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Die Wette gilt

Rendite sichern: US-Milliardär und "Starinvestor" Soros verlangt Lösegeld für Waffenstillstand in der Ukraine. EU zum Zahlmeister erkoren

Von Stephan Müller *

Das Geschäft mit »Regime-Changes« kann sehr lukrativ sein. Das weiß nicht zuletzt die »Investorenlegende« George Soros. In einem bemerkenswerten Interview mit dem Handelsblatt vom 25. März stellte der US-Multimilliardär klar, die USA könnten militärische Aktivitäten in der Ukraine zurückstellen, wenn im Gegenzug die Europäische Union dort mit ihm und anderen zusammen investieren – und garantieren würde, dass die Gelder fließen. Der Vorschlag ist konsequent, folgt er doch Soros' Forderungen vom Januar. Damals hatte er verlangt, der Ukraine möglichst bald 50 Milliarden US-Dollar zuzusagen. Adressiert war der Aufruf an die »internationale Gemeinschaft«, als die sich üblicherweise USA, EU. Japan Kanada und Australien bezeichnen, gemeint war in diesem Falle allerdings die EU.

Fakt ist: Die Ukraine braucht diese Zusagen, um einen Rückzahlungsplan für ihre demnächst fälligen Schulden aufstellen zu können. Drei Milliarden US-Dollar können 2015 allein von Russland vertraglich eingefordert werden. Aber Soros geht es vorrangig um weitere acht Milliarden Dollar, die die Ukraine an private Investoren zurückzahlen muss - unter anderem an ihn selbst. Der Großspekulant, geschätztes Vermögen 24 Milliarden Dollar, bezeichnet sich als »politischen Philanthropen«. Er gründete die Stiftung »Open Society«, »um Ländern beim Übergang vom Kommunismus zu helfen«, und das mit Hilfe der von den Instituten der Stiftung entwickelten Farben(konter-)revolutionen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich die US-Außenpolitik privater Institute bedient. Die Soros-Stiftung folgt damit beispielsweise der Ford-Stiftung, die im Kalten Krieg eine große Rolle spielte, oder diversen Rockefeller-Stiftungen.

Im Handelsblatt-Interview wies aus Ungarn stammende Finanzmarktakteur darauf hin, dass seine weltweit tätige Stiftung bereits 1990, also zwei Jahre vor der Unabhängigkeit der früheren Sowjetrepublik, ihre Arbeit in der Ukraine aufgenommen hat. Er sei bereit, eine Milliarde US-Dollar in ein sogenanntes Macro-Financial-Assistance-Programme zu stecken. Die EU müsse dann aber jährlich eine weitere Milliarde Euro dazugeben und garantieren, in der Art zu helfen, »wie es Mario Draghi für den Euro getan hat«. Der Präsident der Europäischen Zentralbank hatte bei einer Investorenkonferenz am 26. Juli 2012 in London die Finanzmärkte mit den Worten, er werde den Euro stabil halten, »whatever it takes«, beruhigt.

Das hatte auch dem Spekulanten Soros gefallen, der jetzt darauf besteht, dass Brüssel moralisch gefordert sei, seine Investitionen zu schützen: »Die Ukraine muss in ihrer Selbstverteidigung die Werte und Prinzipien der EU verteidigen.« Putin sei vorrangig interessiert, der Ukraine wirtschaftlich zu schaden, »weil er lieber einen finanziellen Kollaps des Landes sehen will als einen militärischen Sieg«. Mit der EU-Garantie und der »exzellenten Bonität der EU« käme man nach seinen Berechnungen mit weiteren Krediten auf elf Milliarden Euro, in fünf Jahren auf 55 Milliarden.

Die Berechnungen eines so erfahrenen globalen Strippenziehers wie Soros sind nicht leicht von der Hand zu weisen. Durch sein den Konkurrenten überlegenes Verständnis der staatsmonopolistischen Entwicklung der kapitalistischen Großmächte gelang es ihm schon 1992, mit der Spekulation gegen das britische Pfund eine Milliarde US-Dollar Profit zu machen. Er hatte begriffen, dass die deutsche Bundesbank damals keineswegs »alles, was nötig ist« unternehmen würde, um das Pfund im EWS, dem damaligen Europäischen Währungssystem, zu halten.

Soros fordert für die Sicherheit seines Geldes schlicht die Draghi-Garantie des »whatever it takes«. Die Handelsblatt-Interviewer fragten nach: »Befürchten Sie nicht, dass Russland es als eine äußerst feindselige Aktion empfinden würde, wenn Europa den von Ihnen vorgeschlagenen Weg einschlägt?« Soros darauf: »Die Gefahr ist da. Aber der einzige Weg, wie man mit dieser Situation umgehen kann, ist, dass man die Abwehrkräfte der Ukraine stärkt – nicht im militärischen, aber im wirtschaftlichen Sinn.«

Nun kann der »Starinvestor« sicher nicht allein für die US-amerikanische Außenpolitik sprechen. Er gehörte seinerzeit zu der Gruppe von Milliardären, die sich offen gegen eine Wiederwahl des republikanischen Präsidenten George W. Bush aussprachen. Die Gruppe bevorzugt außenpolitisch eine Politik, wie sie der aktuelle Präsident Barack Obama praktiziert: Indirektes Eingreifen anstelle der »Stiefel auf dem Boden«-Methode seines Vorgängers. Gleichwohl war die Mehrheit in den USA für Waffenlieferungen an die Ukraine, die in den zurückliegenden Tagen deutlich wurde, parteiübergreifend. Soros‘ Vorschlag lässt lediglich ahnen, dass es Meinungsverschiedenheiten darüber gibt, wie die sicher ebenfalls gemeinsame »Fuck-the-EU«-Strategie der für Europa und Eurasien zuständigen stellvertretenden US-Außenministerin Victoria Nuland konkret umgesetzt werden soll.

Stephan Müller schreibt u.a. für die Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) und Theorie und Praxis.

* Aus: junge Welt, Montag, 30. März 2015


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