Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Wirtschaftssanktionen wegen des Krim-Konflikts könnten Konjunktur nachhaltig beschädigen"

Dokumentiert: Zwei Erklärungen des Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft


Im Folgenden dokumentieren wir zunächst einen Artikel aus der "jungen Welt", der sich mit den Interessenlagen der deutschen Exportwirtschaft befasst. Anschließend kommen zwei Erklärungen des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, die auf ihre Art eine behutsame Politik gegenüber Russland begründen. Es handelt sich um die Beiträge:.

Ost-Ausschuss warnt vor Wirtschaftskonflikt

5. März 2014

Wirtschaftssanktionen wegen des Krim-Konflikts könnten Konjunktur nachhaltig beschädigen / Russische Maßnahmen gegen ausländische Investoren verursachen erheblichen Vertrauensverlust

Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft warnt vor einer Ausweitung des Krim-Konflikts auf die globale Wirtschaft: „Wir sehen bereits eine große Verunsicherung der Unternehmen und wachsende konjunkturelle Risiken. Wenn jetzt eine Spirale aus gegenseitigen Wirtschaftssanktionen in Gang gesetzt wird, droht die europäische Wirtschaft nachhaltig Schaden zu nehmen“, warnte der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Eckhard Cordes.

Cordes lobte ausdrücklich die Bemühungen der Bundesregierung, einen Dialog zwischen den Konfliktparteien in Gang zu setzen und mit Hilfe einer Kontaktgruppe nach einem Ausweg aus der Krise zu suchen. „Deutschland kommt in dem Konflikt eine entscheidende Vermittlerrolle zu. Diese Verantwortung wird unserer Beobachtung nach von der Bundesregierung entschlossen wahrgenommen, dies findet die volle Unterstützung der deutschen Wirtschaft.“

Jüngste Meldungen aus Russland über ein geplantes Gesetz zur möglichen Enteignung ausländischer Unternehmen nannte Cordes alarmierend. „Russland droht mit einer solchen Gesetzesinitiative das Vertrauen ausländischer Unternehmen in den Standort zu beschädigen. Sollte das Gesetz kommen, wird es eine dauerhaft abschreckende Wirkung auf Investoren haben.“ Schon jetzt belaste das Vorgehen Russlands auf der Krim die internationale Reputation des Landes. „Die Entwicklung, die wir an den Märkten sehen, spiegelt einen Vertrauensverlust in den Wirtschaftsstandort Russland wider. Russland sollte dieses Vertrauen schnell wieder herstellen, um das derzeit schwache Wachstum nicht weiter zu gefährden.“

An die politischen Vertreter Russlands und der EU appellierte Cordes, alles für eine diplomatische Lösung zu tun und eine Ausweitung der politischen Krise auf die Wirtschaft zu verhindern. „Wenn jetzt durch Sanktionen die Wirtschaftsentwicklung im östlichen Europa geschwächt wird, leidet als erstes die Ukraine darunter. Für die wirtschaftliche Erholung des Landes brauchen wir ein stabiles Umfeld.“ Cordes zeigte sich überzeugt, dass auch Russland an einer wirtschaftlichen Stabilität in Osteuropa und einer wirtschaftlichen Gesundung der Ukraine interessiert sei. „Es gibt hier gemeinsame Interessen, die zu gemeinsamen Lösungen führen müssen. Drohszenarien schaden allen Beteiligten.“

Die Überlegungen der EU, die Verhandlungen über die Abschaffung der Visa-Pflicht und ein neues Partnerschaftsabkommen mit Russland auszusetzen, hält der Ost-Ausschuss für wenig sinnvoll. „Wir sind der Meinung, dass es in der Vergangenheit nicht zu viele, sondern zu wenige Gesprächsformate zwischen der EU und Russland gegeben hat. Und gerade die Verbesserung der Handels- und der Reisemöglichkeiten trägt zu mehr Kontakten und zu einem besseren gegenseitigen Verständnis bei.“


Fakten zu den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen:
  • Nach einem Rekordergebnis von 80,5 Milliarden Euro im Jahr 2012, hat sich der deutsche Handel mit Russland im vergangenen Jahr auf 76,5 Milliarden Euro abgeschwächt. Sowohl die Importe aus Russland (2013: 40,4 Mrd. Euro), als auch die Exporte nach Russland (2013: 36 Mrd. Euro) sanken um über fünf Prozent.
  • Russland steht unter den deutschen Handelspartnern an 11. Stelle hinter Polen.
  • Etwa 300.000 Arbeitsplätze hängen hierzulande vom Handel mit Russland ab.
  • Deutsche Unternehmen haben in Russland rund 20 Milliarden Euro direkt investiert.
  • 6.200 Unternehmen mit deutscher Beteiligung sind in Russland aktiv.
  • Etwa 35 Prozent des Gasbedarfs und über 30 Prozent des Ölbedarfs bezieht Deutschland derzeit aus Russland.
Fakten zu den deutsch-ukrainischen Wirtschaftsbeziehungen:
  • Es gibt rund 400 Unternehmen mit deutscher Beteiligung in der Ukraine.
  • Mit ca. 6,6 Mrd. US-Dollar haben deutsche Investitionen in der Ukraine einen Anteil von 16,5 Prozent an den gesamten ausländischen Investitionen und lagen damit hinter Zypern auf dem zweiten Platz.
  • Die deutschen Exporte in die Ukraine lagen 2013 bei 5,5 Mrd Euro, die deutschen Importe bei 1,5 Mrd Euro. Der bilaterale Handel sank 2013 um 3,2 Prozent.


Quelle: Website des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft; www.ost-ausschuss.de


Schwaches Russland-Geschäft belastet Handel

27. Februar 2014

2013 stagnierten deutsche Exporte nach Osteuropa/ Hohe sicherheitspolitische und konjunkturelle Risiken durch Lage in der Ukraine/ Ost-Ausschuss für raschen Abbau von Handelshürden

Nach einem Rekordergebnis von 80,5 Milliarden Euro im Jahr 2012, hat sich der deutsche Handel mit Russland im vergangenen Jahr deutlich auf 76,5 Milliarden Euro abgeschwächt. Dies hat der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft auf Basis jetzt vorliegender Zahlen des Statistischen Bundesamtes berechnet. Sowohl die Importe aus Russland (2013: 40,4 Mrd. Euro), als auch die Exporte nach Russland (2013: 36 Mrd. Euro) sanken um über fünf Prozent. Russland fiel damit in der Rangliste der wichtigsten deutschen Handelspartner in Osteuropa wieder knapp hinter Polen zurück.

„Seit 2011 schwächt sich das Wachstum in Russland beständig ab. Dies bleibt nicht ohne Folgen für den deutsch-russischen Handel“, sagte der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Eckhard Cordes. „Für das laufende Jahr erwarten wir eher noch eine Verstärkung dieses Trends. In Russland wird eine Rezession nicht mehr ausgeschlossen, zudem verteuert die gegenwärtige starke Abwertung des Rubels deutsche Exporte.“

Dennoch verbindet der Ost-Ausschuss mit der gegenwärtigen Entwicklung auch Chancen: „In Russland gewinnt nach Jahren relativen Stillstands die Reformdebatte wieder an Fahrt“, sagte Cordes, der vergangene Woche in Berlin den russischen Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew getroffen hatte. „Die Bereitschaft, auf deutsche und europäische Partner und Investoren zuzugehen, wächst spürbar. Dies sollten wir für neue Kooperationen nutzen und weiter an einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für deutsche Unternehmen arbeiten“, so der Ost-Ausschuss-Vorsitzende.

Cordes forderte die Aufnahme von Gesprächen zwischen Russland und der EU zur Ausarbeitung eines Fahrplans für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum. „Beide Seiten haben wiederholt eine gemeinsame Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok als wünschenswertes Ziel genannt. Wir brauchen dazu jetzt einen institutionalisierten Dialog.“

Ost-Ausschuss Geschäftsführer in der Ukraine

Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Rainer Lindner hält sich gegenwärtig zu Gesprächen in Kiew auf. „Wichtig ist, dass die Ukraine finanzielle Soforthilfe erhält, um erst einmal die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden“, sagte Lindner. „Dabei sollten mögliche Kreditgeber wie die EU, der IWF und die Europäische Investitionsbank ein abgestimmtes Vorgehen mit Russland anstreben.“ Die ukrainische Wirtschaft werde noch auf Jahre stark vom russischen Markt und von russischen Energielieferungen abhängig bleiben.

Mit Sorge betrachtet der Ost-Ausschuss die gegenwärtige Zuspitzung der Lage auf der Krim. Ein Dauerkonflikt der EU mit Russland um die Zukunft der Ukraine würde sich negativ auf die gesamte wirtschaftliche Entwicklung im osteuropäischen Raum auswirken. „Konjunkturell sind wir alle voneinander abhängig. Dieses gemeinsame Interesse sollte letztlich auch zu gemeinsamen Lösungen führen“, sagte der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses.

Der Ost-Ausschuss spricht sich nachdrücklich für eine rasche Abschaffung der Visa-Hürden zwischen der EU und ihren östlichen Nachbarstaaten und die Beseitigung von Handelsschranken aus. Damit würde der wirtschaftliche Austausch mit diesen Ländern unmittelbar erleichtert und ein Beitrag zu ihrer wirtschaftlichen Gesundung geleistet.

Gemischtes Bild in Südosteuropa

Zu den besonderen Stützen des deutschen Exports gehörten im abgelaufenen Jahr auffallend viele Länder aus Südosteuropa, darunter Ungarn (Exporte: + 7,4 Prozent), Slowenien (+6,6 Prozent), Rumänien (+5 Prozent) und Serbien (+3,5 Prozent). Nach einer längeren Zeit der Konsolidierung fasst diese Region konjunkturell wieder Fuß. Eine Ausnahme bleibt das neue EU-Mitgliedsland Kroatien, das sich seit 2009 in einer Rezession befindet. 2013 sanken die deutschen Exporte nach Kroatien um fast neun Prozent.

Positiver Trend in Zentralasien

Positiv ist der Trend für Zentralasien. Für Kasachstan, dem mit Abstand wichtigsten deutschen Handelspartner in dieser Region wurde eine Zunahme der deutschen Exporte 2013 um über acht Prozent berechnet. Die deutschen Exporte nach Usbekistan stiegen 2013 um sieben Prozent, die Exporte nach Turkmenistan nahmen ausgehend von einem niedrigen Niveau sogar um 23 Prozent zu. Das Land konnte sich damit in der Rangliste der wichtigsten Abnehmer deutscher Exporte pro Einwohner von Platz 85 auf Platz 78 verbessern.

Uneinheitlich ist das Bild für die Länder des Südkaukasus. Während sowohl die deutschen Exporte nach Georgien (-17 Prozent) und Armenien (- 7 Prozent) deutlich zurückgingen, legten die Ausfuhren nach Aserbaidschan um über sechs Prozent zu.

Quelle: Website des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft; www.ost-ausschuss.de


Zurück zur Ukraine-Seite

Zur Ukraine-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur Deutschland-Seite

Zur Deutschland-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage