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"Die internationale Gemeinschaft steht weiter geschlossen hinter der Ukraine"

Erklärungen des US-Außenministeriums und der Bundesregierung im Wortlaut. Berlin droht mit Wirtschaftssanktionen *


Im Folgenden dokumentieren wir einen Artikel des US-Außenministeriums zur "Unterstützung der Bürger und Bürgerinnen der Ukraine" vom 7. April 2014. Die Übersetzung besorgte der Amerika Dienst. Weiter unten befindet sich die Erklärung der Bundesregierung.

Seit November sind die Menschen in der Ukraine dabei, ihrer Zukunft Gestalt zu verleihen. Dabei sind sie für die ganze Welt zu einem Symbol für Mut und friedlichen Wandel geworden. Die internationale Gemeinschaft steht weiter geschlossen hinter der Ukraine. Sie respektiert die Souveränität und die territoriale Integrität des Landes und gibt seinen Bürgerinnen und Bürgern Raum und Unterstützung dabei herauszufinden, wie das Land regiert werden soll und welche Entscheidungen man treffen will.

Im vergangenen November traf sich eine kleine Gruppe Ukrainer in Kiew, um ihrem Präsidenten zu sagen, dass sie gehört werden wollen. Er traf die politische Entscheidung, ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union nicht zu unterzeichnen. Sie waren anderer Meinung, und teilten ihm dies öffentlich mit. Dieser öffentliche Protest ist auf Zehntausende angeschwollen. Sie demonstrierten gegen mehr als eine politische Entscheidung. Während des kalten Winters fanden sich Bürger aus dem gesamten Land gemeinsam auf dem Maidan ein, um gegen Korruption in ihrem Land, für mehr wirtschaftliche Teilhabe schwer arbeitender Bürger und gegen undurchsichtige, geheime Geschäftsabsprachen zu demonstrieren sowie echten, verfassungsmäßigen Schutz von Grundrechten einzufordern.

Es geht hier nicht nur um die Ukraine. Es geht um die Grundsätze, die die Beziehungen zwischen Nationen im 21. Jahrhundert regeln. Präsident Obama erklärte am 26. März in Belgien, dies seien „Zeiten ..., in denen Europa, die Vereinigten Staaten und die internationale Ordnung, an der wir seit Generationen arbeiten, auf die Probe gestellt werden“. Diese Ordnung basiert auf einer Reihe von Kernprinzipien, darunter die Achtung von Souveränität und territorialer Integrität. Nur weil Russland eine tief gründende Geschichte mit der Ukraine verbindet, heißt das nicht, dass es die Zukunft der Ukraine diktieren kann. Am 27. März kamen einhundert Länder in der VN-Generalversammlung zusammen, um sich für die grundlegenden Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen, die die Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine unterstützen, und gegen die illegalen Maßnahmen Russlands auszusprechen.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Politisches Engagement in der Ukraine – wie im Winter auf dem Maidan – schließt heute alle Nationalitäten und Religionen ein, aus denen sich die multiethnische Ukraine zusammensetzt. Die Bürgerinnen und Bürger der Ukraine – Ukrainer, Russen und Tartaren gleichermaßen – haben das Recht, ihre Zukunft als souveräne und demokratische Nation eigenständig zu bestimmen.

Die sozialen Medien ermöglichen uns über den direkten Zugang, diese Meinungen zu verstehen. Wir müssen nur ihre Videos und Fotos ansehen oder ihre Blogs lesen, die über dynamische und offene soziale Medien um die Welt gehen. Ein freies und uneingeschränktes Internet hat diesen Stimmen aus der Ukraine weltweite Reichweite verliehen, sodass wir selbst hören und lesen können, was die Bürger der Ukraine erreichen wollen.

Der Präsident, gegen den sich der erste, kleine Protest richtete, verschwand sieben Tage lang und verließ letztendlich sein Land. Die demokratisch gewählten Vertreter der ukrainischen Bürgerinnen und Bürger reagierten auf das Führungsvakuum, das durch die Feigheit Janukowitschs entstanden war, indem sie eine vorläufige, technokratische Interimsregierung einsetzten und frühe, verantwortungsvoll organisierte Wahlen ansetzten. Im April wird die Übergangsregierung wirtschaftliche und politische Reformen vorschlagen, die garantieren, dass jeder Bürger der Ukraine Gehör findet. Im Mai werden die Bürger der Ukraine einen neuen Präsidenten wählen, der das Mandat erhält, für die Ukraine eine Zukunft zu gestalten, die alle Ukrainer wollen.

Inzwischen hat Russland auf der Krim die internationale Rechtsordnung niedergerissen und ausgesondert und gibt sich nicht mal den Anschein von Rechtsstaatlichkeit. Ein erzwungenes, übereiltes und illegales „Referendum“ vor dem Hintergrund einer militärischen Intervention aus dem Ausland wurde als Rechtfertigung für die eklatante Annexion eines Nachbarlandes genutzt. Dieser Präzedenzfall darf so nicht akzeptiert werden. Die Krim gehört zur Ukraine. Die Grenze, die in der ukrainischen Verfassung anerkannt wird, ist die Grenze einer souveränen Ukraine. Die Welt hat sich nicht täuschen oder davon überzeugen lassen, dass ein von Russland gesteuertes Referendum auf irgendeine Weise eine simple gewaltsame Annexion eines Landes rechtfertigt. Wir sagen das nicht, weil wir Russland kleinhalten wollen, sondern weil die Prinzipien, die Europa und der Welt so viel bedeutet haben, hochgehalten werden müssen. Die Vereinigten Staaten, die Welt und Europa haben ein Interesse an einem starken und verantwortungsvollen und nicht an einem schwachen Russland.

In den kommenden Wochen und Monaten muss sich die Welt –– von Kiew bis Washington und überall – weiter für die Rechte der mutigen Menschen auf aller Welt einsetzen, die sich gegen eine korrupte und autoritäre Führung wehren. Die Bürger der Ukraine haben um unsere Unterstützung gebeten, wenn sie gemeinsam ihre Reformen ausarbeiten und Wahlen abhalten. Im Sinne eines geeinten, freien und friedlichen Europas müssen wir uns geschlossen hinter die Ukraine stellen.

* Herausgeber: US-Botschaft Berlin, Abteilung für öffentliche Angelegenheiten; http://blogs.usembassy.gov/amerikadienst/


Warnung vor weiterer Eskalation **

Über Meldungen zu gewaltsamen Aktionen prorussischer Kräfte im Osten der Ukraine hat sich die Bundesregierung besorgt gezeigt. Dies könne auch Wirtschaftssanktionen gegen Russland zur Folge haben, mahnte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.

Die jüngsten Ereignisse in Donezk und in Charkiw am Wochenende seien etwas, "was wir alle in der Bundesregierung mit großer Sorge sehen", sagte der Regierungssprecher. Er appellierte erneut an alle Verantwortlichen, zur Stabilisierung der Region beizutragen und "solche Eskalationen zu vermeiden".

Bundeskanzlerin Merkel warnt Russland

Die Bundeskanzlerin habe auf dem CDU-Europaparteitag in Berlin daran erinnert, dass Deutschland, seine EU-Partner wie auch die transatlantischen Partner durchaus in der Lage seien, in einer dritten Stufe von Sanktionen auch Wirtschaftssanktionen zu beschließen - "falls der politische Anlass dafür gegeben sein sollte", so Seibert. "Wir wünschen uns das nicht, aber es soll sich niemand täuschen: Die Bereitschaft dazu besteht."

Die EU-Kommission war beim letzten Ratstreffen in Brüssel aufgefordert worden, vorbereitende konzeptionelle Arbeiten für derartige Sanktionen gegen Russland in die Wege zu leiten. Falls also der Tag käme - "den wir uns wirklich nicht wünschen und den wir gerne vermeiden würden" - wäre es auch "eine Möglichkeit, dass Europa und auch die transatlantischen Partner so handeln", so Seibert. Es gebe allen Grund, hieran zu erinnern, weil man "an mehreren Punkten leider nicht den Fortschritt, die Stabilisierung" sehe, die erhofft und erwünscht seien.

Truppenabzug nicht nachweisbar umgesetzt

Im vergangenen Telefonat zwischen Bundeskanzlerin Merkel und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin war der Rückzug russischer Truppen von der ukrainischen Grenze angekündigt worden. Außenminister Sergej Lawrow hatte diese Ankündigung noch einmal bestätigt und auch vom Abzug eines Bataillons und weiteren Schritten gesprochen.

"Wir müssen heute feststellen, dass es immer noch darum geht, dass dieser Rückzug auch nachweisbar umgesetzt wird und dass dadurch die Spannungen an der Grenze spürbar verringert werden", sagte der Regierungssprecher. Das müsse enttäuschen, weil Europa darauf warte, "dass eine solche dringend notwendige vertrauensbildende Maßnahme" tatsächlich auch sichtbar werde.

Weiterhin Gesprächsbereitschaft

Die unbefriedigende aktuelle Situation werde nichts daran ändern, dass die Bundesrepublik weiterhin das Gespräch suche. Man sei nach wie vor bemüht, "im Wege der Verständigung und der Diplomatie Deeskalation" herbeizuführen, erklärte Seibert. "Dass es dabei nicht so schnell vorangeht, nicht an allen Punkten vorangeht, ändert nichts an unserer Entschlossenheit", stellte er klar.

OSZE-Beobachter vor Ort

Dass die OSZE-Beobachtermission in der Ukraine ihre Arbeit aufgenommen habe, sei immerhin ein Schritt in die richtige Richtung, sagte Seibert. Diese Tatsache könne jedoch "nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Meldungen vom Wochenende aus diesen beiden ostukrainischen Städten besorgniserregend" seien.

Das Mandat der OSZE-Beobachtermission umfasst das Sammeln und Berichten von Informationen zur Sicherheitssituation. Auch die Beobachtung der Einhaltung der Menschenrechte, Grundfreiheiten und Minderheitenrechte zählen zu den Aufgaben der Mission. Zudem ist der Kontakt zu lokalen, regionalen und nationalen Stellen wichtig sowie zur Zivilgesellschaft, zu ethnischen und religiösen Gruppen und der örtlichen Bevölkerung.

Ziel der Beobachtermission ist die Förderung des Dialogs vor Ort, um einen Abbau der Spannungen zu erreichen und die Lage zu normalisieren. Deutschland unterstützt die Mission mit rund einer Million Euro - je etwa die Hälfte dieses Betrags für Projekte und für entsandte Beobachter.

** Quelle: Newsletter des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, 7. April 2014


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