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Gerüchte über eine "dritte Kraft" in Kiew

Suche nach Verantwortlichen für Todesschüsse *

Nach der Veröffentlichung eines abgehörten Telefonats zwischen dem Außenminister Estlands, Urmas Paet, und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton fordern alle Seiten Aufklärung.

Estlands Außenminister Urmas Paet hatte in dem Gespräch mit Catherine Ashton vom 26. Februar seine Beunruhigung über das neue Machtlager in der Ukraine ausgedrückt und einem Verdacht Nahrung geliefert, wonach die Opposition in Kiew selbst Scharfschützen angeheuert haben könnte (nd berichtete). Paet berief sich auf die ukrainische Maidan-Aktivistin Olga Bogomolez, die ihm gesagt habe: »Alle Indizien wiesen darauf hin, dass Menschen, die von Scharfschützen auf beiden Seiten getötet wurden, Polizisten und Demonstrierende, dass es die gleichen Scharfschützen waren, die Leute auf beiden Seiten erschossen.« Die Ärztin, eine der Leitfiguren der Maidan-Proteste, habe ihm, Paet, »auch ein paar Fotos« gezeigt und erklärt, »dass sie als Ärztin sagen kann, dass es die gleiche Handschrift ist, die gleiche Art von Munition, und es ist wirklich besorgniserregend, dass die neue Koalition nicht gewillt ist, zu untersuchen, was genau passiert ist«. So werde der Verdacht verstärkt, »dass hinter den Scharfschützen nicht Janukowitsch stand, sondern jemand aus der neuen Koalition.«

Nachdem Paet die Echtheit des Telefonats bestätigt hatte, fahnden die estnischen Behörden nach den Hintermännern des Lauschangriffs und nach den Umständen der Veröffentlichung des Mitschnitts. Das erklärte die Generalstaatsanwaltschaft in Tallinn. Paet sagte, er habe über ein Mobiltelefon gesprochen, das seinem Ministerium gehört.

Ärztin Bogomolez widerspricht sich selbst

Olga Bogomolez wies die Darstellung des Ministers inzwischen zurück. Gegenüber dem »Daily Telegraph« sagte sie, sie habe niemals die Verletzungen der Toten auf beiden Seiten verglichen, da sie »nur Teilnehmer der Proteste gesehen« habe. »Ich weiß nicht, welche Art von Wunden die Soldaten hatten. Ich habe zu diesen Leuten keinen Zugang«, sagte sie dem Blatt. Das allerdings widerspricht den Angaben, die sie selbst am 20. Februar gegenüber dem US-amerikanischen Nachrichtensender CNN gemacht hatte. In dem Interview, das auf der persönlichen Website der Medizinerin zu hören ist (http://bogomolets.com/en/news), berichtete sie seinerzeit: »Ich habe am 18. (Februar) auch Militärs geholfen, ich habe auch Berkut-Leuten geholfen. Wir helfen allen, die Hilfe brauchen.«

Jetzt erklärte die Ärztin, die in Kiew eine eigene Klinik für Dermatologie und Kosmetologie betreibt und den früheren ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko zu ihren Patienten zählte, man könne aus der Behandlung von Wunden nicht einfach Aussagen über die Art der Waffen treffen. Die Ukraine brauche Antworten auf die Frage, wer die Mörder vom Maidan seien. Sie könne die Behauptung Paets, dass jemand aus der Opposition hinter dem Einsatz von Scharfschützen stehe, nicht teilen. Sie hoffe darauf, dass internationale Experten und ukrainische Ermittler die Art der Waffen, die bei den Morden benutzt wurden, ebenso ermitteln können wie die Täter. Die neue Kiewer Regierung habe ihr versichert, dass die strafrechtliche Untersuchung vorangetrieben werde.

Alexej Puschkow, Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses der russischen Staatsduma, hatte nach der Veröffentlichung des Telefonats zwischen Paet und Ashton von einem »kolossalen Skandal«, einer »ukrainischen Pseudorevolution« sowie »schmutziger Machtergreifung« gesprochen. Die »Rossiskaja Gaseta« schrieb auf ihrer Titelseite: »Der Maidan engagierte die Sniper (Scharfschützen).«

Forderung nach internationaler Untersuchungskommission

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Donnerstagabend, es müsse in der Ukraine untersucht werden, wer dort Gewalt angewendet habe. »Ich glaube, dass die neue ukrainische Regierung genau dazu auch bereit ist.« Die linken Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko und Thomas Nord hielten dagegen, dass eine Aufklärung der »im Raum stehenden ungeheuerlichen Verdachtsmomente« unter den gegebenen Umständen »glaubwürdig nur von einer unabhängigen internationalen Kommission geleistet werden« könne. Die Bundesregierung müsse sich für die Einrichtung einer solchen Kommission stark machen.

Der Kiewer Innenminister Arsen Awakow beteuerte, dass die Ermittlungen zu den Maidan-Toten intensiv geführt und Ergebnisse demnächst präsentiert würden. Dabei heizte auch er die Gerüchteküche an: »Der Schlüsselfaktor bei dem Blutbad in Kiew war eine dritte Kraft – und diese Kraft war keine ukrainische.« Kommandeure der damals eingesetzten Antiterroreinheiten und des Geheimdienstes hatten stets bestritten, Todesschüsse abgegeben zu haben. »Wir haben niemanden umgebracht«, sagte der Kommandeur der Sondereinheit Omega, Anatoli Streltschenko. Man habe bewaffnete Demonstranten durch Schüsse in die Beine unschädlich zu machen versucht. Der Funkverkehr scheint dafür zu sprechen.

Weitere Fragen wirft ein im russischen Fernsehen gezeigtes Video auf. Die am 18. Februar veröffentlichte Aufnahme zeigt Sergej Paschinski, Mitglied der »Vaterlandspartei« Julia Timoschenkos, wie er angeblich ein Scharfschützengewehr transportiert. Noch am selben Tag gab es Tote. Paschinski ist inzwischen geschäftsführender Leiter des ukrainischen Präsidialamts.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 8. März 2014

Dringende Petition

Es sind handfeste Hinweise darüber aufgetaucht, dass die Scharfschützen auf dem Maidan, auf deren Konto zahlreiche Todesopfer gehen, im Auftrag von Hintermännern tätig waren, die heute in der Übergangsregierung in Kiew sitzen.
Entsprechende Vorwürfe müssen unbedingt untersucht und aufgeklärt werden. Hintergründe erfahren Sie hier:
Waren Janukowitsch-Gegner Scharfschützen des Maidan?
Und hier geht es zur Petition




Moskau lockt Krim mit Lohn und Rente

Ukraine erklärte Referendum für ungesetzlich / OSZE-Beobachter kamen nicht durch

Von Klaus Joachim Herrmann **


In der Krim-Krise befestigten die Beteiligten ihre Stellungen. Ins Zentrum rückt das Referendum über die Zukunft der Halbinsel.

Eine mögliche Zukunft der Halbinsel Krim in der Russischen Föderation war am Freitag das bevorzugte Reizthema im ukrainisch-russischen Konflikt. Übergangspräsident Alexander Turtschinow stoppte in Kiew mit einem Erlass auf seiner offiziellen Webseite die für den 16. März 2014 angesetzte Abstimmung. Er nannte den Urnengang verfassungswidrig und ungesetzlich.

Das Krim-Parlament blieb nichts schuldig und erklärte in Simferopol seinerseits den Erlass aus Kiew für ungültig. Zur Abstimmung stehen die künftige Zugehörigkeit zu Russland oder eine Rückkehr zur Krim-Verfassung von 1992. Darin war die Halbinsel Teil der Ukraine.

Dass es gerade dahin nicht wieder kommen möge, war leicht erkennbare Absicht der Vorsitzenden des russischen Föderationsrates, Valentina Matwijenko. Sie verhieß der Krim künftig mehr Rechte, als diese bislang in der Ukraine genossen habe. Die Bürger würden zudem Leistungen wie die russischen Staatsangehörigen genießen: gleiche Löhne, Renten und soziale Zuwendungen.

Bei einem Telefonat zwischen Präsident Wladimir Putin und seinem US-Kollegen Barack Obama über eine politische Lösung für die Krise blieben laut Agenturberichten die Positionen unverrückbar. Zudem passierte der US-Zerstörer »Truxtun« auf dem Weg ins Schwarze Meer den Bosporus.

Wladimir Putin klagte, die politische Führung der Ukraine sei nicht verfassungsgemäß an die Macht gekommen. Die Vorgänge auf der Krim seien als Folge der Entwicklung in Kiew zu verstehen. Sein Washingtoner Amtskollege Barack Obama beschuldigte ihn der Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine.

Ganz in diesem Sinne erwies sich Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) eben doch als treuer Bündnispartner. Er warnte Russland vor widerrechtlicher Eingliederung der Halbinsel und mahnte den Kremlchef, sich der eigenen Aussage zu erinnern, dass »keine Annexion« beabsichtigt sei. Vizekanzler Sigmar Gabriel zeigte sich in Kiew auf dem Maidan bewegt. Nach einem Treffen mit Regierungschef Arseni Jazenjuk schlug er vor, die Ukraine könne doch Strom nach Europa exportieren. Da würde es freilich an den Netzen fehlen.

Nicht an Aufregung fehlte es dafür dem ukrainischen Premier. Dessen Rückreise vom EU-Gipfel in Brüssel wurde von einer Bombendrohung überschattet. Bei einer Zwischenlandung in Wien wurde die Maschine von Sicherheitskräften umstellt, ein Bombe aber nicht gefunden. Dafür drohte der russische Konzern Gazprom mit einem Lieferstopp bei Gas wegen unbezahlter Rechnungen.

Draußen blieben die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Ihr Konvoi wurde vor der Halbinsel Krim von Bewaffneten gestoppt, so AFP.

In Berlin wurde die frühere ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko zur Behandlung in der Charité erwartet.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 8. März 2014


Rechte machen mobil

Ukraine: Faschisten rekrutieren Freiwillige für Krim-Einsatz. Rußland will Beitrittsgesuch der Autonomen Republik auf der Schwarzmeerhalbinsel wohlwollend prüfen

Von Reinhard Lauterbach ***


In der Ukraine hat die faschistische Organisation »Rechter Sektor« angekündigt, Freiwillige für die bewaffnete Rückeroberung der Krim zu werden. Der Anführer ihrer Organisation in Kiew, Andrij Tarasenko, sagte, die Rekrutierungsbüros seien im ganzen Land eröffnet worden. Die Freiwilligen kämen zum Einsatz, wenn Rußland seine »Aggression« auf der Krim fortsetzen sollte. Tarasenko kündigte außerdem an, daß der Leiter der Gruppe, Dmitro Jarosch, bei den Präsidentenwahlen am 25. Mai antreten werde. Er wolle der Welt ein neues Gesicht des ukrainischen Nationalismus präsentieren.

Einstweilen zeigen Aufnahmen des britischen Fernsehsenders BBC ein ziemlich altes Bild. In einer Reportage aus Kiew waren Männer zu sehen, die in den Kolonnaden am Unabhängigkeitsplatz Übungen mit Pistolen veranstalteten. Im Gebäude der Stadtorganisation der Kommunistischen Partei, das von einer rechten Gruppe besetzt ist, waren Hakenkreuzschmiereien zu erkennen. Ein junger Mann sagte dem Reporter, er stelle sich die künftige Ukraine »nicht ganz so wie bei Hitler« vor, aber doch als ein Land mit nur einer Nation. Die auf Rußland Orientierten sollten dorthin auswandern.

Auf das Zusammenspiel am rechten Flügel machte der Vorsitzende der Freiheitspartei, Oleg Tjagnibok, in einem Interview der polnischen Zeitung Rzeczpospolita aufmerksam. Der Swoboda-Chef sagte, er sei sehr froh, daß der »Rechte Sektor« gegründet worden sei. Das seien die wirklich radikalen Nationalisten. Früher sei immer die Freiheitspartei als extrem und faschistisch bezeichnet worden. Jetzt könne seine Organisation zeigen, daß ihr Radikalismus fernliege. Nach ersten Umfragen in der Ukraine läge der Stimmenanteil sowohl der Freiheitspartei als auch des »Rechten Sektors« bei der Präsidentenwahl allerdings bei 2,5 bzw. 1,6 Prozent. Aussichtsreichster Kandidat wäre demnach der Oligarch und Förderer der Protestierenden auf dem Maidan, Petro Poroschenko, mit einer Anhängerschaft von rund 30 Prozent. Ihm folgen Witali Klitschko mit 21 und Julia Timoschenko mit 15 Prozent. Die Verhältnisse sind allerdings regional sehr unterschiedlich.

In Lwiw verhinderten Anhänger des »Rechten Blocks« die Amtseinführung des von der neuen Kiewer Regierung ernannten Bezirksstaatsanwalts wegen dessen mutmaßlicher Korruption. Der Mann ließ sich widerstandslos aus dem Gebäude führen, die Polizei rührte keinen Finger. Ein Abgeordneter der Timoschenko-Partei »Vaterland« hatte schon vor einigen Tagen Klage darüber geführt, daß die beschäftigungslos gewordenen Landsknechte des Staatsstreiches sich in der West- und Zentralukraine in zunehmendem Maße auf Straßenblockaden und das Eintreiben von »Spenden für die Revolution« von Reisenden verlegten.

Auf der Krim hat inzwischen auch die Stadt Sewastopol ihren Beitritt zur Russischen Föderation beschlossen und sich dem Aufruf zum am 16. März geplanten Referendum auf der Halbinsel angeschlossen. Die ukrainische Wahlkommission sperrte den Behörden auf der Krim den Zugang zum Wählerregister, um die Durchführung der Abstimmung zu verhindern. Krimtataren und Kiew-treue Ukrainer rufen dazu auf, das Referendum zu boykottieren. In Moskau kündigten die Vorsitzenden beider Parlamentskammern an, ein Beitrittsgesuch der Krim wohlwollend zu prüfen. Zu einer »Solidaritätsdemonstration« mit der Krim versammelten sich in Moskau etwa 65000 Menschen.

In Brüssel hat der EU-Gipfel am Donnerstag abend beschlossen, die Assoziierungsverhandlungen mit der Ukraine wieder aufzunehmen. Der politische Teil des Vertrages soll schon vor den dortigen Präsidentschaftswahlen unterzeichnet werden. Die Entscheidung gilt als Konzession gegenüber dem Drängen der USA. Bisher hatte Brüssel den Standpunkt vertreten, nur mit einer ordnungsgemäß durch Wahlen legitimierten Regierung Verträge abzuschließen. Über das Kleingedruckte in Sachen ökonomischer Auflagen soll dann erst nach den Wahlen entschieden werden – angeblich, weil die Übersetzung der Dokumente ins Ukrainische viel Zeit brauche.

Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel stellte in Kiew am Freitag konkrete Hilfen der EU für die Ukraine in Aussicht. »Wir können nicht zulassen, daß die politischen Auseinandersetzungen die wirtschaftliche Lage immer schwieriger machen«, warnte der SPD-Politiker. Was gegenwärtig in dem Konflikt geschehe, helfe weder der Ukraine noch Rußland. Die Ukraine habe große wirtschaftliche Sorgen, aber auch große wirtschaftliche Potentiale, sagte Gabriel nach einem Treffen mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk am Freitag. Es gebe etwa den Vorschlag, daß die Ukraine Strom nach Polen exportieren könnte, wo ein Bedarf dafür bestehe. »Das wäre beispielsweise eine Möglichkeit, schnell etwas auf die Beine zu stellen, damit die Menschen nicht den Eindruck haben, die Politik redet über alles mögliche, aber nichts Konkretes passiert.« Problem: Es fehlen die notwendigen Leitungen.

*** Aus: junge welt, Samstag, 8. März 2014


Renaissance des Antifaschismus in Russland?

Mehrheit der russischen Bevölkerung sorgt sich um das Schicksal der Landsleute in der Ukraine, doch Kriegsbegeisterung gibt es in Moskau nicht

Von Ulrich Heyden, Moskau ****


»Weil es keinen Krieg gibt, sind Hurrapatrioten enttäuscht, Liberale böse und alle anderen erleichtert.« Was der linke Moskauer Politologe Boris Kagarlitzki sagt, klingt übertrieben, hat aber einen wahren Kern.

Dass auf der Krim russische Soldaten ohne Hoheitsabzeichen im Einsatz sind, zieht in Russland niemand in Zweifel, auch wenn der Kreml offiziell keine Verantwortung übernimmt und von »Selbstschutzkräften« spricht. Gegen den Einsatz der Soldaten gibt es in der Mehrheit der Bevölkerung keinen Widerspruch. Auf der Krim leben eben vorwiegend Russen, um die man sich angesichts einer nationalistischen Regierung in Kiew sorgt.

Auch für den Vorsitzenden der KP der Russischen Föderation, Gennadi Sjuganow, sind die russischen Soldaten eine Art Friedenstruppe. Gegenüber dem Fernsehkanal »Vesti« erklärte er: »Russland ist in der Lage, die Bewaffnung der Bürger auf der Krim und den östlichen Gebieten der Ukraine zu verhindern.« Gerade jetzt brauche man »Willen und Mut«, damit die Situation in der Ukraine »sich nicht zu einem Krieg entwickelt«.

Eine ganz andere Position beziehen Moskaus westfreundliche Liberale. In einem per Internet verbreiteten Aufruf zu Demonstrationen vor dem Verteidigungsministerium und auf dem Manege-Platz hieß es: »Eine Militärintervention in der Ukraine führt tatsächlich zum dritten Weltkrieg.« Russen und Ukrainer seien nichts weiter als »Faustpfänder in der Hand von Verbrechern«. An den nicht genehmigten Protesten nahmen am vergangenen Sonntag 800 Menschen teil. 361 – von denen einige die Hymne der Ukraine gesungen hatten – wurden von der Polizei vorübergehend festgenommen, berichtete die liberale Website ovdinfo.org.

Dass die Moskauer Liberalen eine Weltkriegsgefahr beschwören, ist für Boris Kagarlitzki nichts anderes als »Hysterie«. Die Liberalen, die jetzt »besonders laut von der Kriegsgefahr schreien«, hätten »noch gestern jede amerikanische Intervention in beliebigen Regionen der Welt unterstützt«. Für die Linke sei es eine prinzipielle Position, dass man gegen jede ausländische Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine auftrete, »egal ob von Seiten der NATO, Russlands oder der EU«. Da die Regierung in Kiew die vielen bewaffneten Gruppen nicht kontrolliere, drohe ein Krieg »jeder gegen jeden«. Ein Chaos könne nur verhindert werden, »wenn Russland und der Westen eine gemeinsame Lösung finden«.

Und was machen linke Gruppen in Russland? Am 27. Februar bildeten 23 linke Organisationen – von der KPRF-Abspaltung »Interregionale Vereinigung der Kommunisten« über die »Bewegung der Kommunarden« bis zur »Linken Front« – einen »Antifaschistischen Stab zur Hilfe für die Ukraine«. Dessen Ziel ist es, Solidarität für die verfolgten ukrainischen Linken zu organisieren. KPU-Büros wurden von rechten Schlägern verwüstet, linke Aktivisten auf dem Maidan von Rechten zusammengeschlagen. Schuld an der Krise in der Ukraine sind nach Meinung der russischen Linksorganisationen sowohl die Politik unter Viktor Janukowitsch als auch die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise. Beide hätten zu »unerträglichen Lebensbedingungen« geführt. Die plötzliche Absage an die EU-Assoziierung habe den massenhaften Protest dann ausgelöst. »Am besten vorbereitet auf den Protest waren die nationalistischen Bewegungen.« Doch weder »der westliche noch der russische Imperialismus« hätten »echtes Mitgefühl« mit den Menschen und nutzten deren Situation nur für sich aus, heißt es in der Erklärung.

Alexej Simojanow, Moskauer Politologe und Mitarbeiter des Instituts für Globalisierung und soziale Bewegungen, hält die ukrainische und die russische Linke für »demoralisiert« angesichts des Anwachsens des Nationalismus in beiden Ländern. Doch die Ereignisse in der Ukraine eröffnen nach seiner Meinung neue Perspektiven für den Antifaschismus in Russland. Die Bilder der faschistischen Banden in Kiew, »die von ihrer ethnischen Überlegenheit überzeugt sind«, stoßen heute auch auf Ablehnung bei einem »bedeutenden Teil der Intellektuellen und Zeitgenossen in Russland«.

**** Aus: neues deutschland, Samstag, 8. März 2014


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