Krisengewinnler Poroschenko
Die persönlichen Finanzen des ukrainischen Präsidenten haben das Jahr 2014 bestens überstanden
Von Reinhard Lauterbach *
Für die ukrainische Volkswirtschaft war das Jahr 2014 katastrophal. Die Wirtschaftsleistung sank um etwa 20 Prozent, der Außenwert der Währung halbierte sich ebenso wie der Durchschnittslohn. Für den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko dagegen war das vergangene Jahr überaus erfolgreich. Die Einkommens- und Vermögenserklärung, die die Präsidialverwaltung schon Anfang April veröffentlichte, weist als persönliches Vorsteuereinkommen Poroschenkos den Betrag von knapp 370 Millionen Hryvnja aus, das waren umgerechnet gut 15 Millionen US-Dollar. Das ist nicht nur absolut ein hübsches Sümmchen, es ist auch um das Siebeneinhalbfache mehr als die 51 Millionen Hryvnja, die Poroschenko für 2013 als Einkommen angab.
Ein Großteil der Einkünfte stammt laut seiner offiziellen Erklärung aus Dividenden und »korporativen Rechten«, d. h. aus seiner Unternehmertätigkeit. Damit ist diskret umschrieben, woraus sie nicht stammten: aus dem von Poroschenko bei seiner Amtsübernahme angekündigten Verkauf seiner Unternehmensgruppe mit Ausnahme des Fernsehsenders 5. Kanal. Doch um dieses Thema ist es in der Ukraine sehr still geworden. Zu guter Letzt war zu hören, dass Poroschenkos Firmen unverkäuflich seien und deshalb bis auf weiteres bei einem Treuhänder geparkt seien.
Das ist eine sehr praktische Lösung, weil Poroschenko für die operative Leitung seiner Unternehmen als Präsident ohnehin keine Zeit haben dürfte, und ihm die Erträge weiterhin zufließen. Dass freilich Unternehmen unverkäuflich sein sollen, die ihrem Eigentümer einen binnen eines Jahres um 650 Prozent steigenden Ertrag abwerfen, kann Poroschenko nur Ukrainern erzählen, die alles vergessen haben, was die ältere Generation einmal bei Marx über das Funktionieren des Kapitals hat lernen können.
Unterdessen hat ausgerechnet der US-Propagandasender Radio Liberty einen Immobilienskandal in Poroschenkos unmittelbarer Nähe ausgegraben. Der Präsident besitzt demnach im noblen Kiewer Petscherskij-Stadtbezirk in der Nähe des zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Höhlenklosters ein 2,5 Hektar großes Grundstück. Es liegt in direkter Nachbarschaft zu einem anderen Grundstück, auf dem sich Igor Kononenko, ein enger politischer Weggefährte Poroschenkos, bereits allen Denkmalschutzauflagen zum Trotz eine Villa mit eigenem Tennisplatz und Pool hat bauen lassen.
Dass Kononenko, ein ehemaliger Beamter der Stadt Kiew und heute Fraktionschef der Poroschenko-Partei im ukrainischen Parlament, überhaupt an das Grundstück kam, hat er einer Manipulation vor einigen Jahren zu verdanken. Damals hatte seine Schwester eine angebliche Wohnungsbaugenossenschaft gegründet, die nach den damaligen Bestimmungen das Recht hatte, kostenlos staatliches Land überschrieben zu bekommen. Nur, dass das einzige bisher von dieser Genossenschaft errichtete Objekt genau die Kononenko-Villa war. Poroschenkos Rolle bei diesen Geschäften besteht nach dem Bericht erstens darin, dass er von Kononenko mit einem Teil des Geländes bedacht wurde, und zweitens, dass er dafür gesorgt hat, dass die Justiz Ermittlungen aufgrund einer Strafanzeige von Bürgerrechtlern wegen der Bautätigkeit einstellte.
Poroschenko ist nicht der einzige der »neuen« ukrainischen Politiker, der auf ziemlich ausgetretenen Pfaden wandelt. Ähnliches berichtete das Onlineportal Ukrainskaja Prawda über den Exboxer und nunmehrigen Bürgermeister von Kiew, Witali Klitschko. Er soll gedeckt haben, dass hohe Beamte der Stadtverwaltung ein Naherholungsgebiet am Dnipro-Ufer, das jahrzehntelang als Badestrand genutzt wurde, mit Appartements und Bürohochhäusern bebauten. Dass sich Klitschko persönlich bei diesen Geschäften bereichert habe, behaupten die ukrainischen Medien nicht. Es dürfte sich ebenso wie bei Poroschenkos Grundstücksaffäre eher um Akte der Rücksicht auf die eingefahrenen Geschäftsgewohnheiten der Beamtenschaft handeln, auf deren Mitarbeit die neuen Machthaber nach wie vor angewiesen sind.
Der Kiewer Grundstücksmarkt ist nicht nur in den besseren Lagen im buchstäblichen Sinne umkämpft. In der unansehnlichen Plattenbausiedlung Osokorki kommt es seit Monaten zu militantem Widerstand der Anwohner gegen illegale Bauvorhaben, denen ein beliebter Markt zum Opfer fallen soll. Regelmäßig schlagen Wachleute und Polizisten diese Proteste gewaltsam nieder. »Ihr habt gar nichts zu melden«, herrschte ein Vertreter der Stadtverwaltung die Anwohner bei der letzten dieser Konfrontationen an. Der Euromaidan rühmte sich bekanntlich, eine »Revolution der Würde« gewesen zu sein.
* Aus: junge Welt, Donnerstag, 04. Juni 2015
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