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US-Soldaten jagen Kony im Dschungel

Spezialeinheit soll beim Ergreifen des ugandischen Rebellenchefs helfen / LRA-Opfer beklagen den Rummel

Von Katrin Gänsler, Cotonou *

In Ostafrika soll nun mit aller Macht nach dem Chef der LRA-Rebellen gesucht werden. Auch US-Soldaten beteiligen sich. Joseph Kony könnte sich hingegen längst in Sudan aufhalten. In Uganda haben Konys Opfer eine ganz eigene Meinung über die internationale Kampagne.

Innerhalb kürzester Zeit kannte ihn dank Internet, der Videoplattform YouTube und »Invisible Children «, einer Nichtregierungsorganisation aus den USA, jeder: Joseph Kony. Er ist der Chef der ugandischen Rebellengruppe »Lord‘s Resistance Army« (LRA), die seit Ende der 80er Jahre im Norden des ostafrikanischen Landes Angst und Schrecken verbreitet hat und wohl auch Zivilisten ermorden ließ. Trotz der breit angelegten Internetkampagne »Kony 2012«, die auf die Gräueltaten aufmerksam machte und für internationalen Druck sorgte, stellt Kony alle vor ein Rätsel: Bis heute weiß offensichtlich niemand, wo er sich versteckt. Bei der Suche helfen soll nun eine Spezialeinheit aus den USA.

Präsident Barack Obama stimmte dem Einsatz von 100 gut ausgebildeten Soldaten, die unter anderem in Afghanistan und dem Irak gekämpft hatten, vergangene Woche zu. »Es ist Teil unserer Strategie für die Region. Wir wollen dafür sorgen, dass in Zukunft kein afrikanisches Kind seiner Familie gestohlen wird, niemand ein Mädchen vergewaltigt oder einen Jungen zum Soldaten macht.«

Dabei ist klar: Die Suche wird sich extrem schwierig gestalten, da sie im ostafrikanischen Dschungel stattfindet. Für jemanden, der die Region kaum kennt, ist es ein Versteckspiel im unübersichtlichen Dickicht, bei großer Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit. Die bevorstehende Regenzeit macht es nicht besser, im Gegenteil: In Minutenschnelle verwandeln sich staubige Pisten dann in riesige Schlammlöcher, die mitunter nicht einmal mit Geländewagen zu passieren sind. Jemand, der mit der Region seit Jahrzehnten vertraut ist, könnte die besseren Karten haben.

Doch vielleicht ist Kony schon gar nicht mehr in Uganda. Gerüchten zufolge hält er sich im Kongo oder im Sudan auf. Dort hätte er laut »BBC World Service« möglicherweise sogar Unterstützung von oberster Stelle, der sudanesischen Regierung. Der sudanesische Botschafter in London hat das zwar vehement zurückgewiesen, als ganz unwahrscheinlich gilt es jedoch nicht. Bereits im Jahr 2006 berichtete die Tageszeitung »Sudan Tribune«, der Südsudan – damals noch kein eigenständiger Staat – habe die LRA mit Lebensmitteln und einer Geldspende in Höhe von 20 000 Dollar unterstützt. Für welche Zwecke die LRA das Geld genutzt hat, etwa für den Kauf weiterer Waffen, hat sich freilich nie prüfen lassen.

Sollte die Regierung von Khartum direkt oder indirekt mit Kony zusammenarbeiten, wundert das auch aus einem anderen Grund nicht. 2005 erließ der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag einen Haftbefehl gegen Kony. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Im Sudan wäre er in bester Gesellschaft, sucht der ICC doch seit drei Jahren ebenfalls nach dem sudanesischen Präsidenten Omar Al Bashir. Dem Staatschef, dessen Auslieferung nach Den Haag als extrem unwahrscheinlich gilt, legt der Internationale Strafgerichtshof Vertreibung, Folter und Vergewaltigung in der Krisenregion Darfur zu Last. Eine Auslieferung durch die sudanesische Regierung hätte der LRA-Chef Kony daher wohl kaum zu befürchten.

Hochgekocht ist all das nur durch die Kampagne »Kony 2012«, die »Invisible Children« im März in den USA gestartet hatte. Über Nacht wurde die Organisation bekannt, ihr Film wurde bereits von knapp 100 Millionen Menschen weltweit bei YouTube angeklickt. Mittlerweile scheint das Interesse für Kony allerdings wieder abzuebben. Der Nachfolgefilm hat bisher nur gut zwei Millionen Klicks bekommen. In Uganda, wo sich die LRA einst als Widerstandsbewegung gegen die Regierung unter Yoweri Museveni, gründete, mag das die Menschen sogar freuen. Denn laut der Tageszeitung »Daily Monitor« sehen viele Opfer der brutalen LRA den Film eher als Fluch denn als Segen. Einerseits würden mühsam verheilte Wunden wieder aufplatzen. Andererseits haben viele auch das Gefühl, nur benutzt worden zu sein. Ihre Kritik: Die Opfer würden von dem Streifen nicht profitieren, sondern nur die Macher.

Dennoch hat es die ugandische Tourismuszentrale wohl nun auf eine ganz andere Idee gebracht. Sie will künftig massiv in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter Werbung für einen Urlaub in Uganda machen. Beim Thema Kony habe die Kampagnenarbeit schließlich auch geklappt. Warum also nicht die positiven Seiten des ostafrikanischen Landes ins weltweite Netz stellen?

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 3. Mai 2012


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