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Erfolg im Konflikt um Papierfabrik

Nach jahrelangem Streit einigen sich Argentinien und Uruguay auf gemeinsame Kontrollen

Von Johannes Schulten *

Sie waren darauf bedacht, nicht zu euphorisch zu klingen, als die Außenminister von Uruguay und Argentinien das Ergebnis zehnstündiger Verhandlungen in knapp fünf Minuten zusammenfaßten. Aber das in der Nacht zum Montag (Ortszeit) von Luis Almagro und Héctor Timerman präsentierte »Kontrollabkommen« ist ein wichtiger Schritt, den heftigen Streit um die Papierfabrik im uruguayischen Fray Bentos beizulegen, der seit mehr als vier Jahren die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern lähmt. Mit sofortiger Wirkung soll ein bilaterales Kontrollgremium eingerichtet werden, um mögliche von der Anlage ausgehende Belastungen für den Grenzfluß Uruguay »wissenschaftlich« zu prüfen. Dazu werden unter anderem Sensoren an den Stellen installiert, wo Gas und Abwasser aus der Fabrik in das Gewässer geleitet werden. Bisher hatte sich das Land strikt geweigert, jegliche Art der argentinischen Mitwirkung an der Kontrolle zu akzeptieren.

In Argentinien wird die von der finnischen Firma »Botnia« gebaute und seit Ende vergangenem Jahres vom ebenfalls finnischen Forst- und Papierkonzern UPM betriebene Zellstoffabrik ohnehin als Umweltkatastrophe wahrgenommen. Besonders in der Grenzprovinz Entre Ríos ist die Angst vor einer Verschmutzung des Grenzflusses enorm. Umweltaktivisten blockierten mehr als drei Jahre lang die einzige Landverbindung zwischen beiden Ländern nahe der Stadt Gualeguaychú.

Uruguay dagegen verspricht sich von der mit 750 Millionen Euro umfassenden und größten ausländischen Investition in der Geschichte des Landes Wirtschaftswachstum und Jobs.

»Es ist ein gutes technisches Abkommen, das beide Regierungen zufriedenstellt«, sagte Timerman auf der Pressekonferenz. Sein uruguayischer Kollege bezeichnete die Einigung bescheiden als »ernstgemeint«.

Gemessen an den vereisten Beziehungen zwischen beiden Ländern, wirken solche zurückhaltenden Bekundungen jedoch historisch. Der bis März amtierende uruguayische Präsident Tabaré Vázquez und sein am 27. Oktober verstorbener Kollege Néstor Kirchner hatten ihren Streit derart personalisiert, daß ein einfacher Handschlag zwischen beiden schon als nachrichtliches Großereignis präsentiert wurde. Vázquez blieb sogar den Feierlichkeiten zur Amtsverabschiedung von Kirchner im Dezember 2008 fern.

Argentinien dagegen zog vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag, um eine Schließung der Fabrik zu erwirken. Doch die Richter entschieden zugunsten Uruguays. Zwar kritisierten sie in ihrem Urteil vom April Uruguay dafür, mit der Genehmigung des Baus der Fabrik bilaterale Abkommen mit Argentinien verletzt zu haben. Eine Belastung des Flusses durch die Fabrik habe jedoch nicht nachgewiesen werden können.

Zumindest rhetorisch entspannten sich die Beziehungen als Vázquez von seinem Wunschkandidaten, José »Pepe« Mujica, als Präsident abgelöst wurde. Seither haben er und Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner immer wieder ihre Bereitschaft zu einer Lösung signalisiert. Im Juli hoben die argentinischen Umweltaktivisten sogar die Blockade auf, um einer diplomatischen Annäherung nicht im Weg zu stehen.

Ein Ende des Konflikts bedeutet das Abkommen allerdings noch nicht. In Uruguay steht die große Mehrheit der Bevölkerung hinter den Fabriken. Mit Ausnahmen von einigen Umweltgruppen gibt es keine relevante gesellschaftliche Kraft, die Druck auf die Regierung erzeugen könnte. Entscheidend wird sein, wie Montevideo reagieren wird, sollte eine Schädigung des Flusses nachgewiesen werden.

* Aus: junge Welt, 16. November 2010

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