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Recherche vor Ort unnötig

Niederlande: Untersuchungsrat kündigt Zwischenbericht zu MH-17-Absturz an, ohne Unglücksstelle besucht zu haben

Von Gerrit Hoekman *

Am Dienstag will der »Onderzoeksraad«, die Behörde, die den Absturz der malaysischen Passagiermaschine des Flugs MH17 am 17. Juli über dem Donbass untersucht, ein erstes Zwischenergebnis veröffentlichen. Dies teilte das Gremium auf seiner Homepage mit, wo morgen ab zehn Uhr auch der Bericht einzusehen sein wird. Eine Pressekonferenz, auf der sich die Kommission den Fragen der Journalisten stellen müßte, ist allerdings nicht geplant. Der Onderzoeksraad dämpfte schon im Vorfeld die Erwartungen: »Es muß in den nächsten Monaten noch viel untersucht werden.« Mit einem abschließenden Urteil sei ohnehin erst im nächsten Sommer zu rechnen.

Bei dem Absturz waren 298 Menschen ums Leben gekommen, darunter 196 Niederländer. Die Boeing befand sich auf dem Weg von Amsterdam-Schiphol in die malaysische Hauptstadt Kuala Lumpur. Von wem die Maschine abgeschossen wurde, ist immer noch unklar. Die Aufständischen im Donbass machen die ukrainische Armee verantwortlich, NATO, EU und auch die niederländische Regierung halten die Rebellen und auch Rußland für schuldig.

»Wenn es einen Beweis gibt für einen Anschlag auf MH17, dann laßt ihn sehen!« forderte schon Ende Juli das konservative Wochenmagazin ­Elsevier. »Die westliche Welt mag überzeugt sein von der Schuld prorussischer Separatisten am Abschuß von MH17, ein großer Teil der Welt denkt aber, daß der Westen um die Ukraine ein politisches Spiel spielt.« Die Tragödie hat das Königreich schwer getroffen. Zum ersten Mal seit dem Tod von Königin Wilhelmina 1962 rief die Regierung einen »Tag der nationalen Trauer« aus.

Vor vierzehn Tagen erklärte Außenminister Frans Timmermans, MH17 sei rund tausend Meter tiefer geflogen, als ursprünglich vorgesehen. Weil ein anderes Flugzeug auf der üblichen Höhe von 11000 Metern unterwegs gewesen sei, habe die Flugleitstelle in Kiew die Boeing 777 angewiesen, auf 10000 Meter zu sinken. Das gibt der Spekulation neue Nahrung, ein ukrainisches Kampfflugzeug habe sich in der Nähe befunden, wie Augenzeugen berichtet hatten.

Erst letzte Woche kam heraus, daß die niederländische Staatsanwaltschaft bereits Anfang August klammheimlich ein Abkommen mit den Amtskollegen aus der Ukraine, Belgien und Australien unterzeichnet hat, in dem sie sich zur Zusammenarbeit verpflichten. Journalisten wollten es einsehen, bekamen aber keine Erlaubnis. Der Opposition platzte angesichts der Geheimniskrämerei der Kragen: Warum, will sie wissen, wurde der Öffentlichkeit die Abmachung unterschlagen? Und warum macht ausgerechnet Malaysia nicht mit?

Malaysia hat offenbar einen deutlich besseren Draht nach Donezk. Während das niederländische Bergungsteam nach dem Absturz noch auf die Einreiseerlaubnis aus Kiew wartete, kontaktierte Kuala Lumpur direkt die Rebellen. »Der malaysische Botschafter in Kiew telefonierte mit dem Separatistenführer Alexander Borodai und hatte einen Tag später die Blackbox in Händen«, wunderte sich Elsevier. Malaysia übergab die Blackbox wenig später an die Niederländer, die wiederum Großbritannien mit der Auswertung beauftragten.

Bis heute ist niemand vom Onderzoeksraad im Donbass gewesen, um die Absturzstelle in Augenschein zu nehmen. Das sei aber kein Problem, beruhigte Kommissionsmitglied Wim van der Weegen schon zwölf Tage nach der Katastrophe die Niederländer. »Wir haben inzwischen so viele Informationen, daß es nicht nötig ist, die gesamte Absturzstelle zu untersuchen«, zitierte ihn die Tageszeitung Het Parool. Vor Ort ginge es deshalb nur noch darum, die Erkenntnisse zu verifizieren, »die wir beispielsweise auf Satellitenbildern oder anderem Material gesehen haben«.

Der Verdacht gegen die Rebellen stützt sich bis jetzt nur auf ein Telefonat, das zwei ihrer Kommandanten angeblich kurz nach dem Absturz geführt haben sollen und das der ukrainische Geheimdienst belauscht haben will. Sonst hat das Gespräch niemand gehört. Kiews Geheimdienst sei aber »nicht gerade eine unverdächtige Quelle, in einem Kriegsgebiet, in dem sich beide Lager so schlecht wie möglich machen«, findet die Tageszeitung De Volkskrant.

Umso wichtiger wäre es, daß sich der Onderzoeksraad an der Absturzstelle selbst ein Bild macht. Das wird aber vermutlich in nächster Zeit nicht passieren. »Dort wird gekämpft, das ist Kriegsgebiet«, stellte Außenminister Timmermanns am vergangenen Donnerstag fest. »Und in anderthalb Monaten ist Winter, dann liegt dort ein Meter Schnee.

* Aus: junge Welt, Montag 8. September 2014

Verschlusssache MH17

Die Bundesregierung hat keine "gesicherten Erkenntnisse" über den Absturz einer malaysischen Passagiermaschine in der Ostukraine. Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Linke

Am 17. Juli 2014 stürzte über der Ostukraine ein Passagierflugzeug der Malaysia Airlines ab. Flug MH17 befand sich auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur. An Bord der Boeing 777 waren 298 Zivilisten. Am Dienstag, den 9. September 2014, soll in Den Haag vom niederländischen Sicherheitsrat (OVV) ein erster, vorläufiger Bericht zu den Ursachen des Absturzes veröffentlicht werden. Die ukrainische Armee und die Aufständischen in der Ostukraine bezichtigen sich gegenseitig, das Flugzeug abgeschossen zu haben. Zum Zeitpunkt des Absturzes patrouillierten AWACS-Aufklärungsflugzeuge in der Region. Die Linksfraktion im Bundestag wollte in einer 21 Punkte umfassenden kleinen Anfrage von der Bundesregierung wissen, welche Erkenntnisse sie über den Vorfall hat. Die Zeitung "junge Welt" dokumentierte das von Markus Ederer, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, verfasste Antwortschreiben vom 5. September in Auszügen in ihrer Ausgabe vom 09.09.2014.

Lesen Sie die ganze Antwort der Bundesregierung h i e r ! [pdf]




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