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Diplomat abgelehnt

USA mißbrauchen rechtswidrig ihre Rolle als Gastgeberland der UNO. Washington verweigert neuem iranischen Missionschef das Visum

Von Knut Mellenthin *

Iran hält an seinem von der US-Regierung abgelehnten neuen Botschafter bei den Vereinten Nationen fest. Die iranische Mission am UN-Sitz in New York bezeichnete das US-amerikanische Verhalten am Sonnabend als »unklug«. Die Verweigerung des Visums für Hamid Abutalebi sei »eine klare Verletzung internationalen Rechts« und stehe im Widerspruch zu den Verpflichtungen, die die USA als Gastland der Weltorganisation übernommen haben. Der stellvertretende Außenminister Sejed Abbas Araqchi kündigte an, Iran werde keinen Ersatz für Abutalebi ernennen.

Der Pressesprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, hatte zuvor am Freitag ohne jede Begründung mitgeteilt, daß Abutalebi kein Visum bekommen wird. Obwohl es in der Vergangenheit eine ganze Reihe ähnlich gearteter Willkürakte Washingtons gab, wird allgemein davon ausgegangen, daß dies der allererste Fall in der Geschichte der Vereinten Nationen ist, in dem die US-Regierung dem nominierten Missionschef eines Mitgliedsstaates das Visum verweigert.

Grundlage der Gastgeberrolle der USA für das UN-Hauptquartier in New York ist ein 1947 abgeschlossener Vertrag mit der Weltorganisation. Abschnitt 11 von Artikel IV dieses Abkommens schreibt vor, daß keine US-Behörde die Ein- oder Ausreise der UN-Botschafter irgendeines Landes zum Hauptquartier behindern darf. Gleiches gilt für zahlreiche weitere Personengruppen, die in diesem Abschnitt einzeln aufgezählt werden, wie etwa eingeladene Gäste der UNO. Gegen diesen Grundsatz verstieß die US-Regierung 1988, als sie dem Chef der Palästinensischen Befreiungsorgansation PLO, Jassir Arafat, die Einreise zu einer Rede vor der UN-Vollversammlung verweigerte. Diese fand daraufhin in Gegenwart des Palästinenserchefs in Genf statt und verurteilte die Eigenmächtigkeit der Reagan-Administration.

Abutalebi wird offenbar vorgeworfen, daß er an der 444tägigen Besetzung der US-Botschaft in Teheran durch eine Studentengruppe beteiligt gewesen sei, die vom 4. November 1979 bis zum 20. Januar 1981 dauerte. 52 Diplomaten und Mitarbeiter der Botschaft waren die ganze Zeit über dort gefangengehalten worden; andere wurden währenddessen frei gelassen. Mit ihrer Aktion wollten die Studenten auf die Rolle der US-Botschaft als »Spionagehöhle« in der Zeit des Schahregimes aufmerksam machen. Die USA hatten 1953 die Rückkehr des Diktators an die Macht durch einen Putsch gegen die demokratische Regierung von Mohammed Mossa­degh in Rahmen der »Operation Ajax« unterstützt. In den folgenden Jahrzehnten übernahm die CIA unter anderem die Ausbildung und Anleitung des wegen seiner Foltertechniken und anderer Grausamkeiten international berüchtigten iranischen Geheimdienstes SAVAK. Während der Botschaftsbesetzung wurden zahlreiche hastig geschredderte Geheimakten sichergestellt, rekonstruiert und veröffentlicht.

Abutalebi selbst sagt dazu, daß er von der Studentengruppe lediglich wegen seiner Sprachkenntnisse als Übersetzer von Dokumenten und gegenüber ausländischen Journalisten herangezogen worden sei. Was die US-Regierung ihm jetzt konkret vorwirft, ist nicht bekannt. Der 56jährige war in der Vergangenheit Botschafter in Italien, Belgien, Australien und bei der EU. In den 1990er Jahren hatte er anscheinend problemlos ein Visum zur Einreise in die USA als Mitglied der iranischen Delegation bei der UN-Vollversammlung erhalten. Aufgrund welcher neuen Erkenntnisse er für Washington zur »unerwünschten Person« wurde, ist bisher völlig unklar.

Auch Nelson Mandela stand jahrzehntelang auf der schwarze Liste der »Terroristen«, die nicht in die USA reisen durften. Noch viele Jahre nach seiner Befreiung aus der Haft (1990) und seiner Wahl zum südafrikanischen Präsidenten (1994) brauchte der 1993 mit dem Friedensnobelpreis geehrte Freiheitskämpfer jedes Mal eine Ausnahmegenehmigung des State Department, wenn er die USA besuchen wollte. Von der Terrorliste gestrichen wurde sein Name erst 2008, kurz vor seinem 90. Geburtstag.

* Aus: junge Welt, Montag, 14. April 2014


Unerwünscht

Von Roland Etzel **

Der Iraner Hamid Abutalebi möchte eigentlich gar nicht in die USA, sondern »nur« zum UNO-Hauptquartier. Das aber erreicht man nicht, ohne die Vereinigten Staaten zu betreten, die im allgemeinen auf iranische Einreisewünsche äußerst abweisend reagieren. Umgekehrt ist es kaum anders. Die Gründe dafür liegen in der konfliktreichen gemeinsamen Geschichte beider Länder.

Doch wenn zwei das gleiche tun oder täten, muss es ja bekanntlich nicht dasselbe sein. So auch hier. Abutalebi ist kein Tourist, über den Washingtons Heimatschutz-Ministerium nach Gutdünken den Daumen heben oder senken kann – er ist von der Islamischen Republik zum UNO-Botschafter ernannt worden. UNO-Personal jedes Mitgliedslandes aber haben die USA – für die Ehre, die Vertretung der Völker der Welt beherbergen zu dürfen – freien Zugang und notwendigerweise auch Wohnrecht einzuräumen; es sei denn, man kann Gewichtiges gegen die Person geltend machen.

Das tun sie vehement, seit die Nominierung des 56-jährigen Iraners vor Wochen bekannt wurde. Am Dienstag schob das US-Außenministerium eine schriftliche Begründung nach, weil am Dienstag nach Ostern das für die Zusammenarbeit zwischen der UNO und dem Gastgeberland zuständige Komitee über die Berechtigung des USA-Einspruchs befinden soll.

Abutalebi wird vorgeworfen, an der Erstürmung der US-Botschaft in Teheran im November 1979 durch iranische Studenten und der nachfolgenden Besetzung bis Januar 1981, inklusive Geiselnahmen, beteiligt gewesen zu sein. Es war eine der größten Demütigungen für die USA im Mittleren Osten schlechthin, die bis heute nachwirkt und von einer nicht geringen Zahl Politiker in Washington als ungesühnt betrachtet wird. Abutalebi war damals tatsächlich dabei, aber wohl nur aushilfsweise als Dolmetscher, danach bereits Botschafter in Australien, Belgien und Italien, die an seiner Person keinen Anstoß nahmen. Setzen die USA seine Abweisung durch, werden die Gegner jeglicher politischer Entspannung gegenüber Teheran feiern.

** Aus: neues deutschland, Donnerstag, 17. April 2014


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