Ugandas Friedensprozess hat noch Potenzen
Widerstandsbewegung LRA und Regierung kommen sich trotz tiefer Differenzen näher
Von Anton Holberg *
Zwar hat die Delegation der seit über 18 Jahren gegen die ugandische Regierung kämpfenden
»Lord's Resistance Army« (LRA) am Mittwoch die Friedensverhandlungen im südsudanesischen
Juba verlassen, weil sich die Regierung weigert, einen Waffenstillstand zu erklären. Dennoch ist
nicht ausgeschlossen, dass der Anfang Mai durch eine Videobotschaft von LRA-Chef Joseph Kony
eingeleitete Friedensprozess Erfolg hat.
Am 7. August fanden sich in Juba Delegationen beider ugandischen Kriegsparteien zu einer zweiten
Verhandlungsrunde ein. In den vergangenen zwei Monaten hatte es des öfteren so ausgesehen, als
versuche insbesondere die Regierung in Kampala unter Hinweis auf frühere angeblich negative
Erfahrungen mit Konys Friedenswillen sowie im Glauben, die LRA sei militärisch definitiv in die
Defensive gedrängt, den Prozess de facto zum Scheitern zu bringen.
Größtes Hindernis auf dem Weg zu sinnvollen Gesprächen war bislang die auch von den
südsudanesischen Vermittlern erhobene Forderung, Kony und sein Stellvertreter Vincent Otti
müssten persönlich nach Juba kommen. Das verweigerten diese allerdings. Zum einen verlangte die
LRA einen Waffenstillstand vor Beginn der offiziellen Verhandlungen, und zum anderen sahen die
Chefs ihre persönliche Sicherheit in Juba so lange gefährdet, wie der vom Haager Internationalen
Gerichtshof (ICC) wegen Kriegsverbrechen gegen sie verhängte internationale Haftbefehl nicht
aufgehoben ist. Dieser Haftbefehl war unmittelbar nach Konys Initiative vom Mai noch einmal
bekräftigt worden. Staatspräsident Yoweri Museveni hatte zwar eine Amnestie in Aussicht gestellt,
aber in der Folgezeit kamen von ugandischer Regierungsseite durchaus widersprüchliche Signale.
Zur zweiten Gesprächsrunde waren Kony und die übrigen Gesuchten zwar auch nicht erschienen,
wohl aber eine aus Zivilisten und Militärs zusammengesetzte Delegation der LRA. Die ugandische
Regierung hatte ihrerseits am 4. August ihre Bereitschaft erklärt, die Verhandlungen auch ohne
Konys Präsenz wieder aufzunehmen. Gleichzeitig meldete die in Kigali erscheinende »New Times«
unter Bezugnahme auf Regierungsbeamte, der ICC habe sich bereit erklärt, den Haftbefehl
aufzuheben – allerdings unter der Voraussetzung, dass das endgültige Friedensabkommen keine
Straffreiheit für die Betroffenen beinhalte.
Was den Waffenstillstand anbelangt, so hat Kony schließlich seinerseits den ersten Schritt getan, als
er diesen Ende Juli einseitig im Namen der LRA erklärte. Es ist nicht ganz klar, was der
ausschlaggebende Faktor dafür ist, dass die Verhandlungen offenbar Fortschritte machen, wenn
auch sehr langsam. Der ugandischen Regierung zufolge ist es die militärische Schwäche der LRA.
Es scheint jedoch, dass auch die Regierung Musevenis unter Druck steht. Einerseits gibt es ein
Interesse ausländischer Wirtschaftskreise an der Ausbeutung der Region, die eine Befriedung zur
Voraussetzung hat. Zum anderen gibt es angesichts von bislang mehr als 12 000 Toten, über 20
000 von der LRA verschleppten Minderjährigen und rund 1,7 Millionen Binnenflüchtlingen ein starkes
Friedensverlangen der Bevölkerung.
Die LRA, entstanden als religiöse Endzeitbewegung, hat sich in letzter Zeit überraschend politisch
und modern dargestellt. Das von ihr zu den Verhandlungen vorgelegte Positionspapier thematisiert
nicht zuletzt die politische und soziale Marginalisierung des Nordens Ugandas unter der Herrschaft
des Museveni-Regimes.
In diesem Sinn forderte sie am 22. Juni eine Verfassungsänderung, die für den Norden und Osten
föderative Rechte beinhaltet. Die legale ugandische Oppositionspartei UPC begrüßte dieses
Dokument als wohldurchdacht und forderte ihrerseits die Einbeziehung der Oppositionsparteien in
einen nationalen Dialog über die Juba-Verhandlungen.
Schon am 11. Juni hatte andererseits der »Uganda Joint Christian Council« die damals mehr als
zögerliche Regierung aufgefordert, das Verhandlungsangebot wahrzunehmen, und am 4. August
schließlich erklärte der anglikanische Erzbischof in Gulu, der Hauptstadt der vom Krieg besonders
betroffenen Acholi-Region, dass es ihm nach Gesprächen mit Kony, Museveni und anderen scheine,
dass nun die Zeit für den Frieden gekommen sei.
* Aus: Neues Deutschland, 11. August 2006
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