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US-Militärtribunal wird berufen

"USS Cole"-Attentäter steht vor Prozess *

Lange war es still geblieben um das Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba, das der US-Präsident ursprünglich schließen wollte. Nun kommt Bewegung in den Fall um den mutmaßlichen Verantwortlichen für das Attentat auf das Kriegsschiff »USS Cole«. Im März hatte Obama die Militärtribunale wieder zugelassen.

Ein Militärverfahren gegen den mutmaßlichen Drahtzieher des Anschlags auf das US-Kriegsschiff »USS Cole«, Abdel Rahim al-Nashiri, im Lager Guantanamo rückt näher. Wie das US-Verteidigungsministerium am Mittwoch (28. Sept.) mitteilte, solle in dem Fall nun ein Militärrichter berufen und Nashiri dann binnen 30 Tagen in dem umstrittenen Gefangenenlager auf Kuba angeklagt werden. Bei dem Anschlag in Jemen waren vor elf Jahren 17 US-Amerikaner ums Leben gekommen. Dem Angeklagten droht die Todesstrafe.

Neben der Attacke auf die »Cole« wird Nashiri die Planung eines versuchten Anschlags auf die »USS The Sullivans« ebenfalls im Hafen von Aden Anfang 2000 zur Last gelegt. Der Mann soll auch hinter der Attacke auf den französischen Öltanker »MV Limburg« vom Oktober 2002 im Golf von Aden stecken, bei dem ein Besatzungsmitglied ums Leben kam und mehr als 14 Millionen Liter Öl ins Meer liefen.

Nashiri ist einer der Terrorverdächtigen, die durch die grausame Verhörmethode des Waterboarding zum Preisgeben von Informationen gezwungen werden sollten. Die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU kritisierte das kommende Verfahren vor einem Militärgericht. »Anders als Bundesgerichte haben Militärtribunale unfaire laxe Regeln, was die Zulassung von Beweismitteln angeht«, teilte Denny LeBoeuf mit, ACLU-Experte für die Todesstrafe. »Das Tribunal könnte erzwungene Aussagen zulassen und Darstellungen über die Mittel zensieren, mit denen diese gewonnen wurden.«

US-Präsident Barack Obama hatte erst im März seine Zustimmung für neue Militärverfahren in Guantanamo gegeben, nachdem er die Tribunale unmittelbar nach seinem Amtsantritt Anfang 2009 ausgesetzt hatte. Obama schrieb zudem fest, dass als gefährlich geltende Verdächtige weiter ohne Anklage dort festgehalten werden können.

Der damalige Verteidigungsminister Robert Gates hatte erklärt, die Aussichten, dass das weltweit kritisierte Lager auf Kuba tatsächlich aufgelöst wird, seien »sehr, sehr gering«. Gates begründete dies mit Widerstand im US-Parlament, die mutmaßlichen Terroristen in Gefängnissen auf dem US-Festland unterzubringen. Außerdem seien nur wenige andere Länder bereit, Guantanamo-Insassen aufzunehmen.

Menschenrechtler hatten die Entscheidung des US-amerikanischen Präsidenten seinerzeit scharf kritisiert. In dem Lager sitzen derzeit noch rund 170 Häftlinge ein.


Eine Schande

Von Olaf Standke **

Eigentlich wollte Barack Obama Guantanamo schließen. Eigentlich sollten die Militärtribunale abgeschafft werden. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt verkündete der Präsident auch das Ende des berüchtigten Gefangenenlagers innerhalb eines Jahres, und die Arbeit der umstrittenen Sondergerichte wurde ausgesetzt. Inzwischen rüstet Obama schon zum Wahlkampf für den Wiedereinzug ins Weiße Haus, Guantanamo aber ist immer noch nicht geschlossen und der erste Prozess während seiner Amtszeit vor einem der von ihm einst so scharf kritisierten Militärgerichte steht bevor. Der Fall des mutmaßlichen Drahtziehers beim Anschlag auf das Kriegsschiff »USS Cole« vor elf Jahren zeigt, dass Präsident Obama aus guten Gründen den verheerenden Kurs der Bush-Regierung im Anti-Terrorkrieg ändern wollte. Fast vier Jahre lang wurde Abdel Rahim al-Nashiri in einem CIA-Geheimgefängnis ohne Anklage und Rechtsbeistand festgehalten und dann nach Guantanamo verfrachtet. Seine Geständnisse sind auch das Resultat von Folter, denn bei den Vernehmungen wurde das sogenannte Waterboarding angewendet, bei dem der Verhörte glaubt, ertrinken zu müssen. Kein Wunder, dass die wichtigste Bürgerrechtsorganisation der USA dem Verfahren und dem Tribunal rechtsstaatliche Standards abspricht. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström nannte Guantanamo dieser Tage eine »Schande«. Sie soll Barack Obama mindestens bis zur nächsten Präsidentschaftswahl begleiten.

** Aus: Neues Deutschland, 30. September 2011 (Kommentar)


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