Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

CIA-Morde in "Gitmo"

Zu Tode gefoltert: Ehemaliger Wächter im US-Militärlager Guantánamo wirft Geheimdienst vor, drei Gefangene umgebracht zu haben

Von Jürgen Heiser *

Der ehemalige US-Staff-Sergeant Joseph Hickman und Wärter des US-Lagers Guantánamo Bay beschuldigt den Geheimdienst CIA, am 9. Juni 2006 drei Häftlinge bei Folterverhören umgebracht zu haben. Der Öffentlichkeit war der Tod der Gefangenen als Selbstmord verkauft worden. Dieses Lügengebäude bringt Hickman jetzt nach langjährigen Recherchen zum Einsturz. Der frühere Soldat ist inzwischen überzeugt davon, dass die drei Gefangenen in einer geheimen »Black Site« der CIA nahe dem Camp Delta ermordet wurden. Seine Erkenntnisse hat Hickman in einem Buch dargelegt, das am kommenden Dienstag unter dem Titel »Murder at Camp Delta« in den USA erscheint.

In einem Exklusivinterview mit Vice News schilderte Hickman in dieser Woche die offizielle Version, wie die drei Gefangenen, deren Namen mit Salah Ahmed Al-Salami (37) aus Jemen, Mani Shaman Al-Utaiabi (30) und Yasser Talal Al-Sahrani (22), beide aus Saudi-Arabien, angegeben werden, es geschafft haben sollen, sich selbst zu töten: »Alle drei hätten demnach ihre Hände und Füße fesseln, sich Stoffetzen in den Rachen schieben, Masken über ihre Gesichter stülpen, eine Schlinge binden, sie seitlich des Zellenblocks an der Decke befestigen, dann gleichzeitig in die Schlinge springen und sich erhängen müssen.« Ein Szenario, das nach Hickmans Schilderungen schon allein deshalb völlig unwahrscheinlich sei, da bei den Gefangenen nur Stunden vor ihren angeblichen Selbstmorden Zellendurchsuchungen stattgefunden hatten, bei denen nichts gefunden wurde, womit sie sich hätten erhängen können.

An jenem 9. Juni 2006 war Hickman auf Wache und wurde Zeuge, wie dreimal ein Van zum Transport von Häftlingen im »Block Alpha« vorfuhr und jeweils einen Gefangenen wegbrachte. Das Fahrzeug habe außerhalb des Camps eine Richtung eingeschlagen, in der es nur zwei Ziele gab, entweder den Strand oder ein Vernehmungszentrum der CIA, das von den Wachleuten »Camp No« genannt wurde. Später sei der Transporter direkt zur Haftklinik des Lagers gefahren. Kurz darauf sei allgemeiner Alarm ausgelöst worden, weil man angeblich die erhängten Gefangenen in ihrem Zellblock gefunden hatte.

Hickman nennt in seinem Buch »Murder at Camp Delta« keine Namen der vermutlichen Mörder. »Ich halte das am Ende bewusst vage, sage aber, es war Mord«, erklärte er im Interview mit Vice News. Er wolle eine gründliche Untersuchung darüber auslösen, was damals wirklich passiert ist.

Schon 2010 hatte das US-Magazin Harper's die ersten Aussagen von Hickman und drei weiteren Wärtern an die Öffentlichkeit gebracht, wonach die Gefangenen »aller Wahrscheinlichkeit nach an einem geheimen Ort etwa einen Kilometer entfernt vom eigentlichen Lagerkomplex« zu Tode gekommen seien. Damalige Reaktion des Justizministeriums der Regierung von US-Präsident Barack Obama: Man habe schon 2009 eine Untersuchung eingeleitet, sie jedoch mangels Hinweisen auf Fehlverhalten eingestellt.

Hickman betonte nun, er wisse mittlerweile, dass man die drei Gefangenen damals loswerden wollte, weil sie Hungerstreiks angeführt hatten. Nach ihrem Tod habe es »lange Zeit keine Hungerstreiks mehr gegeben«. Vice News-Reporter Jason Leopold nennt Hickmans Enthüllungen nun den »letzten Sargnagel, der dazu führen sollte, dass dieses Lager ein für allemal geschlossen wird«. Das dürfte vor allem im Interesse des sozialistischen Kuba sein, das schon lange dagegen protestiert, dass die USA diesen Militärstützpunkt betreibt und dort Gefangene ohne Gerichtsverfahren festhält und ihre Menschenrechte negiert.

* Aus: junge Welt, Samstag, 17. Januar 2015


Zurück zur USA-Seite

Zur USA-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur Menschenrechts-Seite

Zur Menschenrechts-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage