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Ugander bleiben

Kampala: Regierungsankündigung der Beendigung aller Auslandseinsätze weitgehend zurückgenommen

Von Knut Mellenthin *

Die Regierung in Kampala hat ihre Ankündigung, alle Auslandseinsätze der ugandischen Streitkräfte zu beenden, weitgehend zurückgenommen. Entscheidend dazu beigetragen hat offenbar ein Treffen zwischen Wendy Sherman, Staatssekretärin für politische Angelegenheiten im US-Außenministerium, und Ugandas Präsidenten Joweri Museweni, das am Sonnabend in Kampala stattfand.

Einen Tag zuvor hatten unabhängig voneinander Premierminister Amama Mbabazi, Sicherheitsminister Muruli Mukasa und der Minister für regionale Kooperation, Asuman Kiyingi, die Rückzugsentscheidung bekanntgegeben. Die ugandische Regierung reagierte damit auf einen im Oktober durch Indiskretionen bekanntgewordenen vertraulichen Expertenbericht des UN-Sicherheitsrats. Uganda und Ruanda waren darin beschuldigt worden, die kongolesischen M23-Rebellen zu unterstützen, die in der an beide Länder grenzenden Provinz Nordkiwu kämpfen. Während Ruanda die militärischen Operationen der Aufständischen leite und koordiniere, leiste Uganda eine »subtilere« Hilfestellung, indem es den Rebellen ermögliche, von Kampala aus politisch-propagandistisch zu arbeiten und internationale Beziehungen zu pflegen, heißt es in dem Geheimbericht, der offenbar gezielt an einzelne Medien weitergegeben worden war. Beiden Regierungen wird dort außerdem vorgeworfen, der M23-Bewegung schwere Waffen zu liefern.

Die M23 wurde im April dieses Jahres gegründet oder richtiger gesagt reaktiviert. Der Name verweist auf den 23. März 2009. An diesem Tag wurde ein Friedensvertrag zwischen der kongolesischen Regierung und der Rebellenmiliz »Nationalkongreß für die Verteidigung des Volkes«, französisch abgekürzt CNDP, unterzeichnet. Das Abkommen sah unter anderem die Freilassung gefangener CNDP-Kämpfer und die Eingliederung der Miliz in die kongolesischen Streitkräfte vor. Die M23 behauptet, daß die kongolesische Regierung wesentliche Teile des Friedensvertrags nicht eingehalten habe. Die Aufständischen überrannten im Juli die meisten Städte Nord-Kiwus, ohne daß die kongolesischen Streitkräfte Widerstand leisteten.

Die M23 besteht ebenso wie ihre Vorgängerin, die CNDP, überwiegend aus Angehörigen des Tutsi-Volks, das sowohl in Ruanda als auch im östlichen Kongo lebt. Ihre Gründung ist eine Spätfolge des ruandischen Völkermords an den Tutsi, dem 1994 nach unterschiedlichen Schätzungen 800000 bis zu mehr als einer Millionen Menschen zum Opfer fielen. Es folgten mehrere jahrelange Interventionskriege im Kongo, an denen sich unter anderem Truppen aus Uganda, Ruanda, Angola, Simbabwe, Namibia und Tschad beteiligten. Der sogenannte Zweite Kongo-Krieg, der von August 1998 bis Juli 2003 geführt wurde, war die verlustreichste militärische Auseinandersetzung seit 1945. Die Zahl der Toten durch Kampfhandlungen und Kriegsfolgen wird auf mehr als fünf Millionen geschätzt.

Der von der ugandischen Regierung angedrohte Rückzug ihrer Streitkräfte von allen Auslandseinsätzen würde vor allem Somalia betreffen. Uganda stellt nicht nur rund ein Drittel der 18000 Mann starken afrikanischen »Friedenstruppe« AMISOM, sondern vor allem deren qualitativen Kern. Ohne ugandische Beteiligung wären die meisten Gebietsgewinne der letzten 15 Monate gegen die Kämpfer der islamistischen Al-Schabab kaum zu halten. Außer in Somalia sind wesentlich kleinere ugandische Kontingente in der Zentralafrikanischen Republik, im Südsudan und möglicherweise auch im Kongo stationiert, um sich an der Jagd auf die längst zur militärischen Bedeutungslosigkeit reduzierte »Widerstandsarmee Gottes« von Joseph Kony zu beteiligen.

Ugandische Regierungspolitiker beeilten sich am Wochenende, explizit deutlich zu machen, daß es sich bei der Rückzugsdrohung lediglich um ein Erpressungsmanöver handelt. Man würde, hieß es nun plötzlich, die Truppen nur dann nach Hause holen, falls der UN-Sicherheitsrat nicht dafür sorgten, daß der belastende Bericht »ergänzt«, »geändert« und »korrigiert« wird. Damit will Kampala auch die Forderung der UN-Experten vom Tisch haben, gegen die mutmaßlichen Unterstützer der M23 Sanktionen zu verhängen.

Wendy Sherman vom State Department gab sich am Sonnabend nach ihrem Gespräch mit Museweni ganz sicher, daß Kampala seine Soldaten in Somalia lassen wird. Sie erwarte darüber hinaus, daß Uganda auch weiterhin seine »Führungsrolle« in der Region sowohl in diplomatischer Hinsicht als auch auf dem Gebiet der militärischen Sicherheit spielen werde.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 07. November 2012


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