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NATO bereitet Manöver in Ukraine vor

1300 Soldaten aus 16 Nationen beteiligt – Bundeswehr prüft Teilnahme "mit Einzelpersonal"

Von René Heilig *

Ungeachtet der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine wird die NATO vom 11. bis zum 28. September im Westteil des Landes die Übung »Rapid Trident« durchführen.

»Rapid Trident 14« ist ein Manöver, das im Geiste des NATO-Programms »Partnerschaft für den Frieden« abgehalten wird, bestätigt das Verteidigungsministerium in Berlin gegenüber »nd«. Derzeit findet in der Ukraine die sogenannte finale Planungskonferenz statt.

Die kombinierte Land- und Luftwaffenübung gehört zu einem ganzen Programm, das seit 2003 abgearbeitet wird. Initiiert ist es vom US European Command. Es hat sein Quartier in Stuttgart. Ursprünglich ging es darum, »die Interoperabilität der ukrainischen Streitkräfte vor dem Hintergrund von deren Einbindung in internationale Missionen« zu verbessern. Das wird in diesem Jahr vermutlich nicht im Mittelpunkt stehen, denn die Ukraine ist bis auf Weiteres mit nationalen Einsätzen beschäftigt.

Die US Army Europe und das ukrainische Heer leiten das Manöver, an dem rund 1300 Soldaten aus 16 Nationen teilnehmen sollen. Es soll auf dem fast 400 Quadratkilometer großen Truppenübungsplatz bei Javoriv unweit von Lviv stattfinden. Neben Armenien, Aserbaidshan, Bulgarien, Kanada, Georgien, Großbritannien, Lettland, Litauen, der Republik Moldau, Norwegen, Polen, Rumänien, Spanien, der Ukraine und den USA soll auch Deutschland Militärs schicken.

Aus dem Ministerium von Ursula von der Leyen (CDU) verlautet: »Die Bundeswehr prüft eine Teilnahme mit Einzelpersonal in den Übungsstäben. Eine darüber hinaus gehende Beteiligung ist derzeit nicht vorgesehen.« Eine konkrete Entscheidung soll nach Abschluss der Planungskonferenz – sie geht bis zum 1. August – getroffen werden.

Ursprünglich war das diesjährige Training bereits für Juli vorgesehen. Im April hatte die Bundesregierung mitgeteilt, sie werden über die deutsche Beteiligung »im Lichte der weiteren Entwicklungen« entscheiden. »Dabei bleibt es beim Bemühen der Bundesregierung, der russischen Seite keinen Vorwand für eine weitere Eskalation zu geben.«

Offiziell unterstützen die USA Kiews Militär in diesem Jahr mit 33 Millionen Dollar. Die Summe nannte der US-Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt. Ben Rhodes, Vize-Sicherheitsberater des US-Präsidenten, sagte jüngst gegenüber CNN, dass Washington noch »keine Entscheidung über die Lieferungen bestimmter Waffenarten« getroffen hat. Man unterstütze die Ukraine bei der Aufklärung und konzentriere sich auf die Koordinierung härterer Sanktionen gegen Russland.

Moskau hat die USA mehrfach vor Waffenlieferungen an die Ukraine gewarnt. »Diese Maßnahme wäre Öl ins Feuer und würde eine kriegerische und kompromisslose Lösung des Konflikts vorantreiben«, sagte Außenminister Sergej Lawrow. Er forderte Washington auf, endlich Auskunft zu erteilen über angebliche US-Militärberater in Kiewer Diensten.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch 30. Juli 2014


Militärische und mediale Offensiven

MH17-Katastrophe ungeklärt

Von René Heilig **


Knapp zwei Wochen nach dem Absturz der Boeing 777 über der Ostukraine gibt es mehr dümmliche Gerüchte und hasserfüllte Schuldzuweisungen als gesicherte Erkenntnisse zu der Katastrophe, bei der 298 Menschen umgebracht wurden. Am Dienstag war es dem internationalen Expertenteam bereits zum dritten Mal nicht möglich, zu jenen Orten vorzudringen, an denen Trümmer des Malaysia Airline Fluges MH17 und noch immer Opfer des Verbrechens liegen.

Der niederländische Premierminister Mark Rutte hat deshalb die ukrainischen Behörden aufgerufen, die Militäroperationen in der Nähe der Absturzstelle auszusetzen. Bei einem Telefongespräch soll der ukrainische Präsident Pjotr Poroschenko auch versprochen haben, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Dabei muss er nur zu seinen eigenem Zusagen stehen. Vor einer Woche sagte er: »Ich habe befohlen, im Umkreis von 40 Kilometern um den Absturzort keine Operationen durchzuführen und kein Feuer zu eröffnen.«

Statt dessen versucht Kiew neben territorialen Geländegewinnen auch eine mediale Offensive. Obwohl die Niederlande mit der Leitung der Untersuchungen beauftragt sind, trompete Kiew zu Wochenbeginn erste angeblich bei der Untersuchung des Flugschreibers gewonnene »Fakten«: »Der Grund für die Zerstörung und den Absturz des Flugzeuges war ein massiver explosionsartiger Druckabfall.« So weit, so richtig, so simpel. Doch schon der zweite Satz ist eine Lüge. Die Experten hätten diesen Druckabfall auf die Durchlöcherung der Flugzeugzelle »infolge einer Raketenexplosion« zurückgeführt. Eine derartige Aussage kann niemand einem Flugschreiber entlocken. Erst in Kombination mit den Daten des am 23. Juli ausgewerteten Voicerekorders, mit Materialuntersuchungen und vor allem durch die gerichtsmedizinische Untersuchung der Opfer lässt sich die Ursache des Absturzes möglicherweise klären. Die geborgenen Leichen und Leichenteile werden zurzeit in einer niederländischen Kaserne bei Hilversum obduziert. Selbst wenn alle Erkenntnisse auf eine Ursache weisen, ist die Frage nach der Täterschaft nicht eindeutig beantwortet.

Der Absturz von Flug MH17 werde »beispiellose Auswirkungen auf die Luftfahrtindustrie« haben, sagte der kaufmännische Leiter von Malaysia Airlines, Hugh Dunleavy. Die Beurteilung der Sicherheit von Flugrouten dürfe nicht länger im Ermessen und der Verantwortung der Airlines liegen. Seit Dienstag beraten im kanadischen Montreal Spitzenleute der Zivilluftfahrtorganisation ICAO darüber, wie sich mögliche Risiken für die Zivilluftfahrt, die von Konfliktgebieten ausgehen, vermindern lassen.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch 30. Juli 2014


Tödliche Raketen im Donbass

Kiew setzt schwere Waffen gegen Rebellen im Osten der Ukraine ein ***

Kiews Truppen haben im Osten der Ukraine ihren Vormarsch fortgesetzt. Nach Angaben der Militärführung eroberten sie die zehn Kilometer nördlich von Donezk gelegene Stadt Awdiiwka. Die Armee startete zudem einen Angriff auf den von Rebellen gehaltenen Ort Ilowajsk. In der Region seien innerhalb von 24 Stunden mindestens 19 Zivilisten getötet worden, 31 Menschen wurden verletzt, teilte dpa unter Berufung auf »örtliche Behörden« am Mittwoch mit. Zudem seien bei der Explosion einer Mine zwei Menschen gestorben. Mehrere Kinder mußten mit Verwundungen in eine Klinik gebracht werden.

Einem Bericht von CNN zufolge setzt Kiew inzwischen auch Kurzstreckenraketen gegen die Aufständischen im Donbass ein. Der Fernsehsender berief sich dabei auf Vertreter der US-Regierung. Die Geschosse haben dem Bericht vom Dienstag (Ortszeit) zufolge eine Reichweite von rund 80 Kilometern. Laut CNN wären es »die tödlichsten Raketen, die in diesem Konflikt bislang eingesetzt wurden«. Dem russischen Fernsehsender RT zufolge gibt es dazu bislang weder eine Stellungnahme aus Kiew noch aus Moskau.

Wegen andauernder Gefechte nahe der MH-17-Absturzstelle warf Rußland der Ukraine eine grobe Verletzung einer UN-Resolution vor. Die Regierung in Kiew verhindere durch die Militäroffensive den von den Vereinten Nationen geforderten Zugang von Ermittlern zum Wrack, sagte Außenminister Sergej Lawrow am Mittwoch. Laut RT erklärte er zudem, Moskau werde den Vereinten Nationen und der OSZE vorschlagen, rasch eine »humanitäre Mission« in die Ostukraine zu schicken.

Auf verschärfte Wirtschaftssanktionen der EU und der USA reagierte Moskau gelassen. Diese würden keine Lösung des Konflikts in der Ukraine bringen, sagte Rußlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow am Mittwoch in Brüssel. Das Außenministerium erklärte, die »antirussischen Sanktionen« bezeugten die »Unfähigkeit« der EU, eine »eigenständige Rolle« in der Weltpolitik zu spielen.

*** Aus: junge Welt, Donnerstag 31. Juli 2014


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