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Mörder aus den eigenen Reihen

Venezuelas Geheimdienst warnt vor Anschlag auf Oppositionskandidat Henrique Capriles Radonski

Von Modaira Rubio, Caracas *

Der venezolanische Geheimdienst SEBIN verfügt offenbar über Informationen, wonach ein Mordanschlag auf den Kandidaten der rechten Opposition bei den Präsidentschaftwahlen am 7. Oktober vorbereitet wird. Der Direktor des Nationalen Bolivarischen Nachrichtendienstes, Miguel Rodríguez, bestätigte am Montag (Ortszeit), daß sich seine Behörde mit der Kampagnenleitung des Oppositionsbündnisses MUD und mit Henrique Capriles Radonski selbst in Verbindung gesetzt habe, um diese über die Erkenntnisse auf dem Laufenden zu halten. Ziel eines solchen Attentats wäre demnach, Chaos zu schüren und das Land zu destabilisieren. Hinter den Plänen könnten Teile der Regierungsgegner stehen, die sich bei der Wahl keine Chance ausrechnen, Amtsinhaber Hugo Chávez besiegen zu können. Jüngste Umfragen sehen Chávez bei knapp 60 Prozent und rund 30 Prozentpunkte vor seinem wichtigsten Konkurrenten. Der Amtsinhaber versprach im Gespräch mit dem staatlichen Fernsehen VTV, Capriles Radonski bekomme den selben Schutz wie jeder andere venezolanische Bürger auch.

Wenig dankbar zeigte sich dafür Capriles Radonski. Über den Internetdienst Twitter erklärte er, Chávez handele »verantwortungslos«, wenn er solche Warnungen verbreite. Andere Beobachter nehmen die Hinweise hingegen sehr ernst. »Die Gringos haben in der Vergangenheit viele Personen mit einer Kugel aus dem Weg geräumt, die ihren Plänen unbequem geworden waren, oder um die für eine Intervention notwendige Gewalt zu schüren«, erklärte Carolus Wimmer, der dem Lateinamerikanischen Parlament angehört. »Im Falle Venezuelas könnte ein Anschlag auf den Kandidaten der MUD das Einfallstor sein, um eine Operation im Stile Libyens oder Syriens zu organisieren«, erklärte der Politiker, der auch internationaler Sekretär der Kommunistischen Partei (PCV) ist.

Wimmer wollte nicht ausschließen, daß auch die Ermordung der Tochter des chilenischen Konsuls in Maracaibo, Karen Berendique, durch Polizeibeamte einem solchen Plan folgen könnte. Die 19jährige war am vergangenen Samstag erschossen worden, als sie offenbar an einer Polizeisperre nicht anhielt, weil sie die Beamten in Zivil für Gangster gehalten hatte. Solche Übergriffe gegen Diplomaten oder politischen Aktivisten könnten dazu dienen, internationale Aufmerksamkeit auf angeblich in Venezuela herrschende Instabilität zu lenken, warnte Wimmer.

Präsident Chávez verurteilte am Montag (19. März) ebenfalls den »brutalen Mord« und forderte, die zwölf mittlerweile festgenommenen Beamten mit der ganzen Last des Gesetzes zu bestrafen. Es sei notwendig, mit der Säuberung der Sicherheitskräfte von korrupten Beamten fortzusetzen sowie nicht hinnehmbare Praktiken der Polizei zu bekämpfen.

* Aus: junge Welt, 21. März 2012


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