Seine letzten Worte: "Ich bin frei"
USA: Black Panther Herman Wallace im Alter von 72 Jahren verstorben – drei Tage nach seiner Haftentlassung
Von Jürgen Heiser *
Nach 42 Jahre in Isolationshaft starb am Freitag Herman Wallace – »als freier Mann«, wie die American Civil Liberties Union am Wochenende mitteilte. Erst drei Tage, bevor der frühere Aktivist der Black Panther Party einem schweren Leberkrebsleiden erlag, war er aus dem Staatsgefängnis von Louisiana entlassen worden. Ein US-Bundesgericht in Baton Rouge hatte nach einer Vielzahl von Berufungsanträgen das 1974 gefällte lebenslange Urteil als verfassungswidrig aufgehoben und seine sofortige Freilassung angeordnet. Bundesrichter Brian A. Jackson mußte der Anstaltsleitung jedoch erst mit einem Verfahren wegen Mißachtung des Gerichts drohen, damit der schwerkranke Wallace am vergangenen Dienstag endlich auf einer Trage vor das Gefängnis gebracht und in die Obhut seiner Verteidigerin übergeben wurde, der dort bereits seit Stunden mit einem Krankenwagen gewartet hatte. Angehörige und zahlreiche Unterstützer begrüßten Wallace mit großem Jubel.
Amnesty International sprach in einem ersten Kommentar zum Tod von Wallace von einem »traurigen Tag für die Gerechtigkeit«. Die Menschenrechtsorganisation hatte sich seit vielen Jahren für die »Angola 3« – Herman Wallace, Albert Woodfox und Robert King – eingesetzt und ihre Haftbedingungen als »grausam, unmenschlich und entwürdigend« gebrandmarkt. Der Fall der drei Gefangenen war international bekannt geworden, weil sie im Staatsgefängnis von Louisiana, genannt »Angola«, nach politisch motivierten Urteilen jahrzehntelanger Isolationshaft unterworfen worden waren.
Herman Wallace, der am 13. Oktober 72 Jahre alt geworden wäre, wuchs mit sieben Geschwistern in New Orleans auf. Seine von Armut und Rassismus geprägte Umgebung brachte ihn mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt. Sein weiterer Lebensweg ist typisch für viele Afroamerikaner, die wegen geringfügiger Delikte Anfang der 1970er Jahre eingesperrt wurden und sich gegen unmenschliche Zustände in den US-Gefängnissen wehrten. Aus einer Strafe von wenigen Jahren konnte so schnell lebenslänglich werden. Wallace kam 1971 nach »Angola«, dem größten Hochsicherheitsgefängnis der USA mit 5000 Insassen, die entweder in Ketten auf den umliegenden Feldern oder in Werkstätten arbeiten müssen, wenn sie nicht ständiger Aussonderung unterliegen. Wallace und sein Mitgefangener Albert Woodfox kamen sehr schnell in letztere Kategorie, nachdem sie im Gefängnis eine Gruppe der Black Panther Party gegründet hatten, mit der sie sich und ihre Mitgefangenen gegen die im Gefängnis herrschende Gewalt und Menschenrechtsverletzungen wehren wollten. Sie organisierten Hunger- und Arbeitsstreiks und schützten sich gegen Vergewaltigungen, die an der Tagesordnung waren.
1972 wurden Wallace und Woodfox beschuldigt, den Wärter Brent Miller erstochen zu haben. Sie beteuerten zwar ihre Unschuld, waren jedoch für die Justiz als »politische Aufwiegler« hinlänglich verdächtig und wurden 1974 auf der Basis der Aussage eines gedungenen Spitzels von einer weißen Jury zu lebenslanger Haft verurteilt. King wurde der Mittäterschaft bezichtigt, aber nicht in diesem, sondern in einem anderen Fall verurteilt. Alle drei waren seitdem 24 Stunden am Tag in winzigen Einzelzellen isoliert. Es folgten Jahrzehnte juristischer Auseinandersetzungen um Berufungs- und Haftprüfungsanträge, bei denen die Gefangenen seit Ende der 1990er Jahre von einer Solidaritätsbewegung unterstützt wurden. Für Robert King führte diese Kampagne 2001 nach 29 Jahren Isolation als erstem der »Angola 3« zur Freilassung. Seit Jahren hatte sich sogar die Witwe des ermordeten Wärters für Wallace und Woodfox eingesetzt. Wie sie öffentlich erklärte, sei sie überzeugt, »daß diese Männer es nicht waren, die meinen Mann töteten«. Nach dem Tod von Wallace verbleibt nun Albert Woodfox als letzter der »Angola 3« in Isolationshaft.
Die Verteidiger von Herman Wallace erklärten, ihr Mandant sei trotz der erlittenen Grausamkeit frei von Haß gewesen und habe »bis zu seinem Ende Würde und Nächstenliebe gezeigt«. Es habe ihm viel bedeutet, seine kurze Freiheit gemeinsam mit Angehörigen und Freunden zu genießen. »Ich bin frei, ich bin frei«, seien seine letzten Worte gewesen.
* Aus: junge Welt, Dienstag, 8. Oktober 2013
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