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Entschädigung? Nicht die Bohne

Beschwerde gegen Hamburger Kaffeemulti wegen Verstoßes gegen OECD-Richtlinien

Von Knut Henkel *

Das Hamburger Kaffeeunternehmen Neumann steht im Zusammenhang mit der Vertreibung von Kleinbauern in Uganda am Pranger.

In der Branche gilt die Neumann Kaffee Group als sozial verantwortliches Unternehmen. Doch nun muss sie sich wegen der Vertreibung von Kleinbauern in Uganda verantworten. Die Menschenrechtsorganisation Fian hat am Montag Beschwerde beim Bundeswirtschaftsministerium eingereicht. »Mit der Tolerierung der Vertreibung von ugandischen Kleinbauern hat die Neumann Kaffee Gruppe eindeutig gegen die OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen verstoßen. Dagegen legen wir nun Beschwerde im Namen der Familien ein«, erklärte Fian-Referentin Gertrud Falk.

Ziel der Beschwerde ist es, den Fall neu aufzurollen und endlich zu einer Lösung für die Betroffenen zu kommen. Das sind 401 Familien, rund 2000 Menschen, die am 21. August 2001 ihr Land verlassen mussten. Mit Bulldozern und anderem schweren Gerät wurden sie aus ihren Häusern vertrieben. »Einige der Vertriebenen sind auch heute noch traumatisiert«, schildert Peter Kayiira die Folgen der gewaltsamen Räumung. Kayiira hat früher an einer Dorfschule unterrichtet und ist seit einigen Jahren Sprecher der Familien, die sich zur Gruppe »Wake up and fight for your rights« zusammengeschlossen haben. Drei Tage nach der gewaltsamen Räumung sei die Kaweri-Kaffeeplantage in Mubende von Michael R. Neumann und Staatspräsident Yoweri Museveni eingeweiht worden.

Seitdem warten die Vertriebenen auf Kompensation. Zwar ist in Uganda ein Verfahren anhängig. Die Richter haben für den September mehrere Verhandlungstage anberaumt. Doch sicher ist ein juristischer Erfolg nicht. Deshalb will Kayiira lieber alle Beteiligten an einen Runden Tisch bringen. Die OECD-Beschwerde liefert dafür möglicherweise die Grundlage, denn die Kontaktstelle im Wirtschaftsministerium hat vor allem die Aufgabe zu vermitteln. So könnte der direkte Kontakt zwischen den Regierungen, dem Unternehmen und den Betroffenen zustandekommen.

Generell beinhalten die OECD-Richtlinien nur einen Handlungsrahmen und keine verbindlichen Regeln. Sie verlangen von multinationalen Unternehmen verantwortliches Handeln im Gastland, unter anderem den Respekt der Menschenrechte. Aus dieser Sicht hätte die Neumann Gruppe die Folgen ihres Investitionsprojekts vor Vertragsschluss mit der ugandischen Regierung eingehender prüfen müssen, argumentiert Fian. Die Folgen für die Vertriebenen seien verheerend: »Die Mehrheit der Betroffenen kann sich seit der Vertreibung nicht mehr ausreichend ernähren. Die Einschulungsraten für weiterführende Schulen sind drastisch zurückgegangen, weil die Familien das Schuldgeld nicht mehr aufbringen können. Diese Verletzungen sozialer Menschenrechte hat das Unternehmen mit zu verantworten«, erklärt Gertrud Falk, die mehrfach vor Ort war.

Neumann teilte in einer Pressemeldung mit, man habe sich wiederholt an die ugandische Regierung gewandt, um sich für die Überprüfung der Ansprüche der Vertriebenen einzusetzen. Kompensationsregelungen seien jedoch ausschließlich Sache des ugandischen Staates. Die internationale Aufmerksamkeit, so die Hoffnung von Kayiira und Fian, könnte aber die Regierung in Kampala zum Einlenken bewegen. Das wäre auch im Interesse des Unternehmens.

Zahlen & Fakten

Die Neumann Kaffee Gruppe bezeichnet sich selbst als »weltweit führenden Rohkaffeedienstleister«. Sie entstand 1990 aus dem Zusammenschluss der Hamburger Traditionsunternehmen Hanns R. Neumann und Bernhard Rothfos AG. Die Gruppe ist mit 47 Unternehmen in 28 Ländern aktiv und beschäftigt 2100 Mitarbeiter. 2007 erzielte sie einen Umsatz von 1,7 Milliarden US-Dollar und einen Anteil von 15 Prozent an den Kaffeeimporten. ND



* Aus: Neues Deutschland, 16. Juni 2009


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