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Pax americana: grenzenlos - schrankenlos - skrupellos

Die Zäsur in der Außen- und Sicherheitspolitik der USA durch die Bush-Administration und ihre Folgen

Von Prof. Dr. Rolf Sieber*

Um das ganze Ausmaß an Veränderungen und neuen Merkmalen in der Außen- und Sicherheitspolitik der USA durch die Bush-Administration erfassen zu können, müssen wir einen Blick zurück auf die Ergebnisse des Präsidenten-Wahljahres 2000 werfen. In die Geschichte der USA war das Wahljahr 2000 als "das verrückteste Wahljahr seit Menschengedenken" eingegangen. Was war geschehen?

Zum ersten Mal in der US-amerikanischen Geschichte wurde ein republikanischer Politiker dieses Landes erst mit Hilfe eines Urteils des Obersten Gerichtshofes der USA Präsident. Nach dem Wahltag, dem 7. November 2000, hatten 36 Tage lang Juristen der Republikanischen und der Demokratischen Partei auf allen Gerichtsebenen des Bundesstaates Florida ergebnislos darum gerungen, wem die 25 Wahlmännerstimmen dieses Bundesstaates zuerkannt werden sollen. Erst der angerufene Oberste Gerichtshof der USA entschied durch ein 5 : 4 Urteil (5 konservative gegen 4 liberale Richter), dass der Repräsentant der Republikanischen Partei, George W. Bush, alle Wahlmännerstimmen des Bundesstaates Florida erhält. Dadurch bekam Bush die notwendige Stimmenmehrheit im Wahlmännergremium , nämlich 271 Stimmen gegen 267, für den Repräsentanten der Demokratischen Partei, Al Gore.

All dies geschah zu einem Zeitpunkt, da Gore insgesamt 539.898 Stimmen mehr aus dem Wahlvolk erhalten hatte als Bush. Eine solche Situation, dass ein Kandidat mehr Wahlmännerstimmen als sein Kontrahent erhält, der jedoch aus dem Wahlvolk mehr Stimmen bekam, gab es in der US-Geschichte bis jetzt vier Mal. Erstmalig wurde der Wahlkampf jedoch durch einen Beschluss des Obersten Gerichtshofes beendet.

Der am 19. Januar 2001 vereidigte Präsident George W. Bush griff bei der Bildung seines Kabinetts und der Besetzung sämtlicher Führungsfunktionen auf einen Kreis von 50 Republikanern zurück, die seit über 30 Jahren in führenden Funktionen der Republikanischen Partei sowie im Washingtoner Establishment Erfahrungen gesammelt hatten und zur Denkschule des Neokonservatismus gehörten. Es entstand die "konservativste Regierung der modernen Zeit" (Washington Post). Die in den USA bestehende rechtskonservative Bewegung hatte praktisch das ganze Land - das Weiße Haus, beide Häuser des Kongresses, einen Großteil der Justiz und der Medien - unter ihre Kontrolle gebracht. Nach dem Kalten Krieg offenbarten sie ihre eigenen Vorstellungen zur Neuordnung der Welt, in der die Supermacht USA keinen Rivalen neben sich duldet.

Strategiepapier von 1992 zielt auf uneingeschränkte USA-Dominanz in der Welt

Bereits 1992 hatten Paul Wolfowitz, damals Staatssekretär und heute stellvertretender Minister im Verteidigungsministerium, und Lewis Libby, heute Stabschef bei US-Vizepräsident Cheney, im Auftrag des damaligen Verteidigungsministers ein Strategiepapier unter dem Titel "Defense Planning Guidance" (Richtlinie zur Verteidigungs-planung) entworfen, das die uneingeschränkte US-Dominanz in der Welt sowie den militärischen Erstschlag gegen potentielle Terrorstaaten forderte, und zwar unter Einsatz aller Mittel. Auf der Prioritätenliste der Terrorstaaten stand schon damals der Irak ganz oben, der Saudi Arabien als US-Basis in der gesamten Region des Nahen und Mittleren Ostens ablösen sollte.

Dieses Dokument ist 10 Jahre später zur Blaupause der US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik geworden. "Unser erstes Ziel", so wurde 1992 in dem genannten offiziellen Regierungsdokument unter Präsident Bush Senior hervorgehoben, "ist es, das Entstehen eines neuen Rivalen, ob auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion oder anderswo, zu verhindern, der eine Bedrohung ähnlicher Ordnung wie die frühere Sowjetunion darstellen könnte". Außenpolitisch bedeutete dies, "die hochentwickelten Industrieländer von jedem Versuch abzuhalten, unsere Führungsrolle in Frage zu stellen, oder die bestehende politische und wirtschaftliche Ordnung umzustürzen" sowie "Mechanismen zu erhalten, die möglichen Konkurrenten alle Hoffnungen auf eine größere regionale und globale Rolle nehmen".

Die sich organisierenden republikanischen neokonservativen Politiker wurden unter der Präsidentschaft des demokratischen Politikers Bill Clinton von Schalthebeln der Macht ausgeschlossen. Sie organisierten ein politisches Netzwerk mit Hilfe von Beratergremien und Denkfabriken und warfen Clinton vor, die US-Interessen im Ausland, besonders im Nahen und Mittleren Osten nur halbherzig zu vertreten. 1998 forderten sie den Präsidenten und den Kongress auf, Saddam Hussein mit militärischer Gewalt von der Macht zu entfernen, um so den Interessen der USA in der gesamten Region mehr Nachdruck zu verleihen. Auch auf einen Alleingang der USA müsse man vorbereitet sein, weil man sich dabei "nicht mehr auf ihre Partner aus dem (ersten) Golfkrieg verlassen" könne.

Studie vom September 2000 für ein neues amerikanisches Jahrhundert

Im September 2000 - kurz vor der Präsidentenwahl - beschworen die Neokonservativen in einer Studie zur "Wiederherstellung der amerikanischen Verteidigung - Strategien, Streitkräfte und Ressourcen für ein Neues Amerikanisches Jahrhundert" die Gefahr, dass bei einer Fortdauer der falschen Haltung zu Verteidigungsfragen, die sich angeblich unter Clinton eingebürgert hätte, die weltweite Vormachtstellung nicht mehr lange aufrecht erhalten werden könne. Es sei denn, dass "ein katastrophales und katalysierendes Ereignis wie ein neues Pearl Harbor eintritt".

Tatsächlich trat am 11. September 2001 ein solches Ereignis ein. Die Verfasser der genannten Studie saßen zu diesem Zeitpunkt bereits an den Hebeln der Macht. Von ihnen waren 10 Minister und Staatssekretäre in der Bush-Administration.

Was beinhaltet die unter Präsident Bush vorgenommene Zäsur in der Außen- und Sicherheitspolitik der USA?

Seit dem zweiten Weltkrieg bewegte sich die US-Außenpolitik im Rahmen internationaler Institutionen und Organisationen, internationaler Verträge und Konventionen. Worin die Unterschiede zwischen der Bush- und der Clinton-Administration auf diesem Gebiet bestehen, wird am Beispiel der Atomwaffen besonders deutlich. Die Clinton-Administration gab noch Milliarden Dollar für internationale Maßnahmen aus, um die weitere Ausbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Mit Hilfe spezieller Abkommen wie dem Atomsperrvertrag, dem Atomteststoppvertrag und der Ausweitung von Rüstungskontrollen sollten weitere Gefahren hinsichtlich Produktion und Anwendung von Atomwaffen abgewendet werden.

Bush-Administration und Senat gegen Atomteststoppvertrag: Für die an die Macht gekommenen Neokonservativen in der Bush-Administration und für die Mehrzahl der Republikaner im Senat war dieser unter Clinton noch vorzufindende vorsichtige multilaterale Zugang ein Gräuel. Sie lehnten alle Verträge ab, die den militärischen Spielraum US-amerikanischer Streitkräfte einschränkten, und sabotierten so die Ratifizierung des Atomteststoppvertrages, der von 106 Staaten unterzeichnet worden war. Ihr Plan bestand darin, potentielle Atommächte mit militärischen Drohungen von ihren Vorhaben abzubringen oder sie sogar anzugreifen, bevor deren Atomwaffen einsatzfähig werden.

Senator Kerry prangert Versagen der Bush-Administration in der Atomwaffenproblematik an und fordert ein neues weltweites Bündnis gegen Atomwaffen: Am 1. Juni 2004 erklärte der demokratische US-Präsident-schaftskandidat John Kerry, dass er für den Fall seiner Wahl im November 2004 eine schärfere Überwachung von Atomwaffen durchsetzen werde: "Wenn ich Präsident bin, wird Amerika weltweit führend sein bei der Sicherung von militärisch nutzbarem Nuklearmaterial, damit die Terroristen es niemals in die Hände bekommen." Bush habe nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zu wenig gegen das Risiko der Atomwaffennutzung durch Terroristen unternommen.

Auf einer Wahlkampfveranstaltung in Seattle hatte Senator Kerry den Präsidenten als einen Politiker attackiert, der die "arroganteste, ungeeigneteste, rücksichtsloseste und ideologischste Außenpolitik in der Geschichte der Vereinigten Staaten" betreibe. Diese Wertung konkretisierte er an der Haltung der Bush-Administration zu den Atomwaffenprogrammen: Das Versagen der Bush-Administration beim Umgang mit der internationalen Atomwaffengefahr bestehe darin, dass dieser der Rücken gekehrt wurde: "Wenn wir alles atomwaffenfähige Material sichern, dafür sorgen, dass keine Atomwaffen mehr hergestellt werden und die Atomprogramme in feindlichen Ländern wie Nordkorea und dem Iran beenden, wird die Gefahr von Terroranschlägen mit Atomwaffen dramatisch reduziert." Dafür wären zusammen mit anderen Ländern, vor allem mit Russland, Standards für die Aufbewahrung solcher Waffen auszuarbeiten. Alle Versäumnisse auf dem Gebiet einer gut funktionierenden internationalen Allianz müssten rasch beseitigt werden.

Geburt der neuen "National Security Strategy" - Doktrin der Präventivkriege

Am 20. September 2002 wurde die neue "Nationale Sicherheits-strategie" der Öffentlichkeit vorgestellt. Dieses Dokument markiert eine Zäsur in der US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik: Jetzt hatte man sich von der Strategie der Abschreckung und Eindämmung durch multilaterale Allianzen und kollektive Sicherheit verabschiedet. Statt dessen entwickelte die Bush-Administration eine Doktrin der Präventivkriege, laut der die USA jeden potentiellen Gegner militärisch angreifen können, bevor er eine Gefahr für die USA wird: "Die USA können sich nicht mehr wie in der Vergangenheit ausschließlich auf eine reaktive Haltung verlassen ....... Die Unfähigkeit, potentielle Angreifer abzuschrecken, die Aktualität der heutigen Bedrohungen und das Ausmaß des potentiellen Schadens, der durch die Wahl der Waffen unserer Feinde verursacht werden kann, verbieten diese Option. Wir dürfen es nicht zulassen, dass unsere Feinde zuerst zuschlagen."

"Wenn es um unsere nationale Sicherheit geht," so Bush, "brauchen wir niemandes Erlaubnis". Die USA könnten sich bei der Verfolgung ihrer vitalen Interessen nur auf sich selbst verlassen. Erfolgreich geführte Präventivkriege - auch bei Nichtübereinstimmung mit dem Weltsicherheitsrat der UNO und selbst ohne völkerrechtliche Billigung bzw. ohne völkerrechtliche Legitimation - seien die beste Hoffnung auf eine neue Weltordnung und eine "wahre Alternative zur Anarchie des erbärmlichen Scheiterns der Vereinten Nationen" schrieb Richard Perle im britischen "Spectator".

Fassen wir die Zäsur in der Außen- und Sicherheitspolitik der USA durch die Bush-Administration zusammen

Mit dem USA-Krieg im Irak als erstem Präventivkrieg neuer Prägung und der Ingangsetzung der neuen Außen- und Sicherheitspolitik der Bush-Administration vom September 2002 (auch als Bush-Doktrin bekannt) hat der Prozess der Militarisierung der US-Politik neue Dimensionen angenommen. Ausgelöst wurde er als Reaktion auf den Vietnam-Krieg. Nach Beendigung des Kalten Krieges kamen neue Merkmale hinzu. Nun wird der Prozess der Militarisierung der Politik, insbesondere der Außen- und Sicherheitspolitik, auf höherer Stufe fortgesetzt: Neue Formen der Kriegsführung, Militärausgaben, die höher sind als die der anderen NATO-Staaten zusammen genommen und im Jahr 2003 mit 417,4 Milliarden Dollar rund 50 Prozent sämtlicher Militärausgaben der Welt ausmachten, Militärbasen in weit über 150 Ländern der Welt, die US-amerikanische Militäraktionen in allen Regionen der Welt ermöglichen, ständige Forschungen nach Neuausrüstungen der Streitkräfte und Förderung militärischer Traditionen auf vielen Ebenen der Gesellschaft sollen besonders hervorgehoben werden. Und nicht zuletzt ist die zunehmende Macht der Militärs zu einem bevorzugten Instrument der US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik geworden.

Seit dem 16. Juni 2004 liegt die erste umfassende Analyse über die Kosten und Opfer im Irak-Krieg der USA vor. Im Neuen Deutschland vom 28. Juni 2004 berichtet Rainer Rupp darüber. Die liberale Denkfabrik "Institute for Policy Studies" (IPS) veröffentlichte einen 64 Seiten starken Bericht mit dem Titel "Die Zeche wird bezahlt". Die wachsenden Kosten des Irak-Krieges" (Paying the Price. The Mounting Costs of the Iraq-War). Die Autoren gehen von Gesamtkriegskosten in Höhe von 151,1 Milliarden Dollar aus. Sie kommen zu dem Schluss, dass bis Ende des Jahres 2004 jeder US-amerikanische Haushalt mindestens 3.415 US-Dollar mittragen muss. Aber nicht nur der Steuerzahler in den USA hat einen sehr hohen Preis für den Irak-Krieg zu zahlen. Sondern die Bürger der USA müssen darüber hinaus feststellen, dass es "sowohl zu Hause als auch rund um die Welt weniger sicher" geworden ist als vorher.

Die Autoren des genannten Berichts verweisen weiter darauf, dass für die 151,1 Milliarden Dollar 82 Millionen Kindern eine umfassende Gesundheitsfürsorge hätte gesichert werden oder fast drei Millionen Grundschullehrer hätten eingestellt werden können. Dieses Geld hätte auch dazu gereicht, weltweit die Zahl der hungernden Menschen zu halbieren und die Versorgung mit sauberem Wasser in den Ländern der Dritten Welt für zwei Jahre zu sichern.

Der Bush-Regierung ist es bisher nicht gelungen, wie Anfang 2003 der stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz verkündet hatte, die Kosten des Krieges mit den Verkaufserlösen irakischen Erdöls zu finanzieren. Bisher hatten die USA nur ca. 20 Milliarden Dollar aus den Verkaufserlösen irakischen Erdöls eingenommen. Und von den im September 2003 auf der Geberkonferenz in Madrid von der "Koalition der Willigen" angekündigten 13 Milliarden Dollar Hilfsgelder für Irak sind bisher nur 2 Milliarden Dollar - und die an die USA-Besatzungsbehörde - geflossen.

Zu den bisherigen Opfern im Irak-Krieg der USA sagt der Bericht: Über 850 getötete US-Soldaten und mehr als 5.134 Verletzte; auf irakischer Seite zwischen 9.436 und 11.317 tote Zivilisten und mehr als 40.000 Verletzte. Hinzu kommen zwischen 4.895 und 6.370 getötete irakische Soldaten und Widerstandskämpfer. Diese Zahlen schließen langfristige Gesundheitsrisiken nicht ein, die durch den Einsatz von bis zu 2.200 Tonnen angereicherter Uranmunition entstehen können.

Zu einzelnen Merkmalen der Außen- und Sicherheitspolitik der Bush-Administration
  • Die Neokonservativen in der Bush-Administration lehnen ein zivilisiertes Regelwerk in den internationalen Beziehungen ab. Sicherheit durch internationales Recht, internationale Verträge und internationale Institutionen sind für sie, wie es Richard Perle offen ausgesprochen hat, "liberaler Schwachsinn". Laut Experten-einschätzung ist ein solches Herangehen auf dem Gebiet des internationalen Rechts vor allem gegen drei Schlüsseldokumente der Neuzeit gerichtet:
    Erstens gegen den westfälischen Frieden von 1648, der das Prinzip der nationalen Souveränität und Nichteinmischung etablierte. Zweitens gegen die UN-Charta, die Gewaltanwendung nur zum Zweck der Selbstverteidigung oder unter einem Sicherheitsmandat für zulässig erklärte. Drittens gegen die Urteile des Nürnberger Kriegsverbrecher-tribunals, die präventive Angriffskriege als Kriegsverbrechen ansahen. In diese Richtung ist auch die Nichtanerkennung des Internationalen Gerichtshofes durch die Bush-Administration einzuordnen.
  • Unter den Neokonservativen hat sich ein besondern negatives Verhältnis zu den sog. Schurkenstaaten herausgebildet. Unter Schurkenstaaten verstehen sie nach Condolezza Rice jene Staaten, die den Terrorismus unterstützen, internationale Vereinbarungen missachten, undemokratisch sind, grundlegende Menschenrechte ablehnen und die USA hassen. Dies soll auf ca. 10 Staaten der Erde zutreffen. Präsident Bush spitzte die Einschätzung in seiner Rede an die Nation im Jahre 2002 sogar noch zu, als er den Irak, Iran und die KDVR (Nordkorea) als die "Achse des Bösen" charakterisierte.

    Die Neokonservativen in den USA vertreten ein Szenario, wonach Schurkenstaaten Atomwaffen entwickeln und danach streben würden, diese an Terroristen weiterzugeben. Daraus wiederum leiten sie die Notwendigkeit ab, gegen solche Staaten auch militärisch vorzugehen. Bis heute haben die USA einen Präventivschlag gegen Nordkorea nie ernsthaft erwogen, obwohl es der einzige der drei genannten Staaten ist, der tatsächlich über Atomwaffen verfügt.

    Im Weltbild der US-amerikanischen Neokonservativen ist Sicherheit vor allem eine Frage militärischer Stärke, die möglichst entschlossen gegen alle Feinde eingesetzt werden müsse. Präsident Bush erklärte in einer Grundsatzrede am 1. Juni 2002 an der Militärakademie in West Point: "Wir müssen die Schlacht zum Gegner tragen und auf die schlimmsten Bedrohungen antworten, bevor sie auftauchen. ... In der neuen Welt, die wir betreten haben, ist der einzige Weg zur Sicherheit der Weg des Handelns. Und diese Nation wird handeln." Weiter betonte er: "Wir müssen bereit sein, Schurkenstaaten und ihre terroristischen Klienten zu stoppen, bevor sie in der Lage sind, Massenvernichtungswaffen gegen die USA und unsere Freunde und Verbündete einzusetzen oder damit zu drohen." Das ist in der Tat ein Freibrief für eine Art Präventivkrieg, bei dem bereits eine hypothetische Bedrohung, die nur auf vagen Vermutungen basiert, einen Angriff rechtfertigt.
  • Im Gesamtkonzept der Neoliberalen in der Bush-Administration nimmt die Energieversorgung einen besonderen Raum ein. Die von ihnen angestrebte Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens soll nicht zuletzt helfen, die vorhandenen Probleme in der Energieversorgung des Landes langfristig zu lösen. Der Irak steht dabei im Zentrum ihrer Pläne.

    Der Irak hat nach Saudi Arabien in der Region des Nahen und Mittleren Ostens den zweitgrößten Schatz an Erdölvorkommen, vielleicht sogar den größten, wie einige Erdölexperten behaupten. Es gibt heute im Irak insgesamt 1.821 Quellen, die erschlossen sind und ausgebeutet werden. Und was noch wichtiger ist: Es handelt sich um billig zu erschließendes Erdöl und liegt nur ein paar Meter tief.

    Ein Vergleich mit US-amerikanischen Erdölquellen lässt ahnen, warum die Bush-Administration so scharf auf das Öl im Irak ist: 800 Ölquellen im Bundesstaat Texas liefern soviel wie e i n e Erdölquelle im Irak. Dazu kommt noch: In Texas kostet die Förderung eines Barrels Öl ungefähr 10 Dollar, in der Nordsee sogar bis zu 15 Dollar, aber im Irak nur einen Dollar. Fachleute rechnen für die nächsten 20 Jahre mit einem Verkaufspreis zwischen 26 und 31 Dollar pro Barrel Erdöl.

    Während die USA im Jahre 2003 unter den größten Erdölproduzenten der Welt nach Russland und Saudi Arabien mit 7,9 Millionen Barrel täglicher Fördermenge an dritter Stelle standen, führten sie unter den Ölverbrauchern mit 20 Millionen Barrel täglichem Verbrauch mit großem Abstand vor China, Japan, Russland, Deutschland und Indien. Während ein USA-Bürger im Schnitt täglich 26 Fässer Erdöl verbraucht, muss sich heute der chinesische Staatsbürger noch mit 1,8 Fässern und der indische sogar mit 0,9 Fass begnügen.

    In der Bush-Administration kennen sich Präsident, Vizepräsident und Handelsminister aufgrund ihrer früheren Tätigkeit im Ölgeschäft bestens über die Bedeutung dieses Rohstoffes aus. Cheney charakterisierte die künftige Situation wie folgt: "Wir werden jedes Jahr um zwei Prozent mehr Erdöl brauchen, dabei dürften die Fördermengen jährlich um drei Prozent fallen. Das ergibt bis 2010 eine Fehlmenge von 50 Millionen Barrel pro Tag" - sechsmal mehr, als Saudi-Arabien täglich fördert. Bereits der ehemalige Außenminister Kissinger hatte das Erdöl als zu wichtig eingeschätzt, um es den Arabern zu überlassen. Nicht zuletzt deswegen geriet der Irak in das Zentrum der Außen- und Sicherheitspolitik der Bush-Administration.

    Die Öl-Rechnung Washingtons ist bis jetzt nicht aufgegangen. Nach dem dreiwöchigen Triumph auf militärischem Gebiet sind die Schwierigkeiten für die Amerikaner auch auf dem Ölsektor immer größer geworden: Die irakische Erdölproduktion ist weit unter den von USA-Experten erhofften Fördermengen geblieben. Es werden nur 2,4 Millionen Barrel täglich produziert gegenüber 3,5 Millionen zu Hochzeiten von Saddam Hussein. Die jahrelange ungewartete Infrastruktur von den Förderanlagen bis zu den Pipelines erfordern Investitionen in Milliardenhöhe. Und die ausgesprochen komplizierte bzw. schlechte Sicherheitslage hat zu unvorstellbaren Problemen geführt. Seit dem offiziellen Kriegsende sind mehr als hundert Terroranschläge auf Pipelines und Produktionsanlagen verübt worden. Die USA waren gezwungen, mehr als 15.000 Wächter einzusetzen. Es ist davon die Rede, dass 9.700 Angehörige der USA-Armee die entstandenen Reparaturarbeiten bewachen mussten. So kommt es, dass im bisherigen Krieg um das irakischen Erdöl vorwiegend die privaten Sicherheitsfirmen verdienen konnten.

    In der Außen- und Sicherheitspolitik der USA werden auf dem Gebiet des Erdöls sowohl der Nahe und Mittlere Osten als auch die seit geraumer Zeit laufenden außergewöhnlichen USA-Aktivitäten in einigen Staaten der früheren Sowjetunion und in Westafrika eine große Rolle spielen.
  • Die abenteuerliche Außenpolitik der Bush-Administration im Irak hat das eigene Lager zutiefst gespalten.
    Es breitet sich immer mehr die Sorge aus, dass dadurch, wie es der bekannte Börsenspekulant und Milliardär George Soros ausdrückte, die Kooperation der USA mit vielen Ländern der Erde gefährdet würde. Soros entschloss sich dazu, gegen eine zweite Amtsperiode von Bush anzugehen und dem Kandidaten der Demokratischen Partei, Senator John Kerry, Millionen Wahlgelder zur Verfügung zu stellen. Ähnlich handelten viele Sponsoren der Demokratischen Partei, so dass Senator Kerry seit Mitte Juni 2004 mehr als 150 Millionen Dollar für seinen Wahlkampf zur Verfügung stehen.

    Die Kritik an Präsident Bush in den eigenen Reihen der Republikanischen Partei wird ebenfalls schärfer. James Webb, unter Präsident Reagan Staatssekretär für die US-Marine, spitzt das Problem aus US-Sicht zu: "Bush hat wohl den größten strategischen Fehler in der modernen Geschichte begangen. Um Klartext zu sprechen: Er hat das falsche Ziel angegriffen.... Er hat die Regierung eines Landes enthauptet, das die USA nicht unmittelbar bedrohte. Und damit hat er einen großen Teil unseres Militärs dauerhaft in einer Region festgefahren, die niemals Frieden gekannt hat. So hat unser Militär im weltweiten Krieg gegen den Terrorismus seine Flexibilität verloren, um sich nun in einem Land zu verteidigen, das die USA-Präsenz niemals vollkommen akzeptieren wird."
Die Außen- und Sicherheitspolitik der Bush-Administration steckt heute nach Meinung von Robert Kagan, Mitstreiter aus dem innersten neokonservativen Zirkel "zum ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg in einer Legitimationskrise ...,welche die Amerikaner nicht ignorieren können."

Kritik an der Außen- und Sicherheitspolitik der Bush-Administration

Im Verlaufe der Jahre 2003 und 2004 hat in den USA die Kritik an der Außen- und Sicherheitspolitik der Bush-Administration ein Ausmaß angenommen, das viele Experten bisher nicht für möglich hielten. Das Präsidentenwahljahr 2004 löste sicherlich gerade in dieser Richtung viele Aktivitäten aus.
Auf folgenden Gebieten lassen sich Veränderungen erkennen: Eine nachlassende Hysterie unter politisch denkenden Bürgern, ernüchternde Wirkungen durch die aufgedeckten und nachgewiesenen vielfältigen Lügen des Präsidenten und des Weißen Hauses hinsichtlich der Gründe für den Präventivkrieg der USA gegen den Irak. Übertreibungen außenpolitischer und sicherheitspolitischer Gefahren führten zu nachhaltiger Skepsis gegenüber der Regierungs-politik. Die in den USA seit dem Patriot-Act zunehmenden Beschränkungen in den Bürgerrechten im Namen des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus lassen nichts Gutes ahnen für die unmittelbare Zukunft.

Meinungen ehemaliger Diplomaten und Militärs

Am 16. Juni 2004 veröffentlichten 27 frühere ranghohe USA-Diplomaten und -Militärs ein Protestschreiben gegen die Außen- und Sicherheitspolitik der Bush-Administration. Durch diese Politik seien die USA wie noch nie zuvor in ihrer Geschichte "derart isoliert unter den Nationen" gewesen und hätten nie so viel "Furcht und Misstrauen" in der Welt ausgelöst. Präsident Bush vertrete eine "anmaßende Haltung zu Amerikas Rolle in der Welt" und verlasse sich dabei auf militärische Macht, "unempfindlich für die Sorgen unserer traditionellen Freunde und Verbündeten und verächtlich gegenüber den Vereinten Nationen".

Statt auf die "große wirtschaftliche und moralische Stärke" der USA zu setzen und andere Nationen in einer koordinierten Kampagne gegen die Ursachen des Terrorismus zu führen, habe die "mehr durch Ideologie als durch vernünftige Analysen" angetriebene Bush-Administration "auf eigene Faust losgeschlagen". Die Diplomaten und Militärs warfen der Bush-Regierung vor, "unsichere Beweismittel" über angebliche irakische Massenvernichtungswaffen manipuliert zu haben, um einen "schlecht geplanten und teuren Krieg zu finanzieren, dessen Ausgang unsicher ist". Mit ihren Beleidigungen der eigenen Verbündeten und ihrer Gleichgültigkeit gegenüber den Partnern in der Region habe sich die Bush-Administration einen Ausweg zusätzlich erschwert.

In dem Protestschreiben werden die USA-Bürger dazu aufgerufen, bei den Präsidentschaftswahlen im November 2004 nicht mehr für Bush zu stimmen. Dabei geht es nicht unbedingt um die Unterstützung des demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry, sondern um einen ausschließlichen Protest gegen Bush. William C. Harrop - unter Bushs Vater Botschafter in Israel, betonte: "Wir hatten das Gefühl, dass die Führungsrolle der USA sowohl durch den Stil wie auch den Inhalt der Politik dieser Regierung in einem furchtbaren Ausmaß Schaden genommen hat." Er und seine Kollegen sehen ihr Lebenswerk bedroht. Ihr Bemühen, die USA zu einem führenden und allseits respektierten Akteur auf der Weltbühne zu machen, sei durch Bush und seine Regierung untergraben worden - "durch ihre Arroganz, ihre Weigerung anderen zuzuhören, ihre Verachtung für multinationale Organisationen".

Bereits im Mai 2004 hatten 58 ehemalige Botschafter und Diplomaten die Nahost-Politik von Präsident Bush kritisiert. Sie warfen ihm vor, mit seiner Unterstützung für den Scharon-Plan eines einseitigen Abzugs aus dem Gaza-Streifen die Glaubwürdigkeit Washingtons als unparteiischer Vermittler zerstört zu haben.

Am 26. Mai 2004 druckte die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Brief von Roger Morris ab, der vor 34 Jahren als junger Diplomat seinen Dienst im Nationalen Sicherheitsrat wegen des Vietnam-Krieges quittierte. In diesem Brief fällte Morris ein vernichtendes Urteil über die Außen- und Sicherheitspolitik der Bush-Administration: Das Kabinett sei eine rücksichtslose "Clique von politischen Quereinsteigern und ideologischen Eiferern, die angeführt von dem außergewöhnlich mächtigen und insgeheim doktrinären Vizepräsidenten Cheney, nachrichtendienstliche Erkenntnisse manipulierten". Den Krieg gegen den Irak und die Besetzung Afghanistans hält Morris für fatal und den Mann, der diesen befehligt hat, nennt er uninformiert, achtlos, ignorant und verbohrt. "Sie dienen einem Präsidenten, dessen Außenpolitik die mit Abstand schlimmste in der Geschichte der Vereinigten Staaten ist."

Schließlich meldete sich der ehemalige USA-Botschafter im Irak, Joseph Wilson, zu Wort. Seine Kritik an der Bush-Regierung mündet in die Erkenntnis: "Amerika wird heute weltweit als die Bedrohung Nummer Eins angesehen, vor der Pest und anderen Seuchen. Das hat die Bush-Regierung geschafft." Mehrfach hat er den Satz geprägt: "Wenn alles so läuft, wie ich es mir wünsche, müsste Dick Cheney in Handschellen aus dem Weißen Haus geführt werden."

Zwei Wirtschaftswissenschaftler geißeln die schamlose Interessenpolitik der Bush-Regierung

Es seien hier die Analysen der beiden Professoren Paul Krugman von der Princeton Universität und Michel Chossudovsky von der Universität Ottawa hervorgehoben, weil sie in Sorge um die Entwicklungsprozesse in den USA und in der Weltwirtschaft dazu aufrufen, gegen die Geisterfahrt in der Außen- und Sicherheitspolitik der Bush-Regierung mit aller Konsequenz anzugehen. Sie verkörpern unter den Wirtschaftswissenschaftlern die Stimmen der politischen Opposition im besten Sinne des Wortes.

Der national und international anerkannte Professor Krugman analysiert in seinem Buch "Der große Ausverkauf" unwiderlegbare Fakten und Prozesse mit dem Nachweis, "wie die Bush-Regierung Amerika ruiniert". So der Untertitel dieses Buches, dem seine regelmäßigen Kolumnen in der New York Times zugrunde liegen. Für das Monatsmagazin "Washington Monthly" ist Paul Krugman "der wichtigste Kolumnist in Amerika." Die "Washington Post" sprach seinen Texten Kultstatus zu. Und anerkanntermaßen ist dadurch Krugman zum schärfsten Kritiker des Präsidenten avanciert.

Im Kern geht es Krugman "um die Führung - eine unglaublich schlechte, politisch wie wirtschaftlich verantwortungslose Führung, um es vorwegzunehmen". Bei Bush kommt "erschwerend hinzu, dass heute im Gegensatz zu früher nicht nur Amerika, sondern die ganze Welt unter der Inkompetenz oder den Fehlern amerikanischer Präsidenten leidet". Die heutige Führung der USA betreibe ein kühl kalkuliertes Lügenspiel, um ihre eigentlichen Ziele zu kaschieren. Er belegt seine Charakterisierung von Präsident Bush als Betrüger, Versager und Lügner an vielen konkreten Beispielen der Wirtschaftspolitik der jetzigen Regierung auf überzeugende Art und Weise.

Krugman geißelt die radikal Rechten in den USA als "eine Bewegung, die inzwischen fast alles in ihren Fängen hat: das Weiße Haus, den Kongress, einen Großteil der Justiz und der Medien. Diese Hegemonie verändert alles - die tradierten politischen (und verfassungsmäßigen) Regeln gelten nichts mehr ... Nimmt man die Agenden der Rechten zusammen, sieht ihr Amerika doch etwa so aus: ein Land, in dem es praktisch kein soziales Sicherungssystem gibt, das der Welt mit militärischer Gewalt seinen Willen aufzwingt, in dem an den Schulen Religion statt Evolution gelehrt wird und in dem demokratische Wahlen allenfalls noch ein Deckmäntelchen sind."

Die außenpolitischen Debatten in der Bush-Regierung und in den beiden Kammern des Parlaments lassen nach Krugman deutlich werden, dass die amerikanischen Rechten bereits seit 1992 auf einen Krieg im Mittleren Osten hinarbeiteten. Die vom ehemaligen Staatssekretär und jetzigen stellvertretenden Verteidigungsminister Paul Wolfowitz verfassten Dokumente belegen Schwarz auf Weiß die Forderung nach einer Irak-Intervention, verbunden mit einer Legitimierung militärischer Präventivschläge seitens der USA. Für Krugman ist klar, "dass zumindest der innere Kreis um Bush den Irak-Krieg lediglich als Einstieg betrachtet, als Teil der so genannten Bush-Doktrin, die ja nichts anderes besagt, als dass die USA ihre militärische Überlegenheit auf der ganzen Welt aggressiv und nach Gutdünken einzusetzen gedenken".

Paul Krugman kommt zu dem Schluss, dass die Bush-Doktrin ein Manöver ist, "um von den echten Problemen abzulenken: von funktionsuntüchtigen Sicherheitsorganen, der ökonomischen Talfahrt, dem katastrophalen Bundeshaushalt und der schwer gestörten Beziehung zu unseren Verbündeten".

Als zweiten Wirtschaftswissenschaftler, der sich auf imponierende Art und Weise mit der Außen- und Sicherheitspolitik der Bush-Regierung auseinandersetzt, ist Professor Michel Chossudovsky als einer der profiliertesten Ökonomen der internationalen globalisierungs-kritischen Bewegung zu nennen. Sein besonderes Verdienst besteht darin, dass er jene neoliberale Politik und der durch sie beförderten Praktiken der imperialistischen Hauptländer anprangert, die sie mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der Welthandelsorganisation gegenüber den Entwicklungsländern durchsetzen.

Am 10. Dezember 2003 würdigte die Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e. V. die außergewöhnlichen Leistungen von Michel Chossudovsky mit der Verleihung ihres Menschenrechtspreises. Seine Antwort auf die Laudatio widmete er dem Thema "Der Krieg der USA um globale Hegemonie". Einige Ausschnitte davon sollen hervorgehoben werden, dokumentiert im "Icarus", Heft 4/03:

"Wir befinden uns am Wendepunkt der ernsthaftesten Krise in der jüngsten Geschichte. Die Bush-Administration hat sich auf ein militärisches Abenteuer eingelassen, das die Zukunft der Menschheit bedroht. Die Kriege in Afghanistan und Irak sind Teil einer umfassenderen militärischen Agenda, die mit dem Ende des Kalten Krieges auf den Plan trat. Die gegenwärtig stattfindenden Kriege stellen die Fortsetzung des Golfkrieges von 1991 und der NATO-Aggression gegen Jugoslawien dar.

Die Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges ist darüber hinaus durch zahlreiche US-amerikanische Geheimdienstoperationen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion gekennzeichnet, welche dem Ziel dienten, Bürgerkriege in mehreren früheren Sowjetrepubliken zu provozieren bzw. eskalieren zu lassen, wie dies in Tschetschenien (innerhalb der russischen Förderation), Georgien und Aserbaidschan geschehen ist. In letztgenannten Ländern wurden diese geheimen Operationen mit dem Ziel der strategischen Kontrolle über Korridore für Öl- und Gasleitungen durchgeführt.

US-amerikanische Militär- und Geheimdienstoperationen wurden seit dem Ende des Kalten Krieges in Osteuropa, der früheren Sowjetunion und auf dem Balkan in enger Abstimmung mit den vom IWF diktierten "Reformen zu Etablierung eines freien Marktes" durchgeführt, welche die Destabilisierung der nationalen Wirtschaftssysteme und die Verarmung von Millionen von Menschen zur Folge haben.

Die von der Weltbank finanzierten Privatisierungsprogramme in diesen Ländern ermöglichten es dem westlichen Kapital, die Kontrolle über einen Großteil der Ökonomien der Länder des ehemaligen Ostblocks zu gewinnen. Dieser Entwicklung liegen auch Fusionen und Übernahmen strategisch wichtiger Teile der Ölindustrie der ehemaligen Sowjetunion durch große westliche Konzerne zugrunde, die durch Manipulation und korrupte Geschäftspraktiken zustande kamen.

In dem von den USA geführten Krieg geht es mit anderen Worten quasi um die Rekolonialisierung eines Gebietes, das sich vom Balkan bis nach Zentralasien erstreckt.

Die Entwicklung der US-amerikanischen Kriegsmaschinerie dient dazu, das ökonomische Einflussgebiet der USA zu vergrößern. Die Vereinigten Staaten haben nicht nur eine dauerhafte Militärpräsenz im Irak und in Afghanistan durchgesetzt, sie verfügen auch über Militärstützpunkte in mehreren ehemaligen Sowjetrepubliken entlang der chinesischen Westgrenze.

Krieg und Globalisierung gehen Hand in Hand. Die Militarisierung flankiert, unterstützt und sichert die Eroberung neuer ökonomischer Grenzen und der weltweiten Durchsetzung des Systems des freien Marktes."

"In den USA stimmen Republikaner und Demokraten in Bezug auf die Ziele des Krieges vollkommen überein. Kriegsverbrecher finden sich in den Reihen beider Parteien. Beide Parteien sind an der Vertuschung der Ereignisse des elften September und dem darauffolgenden Feldzug zur Durchsetzung weltweiter Hegemonie beteiligt. Alle Beweise deuten auf eine "Kriminalisierung des Staates", was die Gerichte und beide im US-Kongress vertretenen Parteien mit einschließt. Ihr Nutznießer ist allein eine kleine Zahl von Monopolkapitalisten. "Kriminalisierung des Staates" bedeutet, dass Kriegsverbrecher legaler Weise Führungspositionen einnehmen, die es ihnen gestatten zu entscheiden, wer an ihrer statt als Verbrecher bezeichnet und verfolgt werden soll. Unter der Agenda des Krieges können hohe Repräsentanten der Bush-Regierung, Angehörige des Militärs, des Kongresses und der Justiz sich nicht nur anmaßen, kriminelle Handlungen zu begehen, sondern darüber hinaus auch noch die, die sich in der Antikriegsbewegung diesen Verbrechen entgegenstellen, als "Staatsfeinde" zu diffamieren.

Das weltweit herrschende Wirtschaftssystem basiert auf sozialer Ungleichheit innerhalb der Gesellschaften sowie zwischen den Staaten. Eine gemeinsame Zielsetzung und die weltweite Koordination zwischen den verschuldeten Gruppen und sozialen Bewegungen sind daher von entscheidender Bedeutung. Eine riesige Anstrengung ist erforderlich, die die sozialen Bewegungen aller Weltteile unter dem gemeinsamen Ziel zusammenbringt, um die Armut aus der Welt zu schaffen und dauerhaft für weltweiten Frieden und Stabilität zu sorgen."

Polarisierung prägt das Präsidentenwahlkampfjahr 2004

Die USA erleben im Präsidentenwahlkampfjahr 2004 eine Phase der inneren Polarisierung: Die alten und die neuen Rechten bauen auf Präsident George W. Bush und dessen mögliche zweite Amtsperiode. Die Liberalen und Linken erwarten einen neuen Präsidenten, der sich gegenwärtig in der Person des liberalen Politikers Senator John Kerry als Präsidentschaftskandidat für die Demokratische Partei profiliert.

Geschichtliche Erfahrungen besagen, dass in den USA vor allem innenpolitische Themen für die Wahlergebnisse ausschlaggebend sind. Das Jahr 2004 hat jedoch einige Besonderheiten aufzuweisen, die untrennbar mit außen- und sicherheitspolitischen Problemen verbunden sind.

Präsident Bush erklärt sich als Kriegspräsident:
Krieg gegen den internationalen Terrorismus und Kriege der USA gegen Afghanistan und gegen den Irak. Deshalb erklärte das Bush-Wahlkampfteam Sicherheitsfragen zu einem Hauptthema für den gesamten Wahlkampf bis November 2004, weswegen sie den Parteitag der Republikanischen Partei zur endgültigen Nominierung des Präsidentschaftskandidaten auf Ende August/Anfang September nach New York verlegten, möglichst nahe zur Erinnerung an die terroristischen Ereignisse vom 11. September 2001. Beim Heimatschutz und beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus genießt Präsident Bush in der US-Bevölkerung zur Zeit noch größeres Verständnis als Senator Kerry, was sich bis November jedoch ändern kann.

Auf die Feststellungen von Bush "der Irak bietet den USA eine historische Gelegenheit, die Welt zu verändern" und insgesamt sei die "Befreiung Iraks" ein Meilenstein zur Demokratisierung der gesamten Region des Nahen und Mittleren Ostens, entgegnete Senator Kerry am 13. April 2004 auf einer Pressekonferenz: Der Präsident ist der Frage ausgewichen, wie er den Irak zu stabilisieren gedenkt: "Wir brauchen im Irak eine Kursänderung. Wir müssen die Anstrengungen internationalisieren und die amerikanische Besatzung beenden. Wir müssen andere Länder am Wiederaufbau beteiligen. Wir müssen die politische Macht der UNO übergeben."

Diese Entgegnung von Kerry stellt eine Fortsetzung seiner Meinungsäußerung vom 16. Dezember 2003 dar. "Der Preis, den Amerika für den Unilateralismus zahlt, ist zu hoch. Wir bezahlen ihn mit Mitteln, die wir besser in die innere Sicherheit und das Gesundheits- und Bildungswesen unseres Landes gesteckt hätten ... Dieser Krieg geht auf Kosten unserer Anerkennung in der Welt. Und was noch schwerer wiegt, wir zahlen ihn mit dem Leben junger Amerikaner, die gezwungen sind, die Last unserer Mission allein zu tragen."

Am 28. Mai 2004 nutzte Senator Kerry den 60. Jahrestag des D-Day dazu, vor Veteranen und Studenten in Seattle weitere harte Kritik an der Außen- und Sicherheitspolitik der Bush-Regierung zu üben: Als erster Präsident in der Geschichte der USA nach dem zweiten Weltkrieg habe Bush darauf verzichtet, Allianzen zu bilden und so dem Ansehen der USA geschadet. Er habe mit seinem Verhalten "das Erbe von Generationen amerikanischer Führer" riskiert.

Senator Kerry listet die Fehler der Politiker im Weißen Haus auf: "Sie wählten Gewalt, bevor sie die diplomatischen Mittel ausgeschöpft hatten. Sie zwangen, wo sie hätten überreden sollen. Sie sind allein losgezogen, als sie ein gesamtes Team hätten versammeln sollen. Sie haben auf das Beste gehofft, als sie mit dem Schlimmsten rechnen sollten. Sie haben Amerika unsicherer gemacht." Gleichzeitig machte Kerry klar, dass auch er den Kampf gegen El Quaida und ihre Verbündeten fortsetzen werde: Zweifellos sei dieses Land vereint in seinem Kampf gegen den Terrorismus, allerdings werde er die amerikanische Nation niemals dazu auffordern, einen Krieg zu führen, ohne einen Plan dazu zu haben, wie auch der Frieden zu sichern sei. Wenn er Präsident der USA werde, wolle er als erstes das Militär reformieren, um es den Anforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen. Gleichzeitig plane er, die USA von ihrer Abhängigkeit vom Öl des Nahen Ostens zu befreien.

Senator Kerry blieb in seinen Forderungen hinter denen von Ex-Vizepräsident Al Gore zurück. Dieser hatte tags zuvor die gesamte Regierungsmannschaft mit Ausnahme von Außenminister Colin Powell zum Rücktritt aufgefordert. Trotzdem messen politische Beobachter dem Vorstoß von Senator Kerry gegen Präsident Bush eine neue Qualität im Wahlkampf bei. Nach Meinung der New York Times hat vor allem Kerrys außenpolitisches Team, das zum Großteil aus der ehemaligen Clinton-Administration stammt, zu dieser Attacke geraten.

Vorteile des amtierenden Präsidenten gegenüber seinem Herausforderer im Wahlkampf

Der Präsident kann kritische Äußerungen seines Herausforderers zurückweisen und gegenteilige Inszenierungen in der Medienwelt verbreiten lassen.
Im April 2004 hatte Senator Kerry öffentlich erklärt: "Was wir jetzt brauchen, ist ein Regimewechsel nicht nur im Irak, sondern auch hier bei uns zu Hause." Darauf erklärte der Vorsitzende des Nationalen Ausschusses der Republikanischen Partei: "Senator Kerry über-schreitet eine absolute Grenze, wenn er in Kriegszeiten eine Ablösung des amerikanischen Oberbefehlshabers zu fordern wagt." Kerry wurde mangelnder Patriotismus vorgeworfen. Die Neokonservativen wollten selbst entscheiden, wer ein Staatsfeind ist und wer nicht. Es kümmerte sie nicht, dass es sich bei Kerry um einen hochdotierten Vietnam-Veteranen handelt, der in punkto Vaterlandsliebe keiner Belehrung bedarf.
Präsident Bush wollte bis Anfang Juni 2004 mit einer 100 Millionen Dollar teuren "Blitzkampagne" seinen Gegner Kerry zugrunde richten. Er sollte als unpatriotisch, unentschlossen und führungsschwach hingestellt werden.

Der Präsident kann das Weiße Haus bei der Vorbereitung seiner Wahlauftritte nutzen.
Dafür ist sein Wahlkampfteam unter Führung von Karl Rove zuständig. Dieser sammelte in den Jahren 2000 und 2002 viele Erfahrungen, wie man durch exakte, umfangreiche und bis ins Detail ausgerichtete Vorbereitungen der Auftritte des Präsidenten Wählerstimmen sammeln kann. Der Bundesstaat Florida spielte bei den letzten Präsidentenwahlen - wie erwähnt - eine besondere Rolle. Nach Rove ist für die Republikanische Partei dieser Bundesstaat auch im Wahljahr 2004 der Dreh- und Angelpunkt. In allen 67 Wahlbezirken Floridas werden 3.000 festangestellte Wahlhelfer und dazu 70.000 freiwillige Wahlhelfer für Bush tätig sein. Als Motto für die Aktivität dieser Helfer wurde ausgegeben: "Es geht diesmal mehr als nur um das Weiße Haus. Es geht um die Existenz einer Bewegung."

Sicherung der Wahlkampffinanzierung:
In den USA erhalten Parteien ab 5 % Wählerstimmen staatliche finanzielle Unterstützung. Im Wahljahr 2000 bekamen die Republikanische Partei insgesamt 65,56 Millionen Dollar und die Demokratische Partei insgesamt 83 Millionen Dollar. Dazu kamen Sponsorengelder, so dass die Republikanische Partei schließlich über 175,4 Millionen Dollar und die Demokratische Partei über 133,4 Millionen Dollar Wahlhilfegelder verfügten. Mitte April 2004 hatte Präsident Bush eine Rekordsumme von 180 Millionen Dollar zusammen. Senator Kerry soll zu diesem Zeitpunkt fast blank gewesen sein. Inzwischen hat letzterer aufgeholt, so dass ihm bis Mitte Juni 2004 Spendengelder in Höhe von 150 Millionen Dollar zur Verfügung standen. Offensichtlich spielen die Konzerne der verschiedenen Branchen in der Industrie sowie die Banken und Versicherungen wieder auf beiden Klavieren der großbürgerlichen Parteien.

Lobby-Einfluss verstärken:
In Washington, D.C., sind mindestens 16.000 Lobbyisten offiziell registriert, deren Aufgabe darin besteht, Regierung und Kongress in ihren Entscheidungen zu beeinflussen und Sponsorengelder für alle Mitglieder des Kongresses zu sammeln. Darüber hinaus sind ganze Verbände, Organisationen und Vereine mit ihrer Lobby-Tätigkeit sehr gefragt. Mitte April tagte die 133. Mitgliederversammlung der National Rifle Association (NRA), an der Vizepräsident Dick Cheney als Vertreter der Republikanischen Partei teilnahm und für Bush und sich selbst kräftig warb. Diese Organisation mit 4 Millionen Mitgliedern, einem Jahreshaushalt von rd. 200 Millionen Dollar, dem Vertrieb von einem Dutzend vielgelesener Zeitschriften und hervorragend funktionierenden Verbindungen zu Kongressmitgliedern vertritt 65 Millionen Waffenbesitzer in den USA mit mehr als 200 Millionen registrierten Pistolen und Gewehren. Von führenden Repräsentanten der NRA wurden Präsident Bush und vor allem Vizepräsident Cheney kräftig unterstützt.

Nutzung ethnischer Fragen und Probleme durch staatliche Regulierungsmaßnahmen:
Millionen Bürger in den USA aus Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens warten auf die Möglichkeit, Staatsbürger der USA zu werden. In den letzten Wochen wurden in einigen Bundesstaaten der USA die Bedingungen für diesen Schritt erleichtert. Das könnte sich durchaus auf das Wahlverhalten ehemaliger Bürger aus diesen Ländern auswirken. Anderes Beispiel: Präsident Bush hat bei seinen Afrika-Reisen versprochen, dass die USA umfangreiche finanzielle Hilfe zur Bekämpfung von Aids leisten werden. In den letzten Tagen wurden erste Entscheidungen in dieser Richtung getroffen, womit sicherlich US-Bürger afrikanischer Herkunft zu beeinflussen sind. Und ein letztes Beispiel: Von den insgesamt 135.000 Angehörigen der US-Armee im Irak sind etwa 40.000 noch keine Staatsbürger der USA. Sie besitzen als Immigranten vorwiegend aus latein-amerikanischen Staaten eine Green Card, damit sie als Söldner tätig werden können. Ihnen wurde versprochen, nach erfolgreichem Einsatz im Irak legitime Staatsbürger der USA werden zu können.

Bis zum 2. November 2004 sind noch viele "Gefechte" zwischen dem amtierenden Präsidenten und seinem Herausforderer zu erwarten. Neun Abgeordnete der Demokratischen Partei wollen mit einem Schreiben an den UNO-Generalsekretär verhindern, dass sich die chaotischen Zustände am Ende des Wahljahres 2000 wiederholen. Damals ließ die Los Angeles Times in 42 US-Bundesstaaten eine Studie über das Wahlsystem in den USA mit dem Ziel anfertigen, Unregelmäßigkeiten während der Wahlen herauszufinden. Man fand ein "schwammiges System vor..., weil Stimmen gekauft, gestohlen, falsch gezählt, verloren, weggeschmissen oder nach Dänemark geschickt worden waren". Dies dürfe sich 2004 nicht wiederholen. Deshalb baten die neun Abgeordneten um die Entsendung von Wahlbeobachtern für den Urnengang am 2. November 2004: "Als Kongressabgeordnete müssen wir sicher gehen, dass unsere Nation nicht noch einmal den Albtraum der Wahl von 2000 erlebt."

Prof. Dr. Rolf Sieber, Ökonom, früherer Botschafter der DDR in den USA.
Der Text erschien als Broschüre des Europäischen Friedensforums-epf, deutsche Sektion im August 2004.



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