"Die Drogen, das Öl und der Krieg. Zur Tiefenpolitik der USA"
Zweitausendeins legt ein materialreiches Buch von Peter Dale Scott vor. Buchbesprechung
Von Thomas Immanuel Steinberg*
Afghanistan ist verheert, Kolumbien siecht, Indochina hat jahrzehntelang geblutet. Warum das Gemetzel, warum die Bomben? Peter Dale Scott verengt die weite Frage nach dem Warum von Kriegen auf ein bescheidenes Worum: Worum kämpften die Kriegsgegner, worum vor allem die Weltmacht, die an all den Kriegen beteiligt war? Der Buchtitel »Die Drogen, das Öl und der Krieg« liefert die Stichworte: um Öl und um Heroin in Afghanistan, um Kokain in Kolumbien, um Opium in Indochina. Beide, Öl und Drogen, waren Ziel und Mittel in allen drei Kriegsgebieten. Ziel der USA ist die Sicherung von Öl sowohl für den eigenen als auch vor fremdem Bedarf, sowohl für die eigene Kriegsmaschine als auch vor fremdem Einsatz. Drogen finanzieren den Kriegs- und Geheimdienstapparat, den eigenen und den der Vasallen, sobald öffentliche Finanzierung sich verbietet. Dem Gegner müssen sie entrissen werden, oder sie werden vernichtet.
Scott ist promovierter Politikwissenschaftler. Er stand in kanadischen diplomatischen Diensten und veröffentlichte in den letzten dreißig Jahren Studien zu Indochina, zum Kennedy-Mord, zur Watergate- und zur Iran-Contra-Affäre und zu Lateinamerika. Er schöpft aus umfangreichen Detailkenntnissen über die US-Außenpolitik. Behauptete Zusammenhänge belegt er sorgfältig und aus der Distanz des ursprünglich Landesfremden. »Für mich erfüllt (der Angriff auf Vietnam – der Rez.) den Tatbestand einer »Kriegsverschwörung«, auch wenn es sich hierbei nicht um eine abgrenzbare Gruppe von Verschwörern handelte, sondern um ein durchgängiges Muster aus Komplotten und Täuschungen, an denen diverse Personen beteiligt waren, die miteinander gar nicht in Verbindung standen.« Scott ergänzt: »Ich habe diesen Prozeß mit den ›wechselnden Teilnehmern an einem illegalen Glücksspie‹ verglichen, bei dem die Kontinuität nicht die Spieler, sondern die Motive betrifft.«
Beherrschendes Motiv aller Interventionen war das Öl, auch im Drogenland Kolumbien. Wie Scott zeigt, begann das US-Interesse an Kolumbien ein Jahr, nachdem Occidental Oil 1983 das Milliarden-Barrel-Feld Cańo Limon entdeckt hatte. Die Anti-Drogen-Programme der USA verschärften in jeder späteren Phase das Problem, das sie zu lösen vorgaben. Die Verschärfung stelle die US-Regierung in Kolumbien, wie schon in Vietnam und Laos, »vor die unglückliche Alternative, entweder ihre erfolglosen Programme fortzuführen und auf eine neue Ebene zu heben, die alles nur schlimmer macht, oder aber sich zurückzuziehen.«
Charakteristisch sei die Beschränkung auf das Militärische. Ein Entwicklungsprogramm, der sogenannte Kolumbienplan, habe nichts genutzt. »Da er keine kohärenten Ziele für das südamerikanische Land formuliert, ist er lediglich ein Gottesgeschenk für die üblichen Lieferanten von Munition, Herbiziden und Hubschraubern (allein mit Sikorsky Aircraft wurde ein Vertrag in Höhe von 234 Millionen Dollar abgeschlossen). Außerdem nutzt das Pentagon die Gelegenheit, um neue Militärbasen wie Manta in Ecuador aufzubauen; von dort hofft man (nach dem Verlust wichtiger Stützpunkte in Panama) auch weiterhin die gesamte ölreiche Region beherrschen zu können. Die Erdölindustrie erhofft sich – wenn auch nicht öffentlich – von dem Plan ein Ende der von der Nationalen Befreiungsarmee ...verfolgten Taktik, die Pipelines der Ölgesellschaften in die Luft zu sprengen. Vor allem aber benutzt das Pentagon den Plan, um ausgelagerte Teile ihrer Infrastruktur, an deren Erhalt es interessiert ist, mit lukrativen Verträgen und fetten Gewinnen zu versorgen; das gilt insbesondere für den Bereich des militärischen Lufttransports und für private Sicherheitsdienste (DynCorp und MPRI).«
Scott belegt seine Behauptungen über Motive und Eigendynamik des politischen Prozesses durch nachprüfbare Quellenangaben. Zeugnisse einstiger Befürworter der US-Pläne und überzeugter Gegner revolutionären Bewegungen härten die Argumentationskette. Wiederholungen in Kurzform langweilen nicht, sondern fördern das Verständnis für die Zusammenhänge im Faktengewirr. Das Deutsch des Übersetzers macht Freude. Die Anmerkungen sind nach Kapiteln gruppiert ans Ende des Buchs gestellt und auffindbar gekennzeichnet. Nicht allen Lesern bekannte Begriffe, wie die Kent-State-Erschießungen, Lucky Luciano oder der McCarran-Ausschuß, sind gekennzeichnet und in einem Glossar unter Angabe der Seite erläutert. Ein Namens- und Sachregister macht das Buch zu einem kleinen Nachschlagewerk.
Peter Dale Scott hält sein materialistisches Politik- und Geschichtsverständnis konsequent durch. Er verficht weder eine Klassentheorie, noch sympathisiert er mit dem Sozialismus. An Scotts Stoffreichtum und seine übersichtliche Argumentation könnte ein sachkundiger Klassenanalytiker mit Gewinn anschließen.
Peter Dale Scott: Die Drogen, das Öl und der Krieg. Zur Tiefenpolitik der USA. Aus dem Amerikanischen von Michael Bischoff.
Zweitausendeins: Frankfurt am Main 2004, 384 Seiten, 14,90.
Das Buch ist nur über die Zweitausendeins-Geschäfte oder den Zweitausendeins Versand Dienst, Postfach 610637, 60348 Frankfurt am Main, zu beziehen. Tel.: 069/4 20 80 00; Fax: 069/41 50 03; E-Mail: service@zweitausendeins.de; Internet: www.zweitausendeins.de
* Die Besprechung war auch abgedruckt in der Wochenendbeilage der "jungen Welt", 21. August 2004
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