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Diplomatischer Grabenkampf

Außenministertreffen zur Ukraine endet mit Vertagung. Im Donbass wird weitergeschossen

Von Reinhard Lauterbach *

Das Außenministertreffen Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine am Montag abend in Berlin hat keine greifbaren Ergebnisse gebracht. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von einem »sehr langen, intensiven und in Teilen sehr kontroversen Gespräch«. Als Minimalkonsens riefen die vier Politiker alle Seiten dazu auf, die Abmachungen des Abkommens »Minsk II« strikt einzuhalten.

Schon darüber, was da eingehalten werden solle, gingen allerdings die Auffassungen auseinander. Während die ukrainische Seite das Thema auf die militärischen Aspekte fokussierte und ein weiteres Mal den Abzug der nach ihrer Darstellung in der Ostukraine stehenden russischen Truppen forderte, rief der russische Außenminister Sergej Lawrow Kiew dazu auf, die Wirtschaftsblockade des Donbass zu beenden und in den politischen Prozess einer Aussöhnung mit den Aufstandsgebieten einzutreten.

Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin wiederholte die Forderung seiner Regierung, eine Friedenstruppe aus der EU und anderen westlichen Staaten ins Donbass zu senden. Damit drang er aber nicht durch. Nach Angaben Lawrows wurde das Thema trotz Klimkins Insistierens nicht aufgenommen. Ebenso erwähnt die vom Auswärtigen Amt ins Internet gestellte Abschlusserklärung des Treffens das ukrainische Ansinnen mit keinem Wort.

Auch das mündliche Statement Steinmeiers nach dem Treffen ist – zwischen den Zeilen gelesen – aufschlussreich: Es seien »die tiefen Differenzen zwischen Kiew und Moskau« deutlich geworden. Von solchen Differenzen zwischen Moskau und Berlin bzw. Paris sprach Steinmeier dagegen nicht. Mehr als nur eine Fußnote wert ist die Erwähnung der Notwendigkeit, als Teil der Erfüllung der Minsker Vereinbarungen Arbeitsgruppen der sogenannten »Kontaktgruppe« zur Lösung praktischer Fragen zu bilden. Denn in diesen Gruppen sind auch die beiden »Volksrepubliken« Donezk und Lugansk vertreten. Kiew wird also wählen müssen zwischen seiner bisherigen Gesprächsverweigerung mit den Aufständischen und der Einhaltung der in Berlin bekräftigten Linie, dass ein solcher Dialog erforderlich sei.

Der – in Berlin nicht anwesende – Ministerpräsident der »Volksrepublik Donezk«, Alexander Sachartschenko, warf Kiew auf einer Pressekonferenz vor, seine westlichen Partner »dreist zu betrügen«. Die fortgesetzten Angriffe ukrainischer Truppen auf Stellungen der »Volkswehr« und Städte in den Volksrepubliken stellten flagrante Verletzungen des Minsker Abkommens dar.

Besonders umkämpft waren am Montag die Ortschaften Peski und Spartak westlich und nördlich des Donezker Flughafens, über den seit Januar die Frontlinie verläuft. Nach ukrainischen Angaben starben am Montag sechs Soldaten. Drei weitere sollen sich nach Darstellung der Volksrepubliken am Wochenende mit ihren Dienstwaffen das Leben genommen haben.

In der seit Wochen unvermindert umkämpften Ortschaft Schirokino östlich von Mariupol wurde ein russischer Fernsehreporter schwer verletzt, als er in einem zerstörten Haus auf eine Mine trat. Er war in Begleitung einer OSZE-Beobachtermission unterwegs. Schirokino – es liegt eigentlich in einer in Minsk vereinbarten Pufferzone – wurde kurz vor dem Inkrafttreten des Waffenstillstands von ukrainischen Freiwilligenbataillonen besetzt und ist seitdem Schauplatz heftiger Kämpfe, bei denen auch Artillerie und Panzer eingesetzt werden. Die Donezker Volkswehr meldete den Abschuss zweier ukrainischer Aufklärungsdrohnen, der »mit vereinten Kräften« erzielt worden sei. Das spricht nicht für eine besonders fortgeschrittene Schießausbildung der Kämpfer der »Volkswehr«, geschweige denn für den Einsatz russischer Truppen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 15. April 2015


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