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Putins Roadmap für Usbekistan

Von Alexander Knjasew, RIA Novosti *

Nach seiner Amtseinführung als Präsident stattet Wladimir Putin dem usbekischen Amtskollegen Islam Karimow als zweiten Anführer eines GUS-Landes einen Besuch ab. Seine erste Auslandsreise hatte Putin zum weißrussischen Amtskollegen Alexander Lukaschenko geführt.

Kasachstans Regierung soll eifersüchtig auf den Zeitplan der ersten Auslandsreisen Putins reagiert haben, weil er zunächst nach Minsk und Taschkent reist.

Allerdings handelt es sich nur um Gerüchte, denn Astana als auch Moskau wissen genau, dass die Treffen der beiden Staatschefs zum normalen Arbeitsprozess zweier engen Verbündeten gehören. Bei Putins Besuch in Taschkent geht es jedoch darum, die Beziehungen zum wichtigsten Land in der Region zu verbessern.

Neuer Signal zur Integration in Zentralasien

Auf Russland entfällt ein Viertel des gesamten Außenhandelsumsatzes Usbekistans, mehr als zwei Millionen Usbeken arbeiten in Russland. Diese Fakten erfordern Gespräche und praktische Schritte.

Doch die Beziehungen zu Usbekistan sind nicht nur für Russland, sondern auch für Kasachstan wichtig – vor allem im Rahmen der regionalen Integrationsprozesse. In diesem Zusammenhang gibt es Positives zu berichten. Obwohl das Abkommen über die Schaffung des Einheitlichen Wirtschaftsraums erst im Oktober angenommen und derzeit nur durch Russland ratifiziert wurde, hat Usbekistan beim jüngsten GUS-Gipfeltreffen in der turkmenischen Hauptstadt Aschhabad sein Interesse an dem Projekt gezeigt.

Usbekistans Absicht, sich dem Einheitlichen Wirtschaftsraum anzuschließen, könnten den russisch-usbekischen Beziehungen einen Schub verleihen.

Alle benachbarten Republiken wissen, dass Usbekistan bei der Lösung vieler Streitfragen in Zentralasien nicht außen vor gelassen werden kann. Das weiß auch Moskau.

Angesichts seiner geografischen Lage, des demografischen Status, des Kommunikationspotentials und anderer wichtiger Komponenten spielt Usbekistan weiter eine dominierende Rolle in der Region. Jede Macht, die ihren Einfluss in Zentralasien ausbauen will, kommt an Usbekistan nicht vorbei. Trotz seiner engen Beziehungen zu Kasachstan ist sich Russland darüber ebenfalls im Klaren.

Russland arbeitete mit Kasachstan sowohl aus objektiven als auch subjektiven Gründen zusammen. Beide Länder sind eng miteinander verflochten. Laut einer orientalischen Weisheit ist ein enger Nachbar immer besser als ein ferner Verwandter.

Regionaler Anführer mit besonderer Position

Wie die postsowjetische Geschichte zeigt, gestaltet sich die Situation mit Usbekistan schwieriger.

Bei einem Anschluss an den Einheitlichen Wirtschaftsraum würde Usbekistan eine neue Rolle in vielen anderen regionalen Bündnissen zufallen. Es ist kein Geheimnis, dass Tadschikistan und Kirgistan den Beitritt zur Dreier-Zollunion (Russland, Kasachstan, Weißrussland) anstreben. Sie bewerben sich auch um den Anschluss an die Eurasische Union.

Geopolitisch würden Kirgistans und Tadschikistans Teilnahme an diesen Gemeinschaften nur Sinn haben, wenn Usbekistan mit daran beteiligt ist.

Ein Blick auf die Karte genügt, um zu verstehen, dass Kirgistan und Tadschikistan ohne Uskenistan eine Art Korridor nach Afghanistan für die Zollunion und die des Einheitlichen Wirtschaftsraums bilden würden.

Für die Dreier-Zollunion sind Kirgistan und Tadschikistan als Markt ebenfalls kaum attraktiv. Usbekistan, das mehr Einwohner hat als die Hälfte der gesamten Bevölkerungszahl Zentralasiens, würde den Handelsraum der Zollunion und der künftigen Eurasischen Wirtschaftsunion erweitern.

Ohne Teilnahme Usbekistans ist es unmöglich, die für Kirgistan und Tadschikistan wichtigen Wasserkraftprojekte verwirklichen – das Kambaratinski- und Rogunski-Projekte. Das einseitige Vorgehen der beiden Republiken beim Bau von Wasserkraftwerken hat bereits für ernsthafte Konflikte mit dem Usbekistan gesorgt.

Usbekistans Anschluss an die von Russland geförderten Bündnisprojekte würde diese voranbringen – trotz des vorsichtigen Verhaltens Taschkents in Bezug auf die Integration und einer Sonderstellung in der OVKS und in der EAWG.

Vierjährige Pause

Auch in der internationalen Politik müssen die russisch-usbekischen Beziehungen erörtert werden. Der Westen sieht Usbekistan offenbar als eine regionale Großmacht an und will deshalb enge Beziehungen entwickeln. Moskau ist deswegen beunruhigt über seine künftige Präsenz in Zentralasien.

Zugleich unterscheidet sich das Verhalten Usbekistans gegenüber den USA und anderen führenden NATO-Staaten vom Zick-Zack-Kurs Kirgistans und Tadschikistans. Die beiden zentralasiatischen Republiken gehen häufig kurzfristige Deals ein, ohne die Interessen Russlands als ihren wichtigsten strategischen Partner und Integrator zu berücksichtigen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Verhalten der kirgisischen Regierung in Bezug auf den US-Militärstützpunkt am Flughafen Manas. Usbekistan hielt sich dagegen an Abmachungen, als es 2005 auf dem Abzug des US-Militärstützpunkts in Chanabad bestand.

Islam Karimow steht auch zu seinem Wort, als er den Amerikanern die nördliche Transitroute bereitgestellt hatte, über die ISAF-truppen in Afghanistan mit Nachschub versorgt werden und der Abzug geplant ist.

Für die nördliche Route ist Usbekistan ein sehr wichtiges Land. Alle anderen Wege über Tadschikistan, Kirgistan oder Turkmenistan sind geografisch nicht so gut geeignet wie das usbekische Termes. Es ist klar, dass Russland in Zukunft die von den USA bereitgestellten Umschlagplätze nutzen will. Eine Annäherung in dieser Frage würde vorteilhaft für beide Länder sein.

Nach dem Usbekistan-Besuch reist Putin am 7. Juni nach Kasachstan weiter. Es gibt keine Zweifel daran, dass dieses Treffen wie immer mit Ergebnissen endet.

* Zum Verfasser: Alexander Knjasew ist Koordinator der regionalen Programme des Orientalistik-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, Montag, 4. Juni 2012; http://de.rian.ru



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