sie in den neoliberalen 80er und 90er Jahren in Lateinamerika nicht vernehmbar war.

Chávez' Tod ist auf alle Fälle eine Zäsur für sein Land und den Subkontinent, wo zuvorderst er die regionale Integration mit seinen Ölmilliarden vorantrieb, um seiner Vision einer integralen Entwicklung näher zu kommen, welche die sozialen Ungleichheiten aus dem Weg räumt, die Lebensqualität sowie eine wirksame Partizipation der Völker an der Gestaltung ihrer Zukunft fördert. Auf diesem Weg ist noch eine lange Strecke zurückzulegen – dass er eingeschlagen wurde, bleibt das Verdienst des Comandante.

Chávez stand am Anfang der lateinamerikanischen Linkswende, der mit unterschiedlichsten Ansätzen von Lula in Brasilien über die Kirchners in Argentinien bis hin zu Correa und Morales in Ecuador und Bolivien viele folgten. Weil Chávez demonstrierte, dass das TINA-Prinzip (»There is no alternative«) von Margaret Thatcher, das auch Kanzlerin Merkel abgewandelt mit ihrem »alternativlos« gern zur Beschreibung ihrer Politik bemüht, schlicht falsch ist. Es gibt immer Alternativen, wenn der politische Wille da ist. Bei ihrer Umsetzung wird Chávez' Beitrag künftig vermisst werden. Das ist nun Verpflichtung für die Linke in aller Welt.

**** Aus: neues deutschland, Donnerstag, 7. März 2013 (Kommentar)

Politikerstimmen aus dem Ausland

Von den Äußerungen europäischer Politiker zum Tod des venezolanischen Präsidenten sticht das offizielle Berlin hervor. Zum einen gibt es keinerlei Stellungnahme der Kanzlerin - was schon einen diplomatischen Affront darstellt -, zum anderen äußert sich Außenminister Westerwelle in einer Weise, als wolle er sagen: Gut, dass Chavez tot ist; so ist nun der Weg frei für Demokratie und Fortschritt. Auch nicht immer besonders freundschaftlich, aber zumindest anerkennend und mit Würde die Stzellungnahmen fast aller anderen Politiker. Im Folgenden eine Auswahl:

Deutschland:
In Berlin bekundete Außenminister Guido Westerwelle seine Anteilnahme mit der Familie des Verstorbenen und mit dem venezolanischen Volk. Der Tod Chavez' sei "ein tiefer Einschnitt für Venezuela". Der deutsche Außenminister erklärte weiter: Ich setze darauf, dass Venezuela nach Tagen der Trauer den Aufbruch in eine neue Zeit schafft. "Venezuela hat ein großes Potenzial, und Demokratie und Freiheit sind der richtige Weg, um dieses Potenzial zu verwirklichen." Deutschland stehe bereit, Venezuela bei dieser Aufgabe partnerschaftlich zu unterstützen.

EU:
In einer sechs Zeilen langen Erklärung von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso heißt es, die EU habe »mit Trauer« auf die Nachricht vom Tode des Präsidenten Hugo Chávez reagiert. »Venezuela hat sich durch seine soziale Entwicklung und für seinen Beitrag zur regionalen Integration Südamerikas ausgezeichnet«, heißt es weiter. »In der Hoffnung auf eine Vertiefung unserer Beziehungen in der Zukunft möchten wir dem Volk und der Regierung Venezuelas unser aufrichtiges Beileid und unsere Anteilnahme übermitteln.«

Großbritannien:
Der britische Außenminister William Hague hat der Familie von Hugo Chávez und den trauernden Menschen in Venezuela sein Beileid ausgesprochen. »In 14 Jahren als Präsident von Venezuela hat er ein bleibendes Erbe in seinem Land und darüber hinaus hinterlassen«, erklärte Hague. Er sei sehr betroffen gewesen, als er von dem Tod des Politikers erfahren habe.

Irland:
Präsident Michael Higgins erklärte, Chávez habe in seiner Amtszeit sehr viel erreicht, vor allem für die Entwicklung seines Landes und die Armutsbekämpfung.

Frankreich:
Staatschef François Hollande hat Hugo Chávez in einem Kondolenzschreiben als streitbaren Kämpfer für Gerechtigkeit bezeichnet. »Der verstorbene Präsident stand für sein Temperament und für Orientierungen, die nicht von jedem geteilt wurden, aber darüber hinaus für einen nicht zu leugnenden Willen, für Gerechtigkeit und Entwicklung zu kämpfen«, heißt es in der Mitteilung. Chávez werde als jemand in die Geschichte eingehen, der sein Land tief geprägt habe. Er sei überzeugt, so Hollande, dass es Venezuela gelingen werde, die nun folgende schwere Zeit demokratisch und spannungsfrei zu meistern.

China:
Chinas Führung hat Hugo Chávez in einem Kondolenzschreiben als »hervorragenden Staatschef« und »guten Freund« beschrieben. Der kurz vor der Ernennung zum Staatspräsident stehende Xi Jinping und sein Vorgänger Hu Jintao drückten in dem Schreiben an Venezuelas Vizepräsident Nicolás Maduro ihr tiefstes Mitgefühl aus, wie eine Sprecherin des Außenministeriums mitteilte.

Iran:
Teheran hat einen landesweiten Trauertag ausgerufen. Präsident Mahmud Ahmadinedschad nannte Chávez ein »Symbol des Widerstands gegen den Imperialismus«. Für die venezolanische Nation sei Chávez zum Märtyrer geworden, schrieb Ahmadinedschad an Vizepräsident Nicolás Maduro. »Der Geist einer großen Persönlichkeit, die immer für Freiheit und Gerechtigkeit gefochten hat, ist nun im Himmel. Die Welt betrauert den Tod eines mutigen, weisen und revolutionären Führers.«


Pressestimmen


Le Monde (Paris):
"Hugo Chávez hat in 14 Jahren die Armut verringert. Doch es ist ihm nicht gelungen, den Reichtum durch das Erdöl einzusetzen, um ein dauerhaftes Entwicklungsmodell für sein Land zu erfinden. Ohne den charismatischen Anführer wird sich sehr schnell die Frage nach der Überlebensfähigkeit des Systems stellen. Chávez hat die linksgerichteten Politiker Lateinamerikas inspiriert. Seine Provokationen gegenüber den Mächtigen dieser Welt haben ihm Sympathien in Lateinamerika eingetragen. Doch seine Unterstützung für eine Reihe unerträglicher Dikatoren wie den Libyer Gaddafi, Assad in Syrien und Ahmadinedschad im Iran haben dieses Bild getrübt. Auch dies war Teil des Systems Chávez."

IRAN DAILY (Teheran):
"Der Tod von Hugo Chávez ist ein großer Verlust nicht nur für sein Volk, sondern für alle freiheitsliebenden Völker der Welt. Sein Kampf zur Befreiung seines Landes vom Kapitalismus und Imperialismus machte aus ihm eine international anerkannte Führungspersönlichkeit. Der Grund für Chávez' Popularität liegt vor allem darin begründet, dass er für die Rechte der Menschen eintrat. Bis zu seinem letzten Atemzug kämpfte er für arme Bauern und eine gerechte Verteilung des Wohlstands. Das hat noch kein venezolanischer Präsident vor ihm getan. Jeder potenzielle Nachfolger sollte wissen, dass das Volk sich auflehnen wird, sollte er diesen Pfad verlassen. Chávez ist tot, aber seine Ideologie lebt weiter."

DE VOLKSKRANT (Amsterdam):
"Der sozialistische Präsident änderte via Referendum die Verfassung, um an der Macht bleiben zu können. Er nahm die Medien in die Zange und zwang die Justiz ins Joch. Venezuelas Außenpolitik verkam zu einer Karikatur: Wer der Feind Amerikas war, wurde automatisch der Freund Venezuelas. Im eigenen Land war der theatralische Präsident bis zum Ende bei vielen beliebt. Aber als Vorbild für die Region wurde er übertroffen durch Staatsmänner wie den brasilianischen Präsidenten Lula da Silva, der zeigte, dass es auch möglich ist, Armut erfolgreich zu bekämpfen, ohne die Märkte zu verschrecken."

POLITIKEN (Kopenhagen)
"Hugo Chávez war ein richtiger Bandit, politisch wie moralisch." ... "Gewiss, man soll Gutes über Verstorbene sagen. Chávez war sicher gut zu Kindern. Und charismatisch. Aber er war nicht gut zu seinem Land. Es bereitete ihm während seiner 14 Jahre langen 'Revolution' großes Vergnügen, sich gegenüber den USA, seinem Lieblingsgegner, aufzublasen. Aber die Menschen in Venezuela brauchen demokratische Verantwortung und aktive Beteiligung an der internationalen Zusammenarbeit, statt durch einen Populisten mit Verschwörungstheorien an den Rand gedrängt zu werden."

KOMMERSANT (Moskau):
"Selbst wenn Chávez bisheriger Stellvertreter, Maduro, die Wahl in Venezuela gewinnen sollte, wird sich der politische Kurs des Landes stark verändern - und auch die Position Russlands in Venezuela wird nicht mehr so sein wie zuvor. Caracas wird gezwungen sein, sich den USA anzunähern und auf die bislang privilegierten Beziehungen zu Moskau zu verzichten, die in vielerlei Hinsicht auf den persönlichen Kontakten zwischen Hugo Chávez und der russischen Führung basierten. Dieser Verlust könnte die milliardenschweren russischen Investitionen in Venezuela und die ambitionierten Großprojekte beispielsweise im Ölgeschäft gefährden."

WASHINGTON POST:
"Die USA haben noch keine vernünftige Strategie im Umgang mit Venezuela gefunden." ... "Schon vor Monaten begann die Obama-Regierung damit, Kontakt zu Chávez designiertem Nachfolger, Maduro, zu suchen. Diese Strategie ist spätestens gescheitert, seit dieser die Vereinigten Staaten für Chávez' Krankheit mitverantwortlich machte. Kein Wunder, war Maduro doch schon in Jugendjahren Anhänger des kubanischen Castro-Regimes. So viel also zum 'Neuanfang mit Caracas'. Statt nun Maduro und seine Kumpanen zu umwerben, sollte eine vernünftige US-Politik sich lieber auf die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen fokussieren, eine faire und demokratische Abstimmung einfordern und erst einmal abwarten, ob sich Maduro tatsächlich durchsetzen kann. Und selbst dann müsste er erst noch zeigen, dass er mehr ist als eine Marionette Castros."

EL DIARIO DE HOY (San Salvador):
"Die Opposition hat es jetzt nicht leicht." ... "Sie wird erneut auf ihren Spitzenkandidaten Henrique Capriles setzen, weil es niemanden gibt, der ihm seine Führungsrolle streitig machen könnte. Bei den letzten Wahlen lag er noch 10 Prozentpunkte hinter Chávez. Schafft Capriles es diesmal jedoch, das gesamte Oppositionslager zu mobilisieren, ist das Rennen wieder offen. Gegen Chávez und seine Popularität war er machtlos, weil die Wähler Kontinuität und Stabilität wollten. Vergleichen sie die jetzt wahrscheinlichen Kandidaten, erwarten sie Stabilität und Sicherheit diesmal möglicherweise eher von der Opposition als von einer chavistischen Regierung ohne Chávez",

THE TIMES (London):
"Länder wie Brasilien, Chile und Uruguay haben die Militärdiktatur hinter sich gelassen und sind zu stabilen, gut regierten Demokratien geworden. Dort wurden soziale Reformen und die freie Marktwirtschaft eingeführt. Die Regierungen haben sich an Verfassungsgrundsätze gehalten. Venezuela ist populistisch, antikapitalistisch und autoritär geworden. Wer auch immer die Wahl gewinnt, es wäre besser für Venezuela, Brasilien und Chile nachzueifern, als das bittere Erbe von Chávez anzutreten."

Quellen: AA, neues deutschland, Deutschlandradio




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