Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Mission unplausibel

Was machen westliche Militärs unter Bundeswehrführung in der Ostukraine? *

Die prorussischen Rebellen in der Ostukraine haben die festgesetzten Militärs aus OSZE-Staaten am Sonntag der Presse präsentiert. Einer der Männer, der deutsche Oberst Axel Schneider, sagte in Slawjansk, alle seien gesund. Zu der Pressekonferenz habe Rebellenführer Wjatscheslaw Ponomarjow. auf ihren Wunsch eingeladen. Schneider wies den Spionage-Vorwurf zurück. Die Aufständischen wollen die ukrainischen Soldaten gegen inhaftierte Rebellen austauschen.

Das festgehaltene Team besteht aus drei deutschen Militärs, einem deutschen Dolmetscher sowie einem Dänen, einem Polen, einem Schweden, einem Tschechen. Die acht in Zivil gekleideten Männer sind zusammen mit vier oder fünf ukrainischen Soldaten seit Freitag in der Gewalt der Milizen. OSZE-Unterhändler trafen ein, um mit den Rebellen über eine Freilassung zu sprechen.

Nach Angaben auf der offiziellen Website der OSZE sind die Festgehaltenen keine Mitglieder der diplomatischen OSZE-Beobachtermission. Dieser gehören aktuell rund 140 Beobachter an. Es handele sich vielmehr um eine Delegation unter Leitung der Bundeswehr, die auf Einladung der Regierung in Kiew unterwegs sei.

Die LINKE rügte, die Bundesregierung und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hätten mit der Entsendung der Gruppe unklug und »zutiefst unprofessionell« gehandelt. »Die Frage ist doch: Warum gerade jetzt und im Osten des Landes?«, sagte der Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss, Alexander S. Neu. Die Spionagevorwürfe seien »zumindest nicht gänzlich von der Hand zu weisen«.

Beim Sturm auf einen regionalen Fernsehsender haben derweil prorussische Aktivisten ein Funkhaus im ostukrainischen Donezk besetzt. Die Demonstranten hissten die Fahne der »Donezker Volksrepublik« und kündigten einen eigenen Sendebetrieb an, berichteten örtliche Medien am Sonntag. Zuvor hatten Hunderte Teilnehmer einer Kundgebung gefordert, ukrainische Sendungen durch ein russisches Programm zu ersetzen.

Die nächste Runde von US-Sanktionen gegen Russland soll sich gegen die russische Rüstungsindustrie und Unternehmen aus dem Umfeld von Präsident Wladimir Putin richten, hieß es aus dem Weißen Haus. US-Präsident Barack Obama hatte zuvor erklärt, die von der G7 geplanten verschärften Sanktionen seien eine Strafe für die »Provokation« Moskaus in der Ukraine.

* Aus: neues deutschland, Montag 28. April 2014


Nervenkrieg um Militärbeobachter

Die OSZE ist mit vielfältigen Missionen in der Ukraine vertreten / Festgesetzte ohne Mandat aller Mitgliedstaaten

Von Olaf Standke **


Der Konflikt um die festgesetzten Militärbeobachter in der Ukraine dauert an. Auch Bundeswehroffiziere wurden am Sonntag in Slawjansk der Presse vorgeführt.

Vor einigen Tagen lobte der Ukraine-Sonderbeauftragte der OSZE, Tim Guldimann, noch, dass es trotz aller Probleme vor allem im Ostteil des Krisenstaates diplomatische Fortschritte gebe. Nun steht die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa im Mittelpunkt eines eskalationsträchtigen Nervenkriegs. Am Sonntag haben prorussische Milizionäre unter der Leitung des selbst ernannten Bürgermeisters von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, auf einer Pressekonferenz im Rathaus der ostukrainischen Stadt mehrere festgesetzte »OSZE-Beobachter« präsentiert. Sie waren am Freitag zusammen mit vier oder fünf ukrainischen Offizieren gefangen genommen worden. Zur Gruppe gehören neben Mitgliedern aus Polen, Dänemark, Tschechien und Schweden auch vier Deutsche – drei Bundeswehrangehörige und ein Dolmetscher. Die Aufständischen, die ihren Bus nahe Slawjansk gestoppt hatten, werfen ihnen vor, »keine Genehmigung für ihre angebliche Beobachtermission« gehabt zu haben. Es bestehe der Verdacht, dass sie NATO-Spione seien, erklärte Ponomarjow und verwies auf verdächtige Karten, auf denen Straßensperren der prorussischen Milizen aufgeführt sind.

Nach Angaben von Claus Neukirch, Vizechef des OSZE-Krisenpräventionszentrums, gehört die Gruppe tatsächlich nicht zur zivilen Beobachtermission (Special Monitoring Mission), die wegen der Krise Ende März in die Ukraine entsandt worden ist. Diese besitzt das Mandat aller 57 OSZE-Staaten; auch Russland hat zugestimmt. Zurzeit sind etwa 140 Beobachter unterwegs, die unparteiisch Fakten zur Sicherheitslage sammeln, den Schutz von Minderheiten beurteilen und bei Spannungen Lösungen aufzeigen sollen. Die mit der Landessprache vertrauten OSZE-Vertreter nehmen dabei offiziell Kontakt mit Bürgern und Behördenvertretern auf. Wobei durchaus ehemalige Soldaten und Polizisten als zivile Beobachter eingesetzt werden können.

Schuldfragen interessierten bei solchen Missionen nicht, heißt es in der OSZE-Zentrale in Wien. Insgesamt führt die Organisation zur Zeit 15 solcher »Feldeinsätze« durch, der größte findet in Kosovo statt. Nationale OSZE-Büros werden in der Regel von Diplomaten geleitet und im Konsens mit dem Gastland eingerichtet. Die Gruppe in der Ukraine könnte sogar auf 500 Beobachter aufgestockt werden. Doch ist die Ausweitung auch eine Kostenfrage. So sei noch nicht einmal die Finanzierung des bisherigen Einsatzes geklärt, monierte dieser Tage der Leiter der Mission, Adam Kobieracki.

Daneben hat die OSZE bereits 100 Wahlbeobachter zur Überwachung der am 25. Mai geplanten Präsidentschaftswahlen entsandt. Ihre Zahl wird rund um den Wahltag um weitere 900 wachsen. Wahlbeobachtung gehört zu den Kernaufgaben der Organisation, so wie der Schutz von Menschenrechten und Minderheiten. In Kiew wurde ein Nationales Dialogprojekt installiert, ein Sondervorhaben des OSZE-Projektbüros in der Hauptstadt in Zusammenarbeit mit dem Wiener Generalsekretariat. 15 Experten erkunden die Lage speziell mit Blick auf die Minderheiten im Land. Zugleich hat das OSZE-Menschenrechtsbüro auf Einladung der Ukraine 20 Experten entsandt, um die dortigen Behörden zu beraten.

Und was ist mit den »Kriegsgefangenen« (O-Ton Ponomarjow), die am Sonntag in Slawjansk vorgeführt wurden? Sie seien Offiziere im Dienste der OSZE mit »diplomatischem Status«, erklärte ihr Sprecher, Bundeswehroberst Axel Schneider. Grundlage ihres Einsatzes ist das »Wiener Dokument 2011 der Verhandlungen über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen«. Inspektionen teilnehmender Staaten in diesem Rahmen dienten laut Auswärtigem Amt in Berlin dem Informationsaustausch über Verteidigungspolitik, Streitkräfteplanung und Militärhaushalte, wozu Gliederung, Stationierung, Personal und Hauptwaffensysteme der Truppen gehören. Solche Informationen können auch »vor Ort verifiziert werden«. Bei den Festgesetzten handelt es sich also um ein sogenanntes Military Verification Team, das nicht das breite Mandat einer OSZE-Mission besitzt, sondern unter Mitgliedstaaten bilateral vereinbart wird.

Warum aber schickt man ausgerechnet jetzt ein solches fast vollständig aus Vertretern von NATO-Staaten bestehendes Team in eine aufgeheizte Konfliktregion, in der man der beaufsichtigenden Kiewer Zentralregierung zudem die Legitimation abspricht? Transparenz und Vertrauen sollten die Beobachter schaffen, so Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Warum sei dieser Einsatz dann in der Region nicht abgestimmt worden, fragt nicht nur das Moskauer Außenministerium.

Die Bundesregierung habe mit der Entsendung der Gruppe unklug und »zutiefst unprofessionell« gehandelt, kritisierte der Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss des Bundestages, Alexander S. Neu. Die nur zwischen Berlin und Kiew vereinbarte »Verifikationsoperation« erweise der eigentlichen, diplomatischen OSZE-Mission einen Bärendienst. Am Sonntag wurde bereits ein Team zeitweilig in Jenakijewo festgehalten.

Bundesregierung, Bundespräsident und die OSZE forderten die sofortige Freilassung der Gruppe. Wie Wjatscheslaw Ponomarjow, der einen »Gefangenenaustausch« anstrebt, mitteilte, stehe er mit OSZE-Unterhändlern im Kontakt. Am Abend wurde auch OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier in Kiew erwartet. Wie Kiews Außenminister Andrej Deschtschiza twitterte, bleibe die Situation kompliziert.

* Aus: neues deutschland, Montag 28. April 2014


Der Grabstein- Dieb und andere Lügen

Psychoattacken rund um das, was Kiews Regierung »Dritter Weltkrieg« nennt

Von René Heilig ***


Arseni Jazenjuk, Chef der Kiewer Übergangsregierung, warnt: Russland will einen »Dritten Weltkrieg« anzetteln. Unsinn, meint ein Mann namens Igor Strelikov aktuell in der »Komsomolskaja Prawda«. Er ist offenbar so etwas wie der militärische Führer der sogenannten Selbstverteidigungskräfte der Republik Donezk und sagt, die angebliche russische Zurückhaltung erklärend: »Ich verstehe, dass niemand wegen Slawjansk einen Krieg beginnt.« Zwischen diesen beiden Positionen füllen sich derzeit die Kübel mit Halbwahrheiten und ganzen Lügen. Nur wenige Nachrichten sind zu verifizieren. Sie dienen dennoch als Grundlage angeblich seriöser politischen Bewertungen. Auch das, was uns auf dem Sofa Sitzende über YouTube oder – oft identische – TV-Berichte zur direkten Ansicht erreicht, ist in der Regel nur mehr oder weniger geschickt gemachte psychologische Kriegsführung.

Vor einigen Tagen hat die NATO nicht-militärische Satellitenbilder veröffentlicht, die russische Militäraufmärsche nahe der ukrainischen Grenze belegen sollten. Moskau dementierte. Das sei alles altes Material von Übungen im vergangenen Sommer. Als Kiew in der vergangenen Woche seine Anti-Terroroperation gegen die Aktivisten in der Ostukraine startete, lancierten »Privatpersonen« einige Videos zunächst an vorbestimmte Adressaten. Eines, bei einer Autofahrt aufgenommen, zeigt russische Militärkolonnen im Gegenverkehr: Schützenpanzer hinter Schützenpanzer. Alle in Top-Zustand. Die stählerne Kette wurde nur unterbrochen von Artillerieeinheiten. Auch auf Feldwegen sieht man zuhauf Kriegsgerät.

Nur für den Sekundenbruchteil ist ein blau-weißes Hinweisschild erkennbar: Gukowo. Die Stadt im Oblast Rostow ist keine zehn Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Und von dort geht es fast schnurgerade auf der M03- Schnellstraße weiter nach Slawjansk und Krematorsk, dem Zentrum der pro-russischen Aktivisten. Die Botschaft war eindeutig, der ukrainische Geheimdienst, dem die Führung des Anti-Terroreinsatzes obliegt, stoppte seine Operation erst einmal.

Derzeit, so zeigen jetzt angeblich russische Satellitenfotos, zieht man weitere Kiew treue Militäreinheiten zusammen. 15 000 Soldaten mit Hunderten Panzern seien in Stellung gegangen, hieß es am Sonntag in russischen Medien. In russischen Sendern führt man zugleich Geheimdienstoffiziere des ukrainischen SBU vor. Mit verbundenen Augen, gefesselt, der Hosen beraubt, entwürdigt. TV-Reporter »verhören« die feindlichen Spione. Einer gibt zu, man habe den Auftrag gehabt, einen prorussischen Aktivisten-Kommandeur zu entführen. Er heißt Igor Besler. Igor Besler? Der war sogar schon »Nachrichtenstar« im zdf-Heute-Journal und der ARD-Tagesschau. Er soll sich im ostukrainischen Gorlowka als Oberstleutnant der russischen Armee vorgestellt haben. Doch nach dem von ihm befehligten Sturm auf ein Polizeirevier hatte die in Kiew ansässige »unabhängige« Nachrichtenagentur UNIAN behauptet, der Mann sei ein Hochstapler. Der Angestellte einer Bestattungsfirma sei 2012 wegen Diebstahls von Grabsteinen gefeuert worden.

*** Aus: neues deutschland, Montag 28. April 2014


Mißtrauensbildung

NATO-»Beobachter« in der Ostukraine

Von Knut Mellenthin ****


Sieben NATO-Offiziere, darunter drei Angehörige der Bundeswehr, wollten angeblich ukrainische Truppen rund um die von diesen belagerte Stadt Slo­wjansk beobachten. Vielleicht sollten sie der »Weltöffentlichkeit« später bestätigen, daß bei der geplanten Erstürmung der von russischsprachigen Föderalisten kontrollierten Stadt alles rechtmäßig und ordentlich zugegangen sei? Seltsam ist allerdings, daß die Bundeswehroffiziere und ihre Kollegen aus Tschechien, Polen, Dänemark und Bulgarien sich nicht bei den ukrainischen Streitkräften aufhielten, die sie angeblich »inspizieren« sollten, sondern den Stellungen der Föderalisten so nahe kamen, daß sie in Gefangenschaft gerieten. Rätselhaft auch, daß sich die von vier ukrainischen Stabsoffizieren begleiteten NATO-Militärs so peinlich verirrt hatten. Denn nach Angaben der Föderalisten hatten sie Karten der Gegend bei sich, auf denen deren Positionen und Straßensperren exakt eingezeichnet waren.

In ersten Meldungen deutscher Medien hieß es, die Festgenommenen seien als Beobachtermission der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, unterwegs gewesen. Ihr gehören alle Staaten Europas, die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, sowie die USA und Kanada an. Das hätte die Föderalisten in Slowjansk möglicherweise ins Unrecht gesetzt: Der Einsatz von OSZE-Beobachtern auf dem gesamten Gebiet der Ukraine ist Teil der Vereinbarung, die die Außenminister Rußlands und der USA, Sergej Lawrow und John ­Kerry, am 17. April in Genf unterzeichnet haben.

Jedoch: Mit diesem Auftrag der OSZE hatten die beim Herumstromern zwischen den Fronten erwischten NATO-Offiziere gar nichts zu tun. Sie waren nicht einmal OSZE-Beobachter, auch wenn die Medien des Mainstreams diesen Begriff selbst jetzt, nachdem der Sachverhalt eindeutig ist, immer noch pflichtschuldig wiederholen. Grundlage ihres Einsatzes war vielmehr das Wiener Dokument 2011 »über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen«, wie es im Untertitel heißt. Unter Berufung auf diese am 30. November 2011 zwischen den OSZE-Mitgliedern geschlossene Vereinbarung hatte das an die Macht geputschte Regime in Kiew einige Offiziere befreundeter Staaten eingeladen. Zu welchem Zweck und mit welchem Auftrag nun eigentlich genau und konkret, hat die deutsche Bundesregierung bisher nicht verraten mögen. Als pseudoneutrales Feigenblatt gehörte dem Team ein Offizier aus Schweden an, das offiziell kein NATO-Mitglied ist.

Schaut man ins Wiener Dokument, so muß es dabei wohl um den Punkt VI, »Beobachtung bestimmter militärischer Aktivitäten«, gegangen sein. Dort ist allerdings die Rede davon, »Beobachter aus allen anderen Teilnehmerstaaten« einzuladen. Die selektive Zusammenstellung einer Besuchergruppe ausschließlich aus wenigen Ländern, auf deren Parteilichkeit man sich verlassen kann, widerspricht direkt dem Wortlaut des Wiener Dokuments. Und sie dient ganz gewiß nicht der Vertrauensbildung.

**** Aus: junge welt, Montag 28. April 2014 (Kommentar)


Kostümverleih

Jürgen Reents zur »Geiselnahme von OSZE-Beobachtern« *****

Würde man eine Reise von einem Dutzend offizieller Vertreter aus – zum Beispiel – China, Kuba, Bolivien, Armenien und Belarus nach Venezuela bedenkenlos eine UN-Mission nennen? Wohl kaum, obwohl alle genannten Staaten den Vereinten Nationen angehören. Die im ost-ukrainischen Slawjansk (bei Redaktionsschluss noch) von den dortigen Aufständischen festgehaltenen Militärs aus Deutschland, Tschechien, Schweden, Dänemark und Polen laufen jedoch unbeirrt als »OSZE-Beobachter« durch die Nachrichten, obwohl die OSZE klar gestellt hat, dass es sich nicht um solche handelt, sondern um Militärbeobachter, die lediglich »aus OSZE-Staaten entsandt« wurden. Ohne Zweifel: Ihre Gefangennahme ist nicht weniger schwerwiegend, solange die Aufständischen ihren Vorwurf, sie seien bewaffnet zu Spionagezwecken nach Slawjansk vorgedrungen, nicht stichhaltig beweisen. Doch die wahrheitswidrige Kostümierung der unter Kommando der Bundeswehr und auf Einladung der Zentralregierung in Kiew Reisenden umgibt die Angelegenheit mit einem merkwürdigen Geruch: Was war der Zweck dieses nicht OSZE-mandatierten Aufbruchs in die Ost-Ukraine gerade zu einer Zeit, in der politische Vernunft dazu raten sollte, sich von jedem Anlass und jedem Vorwand für eine weitere Eskalation fernzuhalten? Gab es hier ein anderes Kalkül als das der politischen Vernunft? Die Wahrheiten in diesem Konflikt sind nicht nackt und der Kostümverleih in der Region hat offenbar allseits einen Aufschwung. »OSZE-Beobachter als Geiseln«, das ist Propagandastoff für alle, die Krieg nicht bedingungslos ausschließen.

***** Aus: neues deutschland, Montag 28. April 2014

Zutiefst unprofessionell

Nach der Festsetzung eines von der Bundeswehr geführten vermeintlichen Beobachterteams in der Ostukraine äußerte Alexander Neu, Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuß, am Sonntag Kritik an der Bundesregierung:

Am 25. April nahmen »prorussische Aktivisten« ein, wie es zunächst hieß, Team der OSZE-Mission gefangen. Erst am nächsten Tag wurde zurückgerudert. Zwar wurden tatsächlich internationale Kräfte gefangengenommen. Es handelte sich aber nicht um Mitglieder der OSZE-Mission in der Ukraine, sondern um Mitglieder eines von Deutschland geführten »Verifikationsteams« auf der Grundlage des »Wiener Dokuments« der OSZE. Dieses Team sollte vom 21. bis 28. April angeblich in der Ostukraine ukrainische Sicherheitskräfte inspizieren. Diese Operation verlief parallel zur OSZE-Mission, ist aber nicht Teil der OSZE-Mission und auch nicht eine eigene OSZE-Mission, sondern eine bilaterale Maßnahme zwischen der Ukraine und Deutschland.

Die Entsendung eines Verifikationsteams in die Ukraine ist rechtlich betrachtet in Ordnung. Ob dies jedoch angesichts der sehr angespannten Lage im Osten, wohin das Team ja entsandt wurde, zurückhaltend formuliert, klug ist, ist zu bezweifeln. Die Vorwürfe der Spionage seitens der »pro-russischen Kräfte« ist zumindest nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Die Frage ist doch, warum gerade jetzt und im Osten des Landes. Auch der Hinweis, es sei lediglich um die Beobachtung der ukrainischen Sicherheitskräfte gegangen, ist von geringer Überzeugungsqualität: Warum gerade eine rüstungskontrollpolitische Maßnahme bei einem massierten Truppenaufmarsch in einer Krisensituation gegenüber jenem Konfliktakteur, den die Bundesregierung politisch unterstützt?

(…) OSZE-Mitarbeiter im Feld sind auf Vertrauen angewiesen. Vertrauen entsteht nur bei einer neutralen Haltung. Die »Verifikationsoperation« seitens einiger westlicher OSZE-Mitgliedsstaaten wirft jedoch einen Schatten auf die Tätigkeit der OSZE-Mission als Ganzes. Das Handeln der Bundesregierung ist zutiefst unprofessionell. So ist keine Deeskalation machbar. Die Linke fordert eine neutrale und konfliktreduzierende Haltung von der Bundesregierung in diesem Konflikt.«




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