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NATO rüstet Kiew auf

Poroschenko übergibt Armee Militärtechnik und rühmt sich westlicher Lieferanten. Moskau droht Berlin mit Umorientierung auf Frankreich

Von Reinhard Lauterbach *

Die NATO hat offenbar ihre Waffenlieferungen an die ukrainische Armee aufgenommen. Präsident Petro Poroschenko übergab am Montag in der Nähe von Schitomir, westlich von Kiew, 100 Exemplare schweren Geräts an die Streitkräfte. Er erklärte dazu, die ukrainische Armee sei heute wieder zu 100 Prozent kampfbereit und ausgerüstet. Anfang September habe sie dagegen 80 Prozent der Ausrüstung, mit der sie in den Krieg gegangen sei, verloren gehabt.

Ein Teil dieses Militärgeräts mag aus repariertem Material und Reaktivierungen eingemotteter Ausrüstungsgegenstände stammen. Poroschenko machte allerdings kein Hehl daraus, dass auch »internationale Partner« an der Runderneuerung seiner Armee beteiligt seien. Namentlich nannte er neben Kanada Litauen und Polen. Ehemalige Staaten des Warschauer Vertrags dürften auch hinter den Lieferungen von Kampfflugzeugen der sowjetischen Typen MiG-29 und Su-27 stehen, die Poroschenko der Truppe am Montag übergab. Sein Verweis darauf, dass die Armee inzwischen über Ausrüstungen zur Bekämpfung von Granatwerfern – die dazu dienen, aus verdeckten Stellungen, zum Beispiel hinter Hauswänden, zu feuern und wegen ihrer indirekten Schussbahn schwer zu orten sind – verfüge, deutet darauf hin, dass auch die USA inzwischen ihre Lieferungen »nichttödlichen« Militärgeräts aufgenommen haben, denn genau solches Antigranatwerferradar hatte die ukrainische Regierung im Herbst in Washington beantragt.

Poroschenko stellte der Armee die Aufgabe, sich verstärkt um die Befreiung der noch im Gewahrsam der Aufständischen verbliebenen ukrainischen Soldaten zu »kümmern«. Deren Verbleib sei der Ukraine inzwischen bekannt, so Poroschenko. Angesichts wachsender ukrainischer Sabotageaktivitäten hinter den Fronten der »Volksrepubliken« (VR) kann dies als Drohung verstanden werden, die Gefangenen gewaltsam zu befreien. Auffällig ist jedenfalls, dass die für den Gefangenenaustausch zuständige Vertreterin der VR Donezk am Wochenende eigenmächtig eine neue Runde von Verhandlungen über dieses Thema ankündigte. Dies wohl mit dem Hintergedanken, sich der Gefangenen zu entledigen, solange man noch etwas für sie verlangen kann und bevor der Gegner den Aufständischen dieses Faustpfand aus der Hand geschlagen haben könnte. Auf der anderen Seite ist Poroschenko offenbar bemüht, im innenpolitischen Streit mit den auf eine sofortige Offensive drängenden Teilen der Regierungskoalition den Gemäßigten zu geben. Vor einigen Tagen erklärte er auf einer Pressekonferenz, es gebe keine Alternative zu einer Verhandlungslösung. Wer dies anders sehe, dürfe sich gern an der Front die Kugeln um die Ohren fliegen lassen.

Vor dem Hintergrund des Wiedererstarkens der ukrainischen Armee waren alle Beteiligten bemüht, die Erwartungen an ein in Berlin geplantes Treffen der »Ukraine-Kontaktgruppe« zu dämpfen. Es gebe noch viele Meinungsverschiedenheiten und Unterschiede in der Interpretation des Minsker Waffenstillstandsabkommens vom September. Moskau schickte gleichzeitig eine diplomatische Warnung an die Adresse der Bundesregierung. Wenn diese ihre Haltung im Ukraine-Konflikt nicht ändere, werde sich Russland künftig bevorzugt auf Frankreich orientieren. Dessen Präsident François Hollande hatte zuletzt eine »Roadmap« für die Aufhebung der Russland-Sanktionen gefordert. Dies sei möglich, wenn der Kreml bei der Lösung der Ukraine-Krise »positive Schritte« zeige.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 6. Februar 2015


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