Vizepräsident auf Mission Partnerschaft
Biden versuchte, Irritationen im Verhältnis der USA zur Ukraine und Georgien auszuräumen
Irina Wolkowa, Moskau *
Es war ein umfangreiches Programm, das US-Vizepräsident Joe Biden bei seinen Besuchen in der
Ukraine und Georgien zu absolvieren hatte. In beiden Staaten traf er sich sowohl mit den
Präsidenten als auch mit den Regierungschefs und mit der Opposition.
Die Botschaft war eindeutig: Der Neustart der russisch-amerikanischen Beziehungen, den Barack
Obama bei seinem Moskau-Besuch Anfang Juli mit Präsident Dmitri Medwedjew vereinbarte, werde
nicht zu Lasten der prowestlichen ehemaligen Sowjetrepubliken erfolgen. Seine Reise, sagte Biden
in Kiew, wo er unter anderem Hilfe bei der Modernisierung der Gaspipelines zusagte, sei lange vor
Obamas Abstecher nach Moskau vereinbart worden. Biden, meinten russische Medien, sei jedoch
außenpolitisch erfahrener als Obama, daher sei ihm die Mission zugefallen, Irritationen bei
Washingtons Parteigängern auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR auszuräumen. Das ist ihm
weitgehend gelungen.
Mit stürmischem Beifall quittierte das georgische Parlament Worte des Vizepräsidenten, wonach das
laut Biden von Moskau vertretene Konzept von Einflusssphären ein Relikt des 19. Jahrhunderts sei.
Im 21. Jahrhundert seien alle Staaten frei, selbst zu entscheiden, welchen Bündnissen sie beitreten
wollten. Das gelte auch für die von Tbilissi und Kiew angestrebte NATO-Mitgliedschaft. Unmittelbar
vor Bidens Besuch hatte das »Wall Street Journal« Georgiens Präsidenten Michail Saakaschwili mit
den Worten zitiert, nach dem Augustkrieg müsse Washington einschlägige Hoffnungen »wohl zu
Grabe tragen«. Sein Sprecher dementierte: Der Staatschef sei falsch verstanden worden.
Szenenapplaus bekam Biden auch für Zusicherungen, die USA würden die Unabhängigkeit der
abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien nie anerkennen und auf dem Rückzug der
russischen Truppen in jene Gebiete bestehen, in denen sie vor dem Kaukasuskrieg stationiert
waren. Für das Treffen mit Biden hatte das georgische Parlament seine Sommerpause
unterbrochen, zugegen waren das gesamte Kabinett, sowie die Verwaltungschefs der Regionen und
Distrikte.
Danach traf der US-Amerikaner mit Kriegsflüchtlingen und Oppositionsvertretern zusammen. Diese
-- unter anderem die frühere Parlamentschefin Nino Burdschanadse -- setzt sich ebenfalls für eine
schnelle Integration Georgiens in westliche Strukturen ein, sieht in Saakaschwilis emotional
aufgeladener Politik jedoch das Haupthindernis dafür und fordert Neuwahlen. Ihre Vertreter
beklagten sich zudem über den autoritären Führungsstil Saakaschwilis, Verfolgung von
Regimegegnern und Druck auf die Medien.
Russische Medien vermuten, Biden habe sich bei dem Treffen mit der Opposition auch einen
Überblick verschaffen wollen, wer als Nachfolger für Saakaschwili zur Verfügung stünde. Georgische
Politologen halten einen Wechsel an der Staatsspitze allerdings für Wunschdenken.
* Aus: Neues Deutschland, 27. Juli 2009
Weitere Meldungen
Clinton beschwichtigt Russland nach Bidens Attacke
MOSKAU, 27. Juli (RIA Novosti). Die USA streben laut Außenamtschefin Hillary Clinton nicht nur eine Verbesserung der Beziehungen an, sondern wollen auch ein starkes, friedliches und gedeihendes Russland sehen.
"Wir betrachten Russland als eine Großmacht", führte sie weiter aus. "Jedes Land ist heute mit Problemen konfrontiert: Wir haben unsere Probleme, Russland hat seine. Es gibt eine Reihe von Fragen, die Russland selbständig bewältigen muss", sagte Clinton in einem Interview für die Zeitung "Wall Street Journal".
Damit nahm sie Stellung zu den jüngsten Äußerungen von US-Vizepräsident Joe Biden, der zuvor in der gleichen Zeitung auf eine klägliche Lage der russischen Wirtschaft verwies, weswegen Moskau zu Zugeständnissen gegenüber dem Westen gezwungen sei und seine internationalen Interessensphären stark ändern werde.
Zugleich wiederholte die US-Außenministerin, wenn auch in einer milderen Form als Biden, dass Russland den postsowjetischen Ländern wie Georgien und die Ukraine nicht seinen Willen aufzwingen soll. "Das sind die Einstellung und die Politik, die wir ablehnen", sagte Clinton. "Jedes Land in Osteuropa, das seinerzeit ein Teil der Sowjetunion war, hat das Recht, die Allianz zu wählen, der es sich anschließen möchte."
Zuvor hatte Russlands Präsident Dmitri Medwedew darauf hingewiesen, dass die Nordatlantische Allianz mittlerweile verstanden hat, dass Kiew und Tiflis noch nicht zu einer Nato-Mitgliedschaft bereit seien.
US-Presse zu Bidens Reise: Trostpflaster des Weißen Hauses für Kiew und Tiflis
NEW YORK, 27. Juli (RIA Novosti). Die US-Medien haben die Besuche des US-Vizepräsidenten Joe Biden in der Ukraine und in Georgien als Trostpflaster für die Länder ausgelegt, die über die sich anbahnende Annäherung zwischen Moskau und Washington besorgt sind.
"Durchaus verzeihlich ist die Beunruhigung der demokratisch gewählten prowestlichen Regierungen darüber, dass das ,Reload' der Beziehungen mit Russland auf ihre Kosten geschehen könnte", schreibt die "Washington Post". "Deshalb hat Vizepräsident Biden diese wichtige Mission in beiden Metropolen unternommen."
Nach Ansicht des Blattes ist es Biden gelungen, diese Beunruhigung zu zerstreuen und amerikanische Unterstützung zu demonstrieren.
Zugleich sei Kiew aufgerufen worden, die innenpolitischen Streitereien ad acta zu legen und gemeinsam nach Wegen zur Verringerung der Abhängigkeit von den russischen Gaslieferungen zu suchen. Tiflis habe statt amerikanischen Waffenlieferungen eine Aufforderung zur politischen Reform bekommen.
Biden habe zudem betont, dass das Problem der abtrünnigen Republiken Abchasien und Südossetien nur auf friedlichem Wege geregelt werden kann.
"Wahrscheinlich hat die Administration Obamas Recht, wenn sie in der Frage des Waffenverkaufs Zurückhaltung an den Tag legt, obgleich US-Instrukteure weiterhin Georgiens Armee trainieren", schreibt die "Washington Post".
Nach Ansicht von Steven Pifer, ehemaliger US-Botschafter in der Ukraine, hat Biden eine "unnachgiebige Liebe" gegenüber der Ukraine und Georgien gezeigt: Er hat zwar seine Unterstützung bekundet, sich zugleich aber von den Präsidenten Viktor Juschtschenko und Michail Saakaschwili distanziert, die ihre frühere Popularität verlieren.
"Der Besuch Bidens sollte den Moskau-Besuch von Barack Obama ausbalancieren, in beiden Ländern erwies sich aber seine Botschaft als unnachgiebig", kommentierte der Experte die Ergebnisse dieser Besuche auf der Webseite des analytischen Zentrums "Rat für internationale Beziehungen".
In Kiew traf sich Biden nicht nur mit Präsident Juschtschenko, sondern auch mit der Regierungschefin Julia Timoschenko, dem Chef der oppositionellen Partei der Regionen, Viktor Janukowitsch, sowie mit zwei ehemaligen Parlamentschefs. "So muss es auch in einem Land sein, das kurz vor Präsidentschaftswahlen steht", so Pifer.
Auch in Georgien zeigte Biden seine Distanz zu Saakaschwili und traf sich mit seinen Opponenten, unter anderem auch mit politischen Figuren, die vom Weißen Haus favorisiert werden - etwa mit Ex-Parlamentschefin Nino Burdschanadse und Georgiens Ex-UN-Botschafter Irakli Alassania.
"Das Verhältnis zu Georgien wird ausgewogener und nicht so Personen bezogen sein wie in den Zeiten der Bush-Administration", schlussfolgert Pifer.
Medwedew warnt Westen vor Druck auf postsowjetische Länder
MOSKAU, 26. Juli (RIA Novosti). Russland schaut "nicht mit Eifersucht" auf Washingtons Kontakte mit postsowjetischen Ländern, versichert Präsident Medwedew, warnt aber davor, sie zum Nato-Beitritt zu zwingen.
"Gegenseitig nutzbringende Beziehungen sind am wichtigten. Deshalb schauen wir ohne jegliche Eifersucht zu, wie andere Staaten ihre Beziehungen mit unseren Partnern aufbauen. Das betrifft auch die Vereinigten Staaten", sagte Dmitri Medwedew in einem Interview für den Fernsehsender NTW.
"Es gibt aber eine andere Frage, und zwar die Einbeziehung dieser Ländern in internationale, darunter auch militärische, Bündnisse. Das lässt uns nicht kalt", hieß es.
"Auf diesem Gebiet ist bleibt unsere Haltung unveändert. Da liegen wir in unseren Vorstellungen mit den USA auseinader... Wur halten es für falsch, wenn diese oder jene Länder wider ihren Willen in militärpolitische Bündnisse hineingeschleppt werden", betonte der russische Staatschef.
"In Bezug auf die Ukraine ist alles ganz einfach: Führt mal ein Referendum durch. Wenn das Volk für den Beitritt zu einem militärpolitischen Bündnis plädiert, so gibt es mindestens eine legimite Grundlage", hieß es weiter.
Dass Russland zurzeit keine diplomatischen Beziehungen mit Georgien habe, sei auf die "Aggression seitens des Regimes Saakaschwili im vergangenen Jahr" zurückzuführen.
"Dabei verhalten wir uns historisch sehr freundlich zum georgischen Volk... Regimes wir das von Saakaschwili kommen und gehen... Und ich bin davon überzeugt, dass man das russisch-georgische Verhältnis auf einer neuen Grundlage, unter Berücksichtigung der neuen Realitäten wieder aufbauen wird", so Medwedew.
Russland wird Zugeständnisse an den Westen machen müssen - Biden
MOSKAU, 25. Juli (RIA Novosti). Die russische Wirtschaft sicht dahin. Daher wird die Führung Russlands die Sphären ihrer internationalen Interessen kardinal revidieren müssen.
Das erklärte US-Vizepräsident Joe Biden am Samstag (25. Juli) in einem Interview dem Wall Street Journal. Russland werde sich gezwungen sehen, mehrere überaus komplizierte und ausgewogene Entscheidungen zu treffen.
"Die Bevölkerung Russlands schwindet, die Wirtschaft und der Bankensektor des Landes sind derart verfallen, dass die Russen die nächsten 15 Jahre kaum überstehen werden ... Sie (Russen) befinden sich in einer Lage, da sich die übrige Welt ändert, aber sie immer noch an der Vergangenheit klammern. Das kann nicht mehr lange dauern", betonte Biden.
Neben ökonomischen Problemen werden auch solche geopolitische Änderungen wie die Atomprogramme im Iran und Nordkorea dazu beitragen, dass Russland seine Einstellung gegenüber dem Westen, darunter auch gegenüber Washington, werde revidieren müssen. Zugleich rief der US-Vizepräsident auf, Moskau als einen der wichtigsten Akteure auf dem internationalen Schauplatz zu betrachten, Russland gegenüber äußerst vorsichtig zu sein und die eigenen Vorteile nicht zu überschätzen.
In dieser Woche hatte Biden die Ex-Sowjetrepubliken Ukraine und Georgien besucht.
Alle Meldungen aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, http://de.rian.ru
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