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EU im Abseits: Ukraine stoppt Assoziierung

Kiew lehnt Freilassung von Julia Timoschenko ab und wendet sich Moskau zu *

Die EU ist mit dem Versuch gescheitert, die Ukraine durch ein Assoziierungsabkommen enger an sich zu binden und dem Einfluß Moskaus zu entziehen. Der ukrainische Ministerpräsident Mykola Asarow ordnete am Donnerstag per Dekret an, die Vorbereitungen für den Vertrag eine Woche vor der geplanten Unterzeichnung zu stoppen. Als offizielle Begründung dafür wird angeführt, daß die nationale Sicherheit und die Wiederbelebung der Wirtschaftsbeziehungen mit Rußland Priorität haben sowie eine Öffnung des Binnenmarktes gegenüber der EU »auf Augenhöhe« zu erfolgen habe.

Rußlands Präsident Wladimir Putin hatte der Ukraine zuvor mit Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen gedroht, sollte sich Kiew enger an die EU binden. Am Donnerstag sagte er zwar, er habe grundsätzlich keine Einwände gegen das Abkommen. Allerdings halte Rußland seinen Markt für das Nachbarland offen. Wenn Kiew sich jedoch völlig der EU öffne, »können wir dieses Tor für die Ukraine nicht mehr so weit wie jetzt aufhalten«. Dann könnten »schwere Zeiten« auf das Land zukommen. Scharf äußerte sich Putin auch gegen einen möglichen NATO-Beitritt der Ukraine: »Die Annäherung eines Militärblocks an unsere Grenzen stellt für uns eine gewisse Gefahr dar.«

Mit dem Stopp des Assoziierungsabkommens ist auch der Versuch der EU vorerst gescheitert, eine Freilassung der inhaftierten Exministerpräsidentin Julia Timoschenko zu erreichen. Das Parlament in Kiew hatte zuvor Gesetzentwürfe abgeschmettert, die eine Begnadigung Timoschenkos und anderer Oppositionspolitiker ermöglicht hätten. Die hatte Brüssel zu einer Bedingung für die Unterzeichnung erklärt.

Anstelle des seit 2007 vorbereiteten Vertrages mit Brüssel peilt die frühere Sowjetrepublik nun offenbar ein breiteres Bündnis an: In dem Dekret wird die Bildung einer Dreierkommission mit Rußland und der EU über Handelsthemen vorgeschlagen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 22. November 2013


Keine Schlacht um Julia

Von Klaus Joachim **

Die Ukraine weicht der Entscheidung entweder für die Europäische Union im Westen oder für Russland im Osten aus. Beide machten Druck und Kiew verweist bei seiner Absage an eine Assoziierung mit der EU sogar auf die »nationale Sicherheit«. Das ist nicht gar so weit hergeholt, wie es scheinen mag. Das Land geriet gefährlich zwischen nur anscheinend überwundene alte Blöcke.

Denn natürlich mochte der Kreml dem strategischen Partner aus der einstigen Sowjetunion bei einer Abwanderung in den Westen nicht tatenlos zusehen. Das hat er deutlich gemacht – zuletzt sicher nachdrücklich in Vier-Augen-Gesprächen von Präsident Putin mit Präsident Janukowitsch. Da sie bei einem Für oder Wider zwar durchaus etwas gewinnen, zugleich aber sehr viel mehr schmerzhaft verlieren würde, versucht die Ukraine nun einen dritten Weg. Der führte vielleicht wirklich am besten erst einmal zu größerer Besonnenheit und einer Dreierkommission mit Russland und der EU.

Um die gefallene Regierungschefin Julia Timoschenko selbst ging es trotz allen Lärms jedenfalls längst nicht mehr. Was immer sie tat oder unterließ, der Streit um Haft oder Hafturlaub diente nur der Verdeutlichung unversöhnlicher Standpunkte zur Strategie. So deutete Kiew Forderungen nach Freilassung gern als Nötigung zu Demutsgesten vor der EU. Vielleicht gibt es in jeder Beziehung bald kluge Lösungen ohne johlende Gewinner und wütende Verlierer.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 22. November 2013 (Kommentar)


Ausgesetzte Assoziierung der Ukraine: Putin bezeichnet Reaktion der EU als Erpressung ***

Nach der Entscheidung der Ukraine, den Assoziierungsprozess mit der Europäischen Union auszusetzen, wirft Russlands Präsident Wladimir Putin der EU vor, Kiew unter Druck zu setzen.

Am Freitag verwies Putin in Strelna bei Sankt Petersburg darauf, dass die Ukraine den Prozess der Unterzeichnung des Abkommens mit der EU nicht gestoppt, sondern lediglich ausgesetzt habe, „um alles gründlich durchzukalkulieren“. Doch hätten die europäischen Partner mit „Drohungen“ reagiert, die „bis hin zur Förderung von Massenprotesten“ reichen. „Das gerade sind Druck und Erpressung.“

„Ob die ukrainische Regierung dieser Erpressung nachgibt, das wird in den nächsten Tagen klar“, sagte Putin weiter. Um dem Druck zu widerstehen, müsste Kiew mit Pragmatismus an die Wahrnehmung der eigenen Interessen herangehen.

Die ukrainische Regierung hatte am Donnerstag überraschend die Vorbereitungen auf das Assoziierungsabkommen mit der EU ausgesetzt. Stattdessen soll der Handel mit Russland wiederbelebt werden. Das Abkommen, das freien Handel beinhaltet, hätte beim Ostpartnerschafts-Gipfel (28. bis 29. November) in Vilnius unterzeichnet werden sollen.

Laut litauischen Regierungsangaben hat der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch in einem Telefongespräch mit seiner litauischen Amtskollegin Dalia Grybauskaitė über Wirtschaftsdruck aus Russland geklagt. Dies sei der Grund für die Aussetzung des Assoziierungsprozesses gewesen.

*** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 22. November 2013; http://de.ria.ru


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