Die Schlacht um einen Kampfjet
Präsident und Kongress feilschen um eines der teuersten Rüstungsprojekte der USA
Von Olaf Standke *
Der Senat in Washington debattiert seit gestern über die Zukunft eines der teuersten Rüstungsprojekte der USA. Und für viele Parlamentarier ist das Kampfflugzeug F-22 »Raptor« auch Waffe im Wahlkampf.
Eine seltsame Schlacht tobt im Kongress, und ein Kampfflugzeug, das den Ernstfall noch nicht erlebt hat, spielt dabei die Hauptrolle. Auf der einen Seite der politischen Front stehen Präsident Barack Obama und sein Verteidigungsminister Robert Gates. Sie wollen das Projekt F-22 »Raptor«, dessen Name auf eine Dinosaurier-Art zurückgeht und irgendwie Programm ist, kappen. Denn dieses »modernste Kampfflugzeug der Welt«, so die Werbung, stammt aus einer anderen Epoche, und sein Preis ist monstermäßig: 150 Millionen Dollar will der Rüstungskonzern Lockheed Martin pro Exemplar haben, dreimal so viel, wie ursprünglich geplant; rechnet man die Kosten für Wartung und Reparaturen des anfälligen Hightech-Killers hinzu, landen Experten schnell bei einem Stückpreis von 350 Millionen Dollar.
Nur, gegen welchen Gegner sollen diese Tarnkappen-Raubvögel mit Überschallgeschwindigkeit in Zeiten der »asymmetrischen Kriegführung« zum Einsatz kommen? Auch Militärexperten wie Oberst Douglas MacGregor verstehen nicht, warum die Air Force heute noch »Luftüberlegenheitsjäger« kauft, die vor zwei Jahrzehnten gegen technologisch ebenbürtige russische oder chinesische Maschinen geplant wurden. »Al Qaida und die Taliban haben keine Kampfflugzeuge. Aber teure Posten wie die F-22 bestimmen unseren Verteidigungsetat«, kritisiert Miriam Pemberton vom Institut für Politische Studien. Präsident Obama hat es auf eine einfache Formel gebracht: »Wir brauchen diese Flugzeuge nicht.« Doch wurden bereits 122 Jets ausgeliefert und weitere bestellt. So wird ihre Zahl bis 2011 noch auf 187 anwachsen, ehe Schluss ist.
Dieses Ende aber wollen viele Abgeordnete und Senatoren in Washington verhindern. Und der Kongress hat die Budgethoheit über die Militärausgaben. Selbst in den eigenen Reihen stößt Obama auf erbitterten Widerstand. Als unlängst das Repräsentantenhaus das »Verteidigungsausgabengesetz« verabschiedete, fand sich dort auch ein Haushaltsposten über 369 Millionen Dollar: Anzahlung auf zwölf zusätzliche F-22-Kampfflugzeuge. Der Streitkräfteausschuss des Senats hat in seiner Vorlage sogar zusätzlich 1,75 Milliarden Dollar zur Finanzierung von sieben Jets platziert, obwohl das Haushaltsdefizit der USA in diesem Jahr wahrscheinlich bei 1750 Milliarden Dollar liegen wird. »Wir müssen weiterhin unsere Luftüberlegenheit wahren«, argumentiert etwa der Kongressabgeordnete Phil Gingrey – in dessen Bezirk sich die wichtigste Fertigungsstraße für die F-22 mit 2200 Arbeitsplätzen befindet. Da Lockheed, die drittgrößte Waffenschmiede der Welt, Firmen in 45 US-Bundesstaaten an der Produktion beteiligt hat, geht es um bis zu 100 000 Jobs. Tatsächlich also schielen die Parlamentarier auf ihre Wahlkreise und die Wiederwahl. Kein Wunder, dass 194 Abgeordnete und 44 Senatoren in Sachen F-22 an den Präsidenten geschrieben haben.
Der hat bereits angekündigt, sein Veto gegen eine entsprechende Gesetzesvorlage einzulegen. Doch auch Obama will nicht generell beim Militär sparen. Die USA haben im Vorjahr nach Angaben des Friedensforschungsinstituts SIPRI 607 Milliarden Dollar für Rüstung und Streitkräfte verpulvert, fast die Hälfte der weltweiten Ausgaben. In diesem Jahr wird der Etat um mindestens vier Prozent wachsen. Die Mittel sollen mit Blick auf die aktuellen und künftigen Kriege allerdings anders verteilt werden. »Mehr Geld fürs Personal, die eingesetzten Truppen und deren Ausrüstung, Verschiebungen und Streichungen bei prestigeträchtigen Waffensystemen«, beschreibt Otfried Nassauer, Chef des Berliner Instituts für Transatlantische Studien, das Konzept. Das betrifft auch die Raketenabwehr, eines der Lieblingsprojekte von Präsident Bush. So sollen in Alaska keine weiteren Abfangraketen aufgestellt werden, die Entwicklung von Mehrfachabfangköpfen (Multiple Kill Vehicles) für diese Raketen wird eingestellt, der zweite Jumbo-Jet mit Laserkanone nicht angeschafft.
Die Ausgaben für die F-35 »Lightning« – ebenfalls ein hochmoderner Tarnkappen-Kampfjet, aber für alle Teilstreitkräfte gedacht – will Gates dagegen aufstocken: 513 Stück in den nächsten fünf Jahren wird das Pentagon anschaffen, am Ende sollen es insgesamt 2443 »Joint Strike Fighter« sein. Rüstungsexperte Sascha Lange von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik zeigte sich überrascht, dass dieses Projekt nicht ebenfalls gekappt wurde. Er vermutet angesichts der F-22-Pläne ein Zugeständnis an die Rüstungsindustrie in den USA.
* Aus: Neues Deutschland, 21. Juli 2009
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