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Aufstehen gegen Landraub

Protestmarsch von Angehörigen der San Carlos Apache Nation aus Arizona gegen den Verkauf ihres Grund und Bodens an ausländischen Bergbaugiganten

Von Jürgen Heiser *

Der Raub ihres angestammten Landes ist für amerikanische Ureinwohner auch heute noch eine dramatische Realität. Angehörige der San Carlos Apache Nation aus Arizona zogen deshalb am Dienstag und Mittwoch mit Hunderten Unterstützern in die US-Hauptstadt Washington und belagerten das Kapitol. Diese Kundgebung war der Höhepunkt eines zweieinhalbwöchigen »Journey to D. C.« (»Reise nach Washington«) gegen den Verkauf eines traditionell von ihnen genutzten, Oak Flat genannten Landstücks durch den US-Kongress an ausländische Bergbaugiganten. Die anfangs rund einhundert Frauen, Männer, Jugendlichen und Kinder waren am 5. Juli in Arizona aufgebrochen. Mit Wagen und immer wieder auch zu Fuß ging es durch Colorado, South Dakota, Minnesota, Illinois, Pennsylvania und New York. Auf ihrem Weg erhielten sie Unterstützung von Hip-Hop-Bands, Kirchengemeinden und Universitäten und legten den New Yorker Times Square mit einem Flashmob lahm. In New Jersey trommelten sie vor Tausenden in einem Konzert zusammen mit dem Rockmusiker Neil Young, und in Philadelphia wurden sie offiziell von Repräsentanten der Volksrepublik China empfangen. Afroamerikanische Kirchenvertreter reisten aus North und South Carolina an, um sich mit dem Anliegen der Aktivisten aus Arizona zu solidarisieren.

Der Organisation »Apache Stronghold« (dt. »Bollwerk der Apachen«) ist es mit ihrer »Reise« gelungen, einer täglich wachsenden Öffentlichkeit gegenüber deutlich zu machen, dass der Raub indianischen Landes weitergeht und die Verantwortlichen dafür im US-Kongress sitzen. Wendsler Nosie, Sprecher von »Apache Stronghold«, erklärte auf der Internetplattform Indian Country, der von ihnen initiierte »Lernprozess« habe vielen die Augen geöffnet, »nicht nur Bürgern, sondern sogar dem Kongress«. Sie hätten jedoch feststellen müssen, »dass nicht alle Amerikaner wissen, was in Nacht- und Nebelaktionen im Kongress durchgeboxt und wie Bundesrecht ausgehebelt wird«, so Nosie.

Gemeint ist der Schachzug, mit dem zwei Senatoren aus Arizona es im Dezember 2014 nach mehrmaligen Anläufen geschafft hatten, das Apachen-Land in Privatbesitz zu verwandeln, um an seine reichen Kupfervorkommen heranzukommen. Der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain und sein Parteikollege Jeff Flake waren es, die im Schlepptau des »Genehmigungsgesetzes zur nationalen Verteidigung« (NDAA) eine scheinbar unbedeutende Zusatzklausel zur Abstimmung brachten, die es jedoch in sich hatte. Der US-Kongress wandelte damit nämlich das Stammesgebiet in Privatbesitz um, der künftig der nationalen Sicherheit unterliegt. So durch »die Hintertür« zur freien Verhandlungsmasse gemacht, wie es Wendsler Nosie gegenüber dem US-Fernsehkanal Democracy Now! erklärte, konnte es schließlich an die australisch-britischen Bergbaugiganten BHP Billiton und Rio Tinto Group verkauft werden. Diese Konzerne – zwei der drei größten Bergbauunternehmen der Welt, die von Australien über Nord- und Südamerika bis Afrika und Irak stetig ihre Schürfrechte ausbauen – waren schon lange brennend am Kupfer unter Oak Flat interessiert, das sie künftig durch ihre gemeinsame Tochtergesellschaft Resolution Copper ausbeuten wollen.

Doch darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, wie der Marsch der Apachen auf Washington (D. C.) jetzt gezeigt hat. Sie wollen das Gebiet, das Teil des Tonto National Forest von Arizona ist und ihnen seit Generationen für Zeremonien und Initiationsriten diente, nicht kampflos aufgeben.

»Was mit unserem Land geschieht, ist ein Exempel«, das gleiche könne mit weiteren solchen Gebieten in den USA geschehen, zitierte Indian Country Nosie. Jeder müsse sich indes klarmachen, dass Oak Flat Bundesland ist, über das US-Bürger und Abgeordnete mitzubestimmen hätten. »Dies ist eine amerikanische Schlacht«, so Nosie. »Der einzige Weg, diesen Landraub rückgängig zu machen«, sei deshalb, »dass alle dagegen aufstehen«.

http://www.apache-stronghold.com/

* Aus: junge Welt, Freitag, 24. Juli 2015


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