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Obama plant den größten Waffendeal der USA

Regierung will Kongress-Zustimmung für Lieferung an Saudi-Arabien

Von Olaf Standke *

Die Regierung von Barack Obama hat jetzt den Washingtoner Kongress offiziell um die Genehmigung für ein milliardenschweres Waffengeschäft mit Saudi-Arabien gebeten – es ist das größte in der Geschichte der USA. Schon als das »Wall Street Journal« vor einiger Zeit erste Einzelheiten des seit Monaten hinter verschlossenen Türen verhandelten Mega-Deals durchsickern ließ, konnten die Waffenhändler dieser Welt nur vor Neid in den Griff ihrer Lieblingspistole beißen: 85 neue F-15-Kampfflugzeuge, 70 »Apache«- Kampfhubschrauber, 108 Helikopter vom Typ »Black Hawk« und »Little Bird« – in den Kassen von Boeing und Sikorsky Aircraft, einer United-Technologies-Tochter, wird es auf Jahre hinaus kräftig klingeln.

Allein der Boeing-Konzern rechnet nach eigenen Angaben für die Gesamtdauer des Geschäfts mit einem Gewinn von »rund 24 Milliarden Dollar« (17 Mrd. Euro). Etwa 77 000 Angestellte und Auftragnehmer sollen für den Profit arbeiten. Der geplante Verkauf an Saudi-Arabien habe ein »beträchtliches« Volumen, sagte jetzt ein Vertreter des Washingtoner Außenministeriums und sprach von bis zu 60 Milliarden Dollar (43 Mrd. Euro). Er soll dabei die Modernisierung von 70 weiteren Kampfflugzeugen und die Lieferung lasergelenkter Munition einschließen.

Es wäre das größte Rüstungsgeschäft in der Geschichte der USA, und das will etwas heißen, führt die Supermacht doch seit Langem die globale Hitliste der Todeshändler an. Sie konnte in den vergangenen Jahren nach einer Studie des US-Kongresses ihren Spitzenplatz sogar weiter ausbauen. Laut »New York Times« hatten die unterschriebenen Waffenkontrakte 2008 einen Wert von 37,8 Milliarden Dollar, im Jahr zuvor waren es noch 25,4 Milliarden gewesen. Wie es in einer aktuellen Analyse des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes SIPRI heißt, seien die USA 2009 für 30 Prozent der weltweiten Waffenlieferungen verantwortlich gewesen, wobei 39 Prozent der Geschäfte mit Kampfflugzeugen gemacht werden.

Für die Lieferung an Saudi-Arabien, die sich über einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren erstrecken könnte, ist das Plazet des Kongresses erforderlich.

In diesem parlamentarischen Zustimmungsverfahren könnten sich noch Änderungen ergeben, doch sind sich die Beobachter einig, dass das Geschäft letztlich abgenickt wird. Zumal laut US-amerikanischen Medien die Obama-Regierung mit Blick auf Israels Interessen darauf verzichtet, neue Raketensysteme an Saudi-Arabien zu liefern. In Tel Aviv hatte man mit Verärgerung reagiert, als der Deal bekannt wurde.

Mehr noch: Die USA verdienen im Nahen Osten auf allen Seiten. So sollen fast zeitgleich 52 der höher entwickelten F-16-Maschinen an Israel gehen. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die israelische Regierung außerdem 20 Tarnkappenflugzeuge vom Typ F-35 kaufen werde. Das Waffengeschäft hat ein Gesamtvolumen von rund 2,25 Milliarden Dollar. Die Mehrzweck-Kampfjets des Rüstungskonzerns Lockheed Martin – Stückpreis rund 100 Millionen Dollar – sollen dank ihrer Flugeigenschaften im Fall der Fälle unentdeckt bis Iran fliegen können. Der Generaldirektor im israelischen Verteidigungsministerium, Ehud Schani, erklärte nach Angaben der Zeitung »Haaretz«, dass sie für sein Land die Machtbalance in der Region veränderten, da man künftig über die modernsten Kampfflugzeuge im Nahen Osten verfügen werde.

Grundsätzlich sehe die Obama-Regierung das nun angestrebte Geschäft mit Saudi-Arabien als Teil des Vorhabens, die Verbündeten der USA in der Golfregion gegen die aufstrebende Regionalmacht Iran aufzurüsten, heißt es in Washington. SIPRI sieht dagegen die Gefahr eines regelrechten Wettrüstens in einer besonders spannungsgeladenen Region und befürchtet eine weitere Destabilisierung in Nahost. Zu der auch deutsche Waffenschmieden beitragen.

Der Schusswaffenhersteller Heckler & Koch (H&K) aus Oberndorf am Neckar etwa baut zur Zeit eine komplette Produktionsanlage für das Sturmgewehr G 36 in Saudi-Arabien auf, obwohl die deutschen Rüstungsexportrichtlinien und der EU-Verhaltenskodex verbieten, Kriegswaffen dorthin zu liefern, wo die interne Stabilität eines Staates oder die zwischenstaatliche Stabilität einer Region gefährdet sind. So darf nicht die Gefahr bestehen, dass exportierte Waffensysteme für Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden. Doch sei die Lage in Saudi-Arabien, wo beispielsweise die Meinungs- und Versammlungsfreiheit unterdrückt würden, »weiterhin sehr besorgniserregend«, wie Mathias John von Amnesty International betont.

* Aus: Neues Deutschland, 22. Oktober 2010


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