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Bush umgibt sich mit Schwarzen

Condoleezza Rice wird nationale Sicherheitsberaterin des Präsidenten

Unter dem Titel "Kraftpaket im Samthandschuh" schrieb die junge welt über die neue Sicherheitsberaterin des vom Gericht eingesetzten US-Präsidenten George Bush Jr.

Der künftige US-Präsident George W. Bush hat am Sonntag (17. 12. 2000) seine außenpolitische Beraterin Condoleezza Rice als nationale Sicherheitsberaterin nominiert. Sie ist die erste Frau und erste Afro-Amerikanerin auf dem einflußreichen Posten. Die 46jährige Rice hatte Bush seit Beginn seiner Wahlkampagne vor 18 Monaten in außenpolitischen Fragen beraten und dessen außenpolitisches Team geleitet. Ursprünglich hatte Bush junior angekündigt, ihr als Sicherheitsberaterin auch Kabinettsrang einzuräumen. Anscheinend hat er sich aber zwischenzeitlich anders entschieden. Einen Grund dafür nannte er nicht.

Condoleezza Rice ist eine Frau mit vielen Talenten. Vor ihrem Studium der internationalen Beziehungen war sie eine Eislaufprinzessin und hatte nebenbei die Ausbildung für eine klassische Konzertpianistin absolviert. War ihr Großvater noch ein armer Baumwollfarmer in Alabama, so hat sie es geschafft, ihre Version vom »amerikanischen Traum« zu verwirklichen. Nicht nur, weil sie es als Schwarze zur Universitätsprofessorin gebracht hat, sondern weil sie nun auch in die oberste Liga der amerikanischen Politik vorgestoßen ist, die bisher nur Weißen vorbehalten war.

Um ihren Beitrag zum Kalten Krieg zu leisten, lernte Condoleezza Rice die russische Sprache, schrieb ihre Doktorarbeit über die militärischen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Tschechoslowakei, um anschließend, kurz vor dem Zusammenbruch der UdSSR, für zwei Jahre als Direktorin für die Abteilung Sowjetunion und Osteuropa im Nationalen Sicherheitsrat in Washington zu arbeiten. Anschließend wechselte sie nach Kalifornien, wo sie mit 38 Jahren als erste Frau und, erste Afro-Amerikanerin und als jüngste Inhaberin des Amtes zur Dekanin der renommierten Stanford Universität gewählt wurde. Die mitten in Silicon Valley gelegen Uni ist nicht nur akademisches Institut, sondern wegen ihrer verschiedenen High-Tech-Firmen auch ein milliardenschweres Privatunternehmen.

Während des Wahlkampfes alarmierte Rice die europäischen NATO-Verbündeten mit der Ankündigung, die amerikanischen Truppen aus dem Balkan abzuziehen. Als außenpolitische Stimme des Bush-Teams hatte sie der Clinton- Regierung vorgeworfen, Einfluß und amerikanische Macht für unwichtige Anliegen und schlecht durchdachte humanitäre Operationen zu verschwenden, während den Verbündeten, insbesondere aber den Großmächten Rußland und China, nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt würde. Die amerikanische Militärmacht sollte zurückhaltend eingesetzt werden und wenn, dann nur zur Verteidigung amerikanischer Interessen.

Nun besteht Condoleezza Rices neue Aufgabe darin, für den zukünftigen Präsidenten Bush, der so gut wie überhaupt keine Erfahrung auf diesem Gebiet hat, die sicherheitspolitischen Prioritäten der amerikanischen Außenpolitik festzulegen. Dabei wird sie sich auch auf Gebiete begeben müssen, die weit außerhalb ihrer eigenen Kenntnisse und Erfahrungen liegen. Schon wundern sich demokratisch orientierte Medien, ob Frau Rice überhaupt das Zeug dazu hat, die vielschichtigen Probleme der amerikanischen Außenpolitik zu beherrschen, insbesondere wenn sie mit so starken Persönlichkeiten wie dem zum amerikanischen Helden hochstilisierten Sieger des Golfkrieges, Vier-Sterne-General Powell, und Dick Cheney, ehemaliger Verteidigungsminister und vermutlicher Vizepräsident, im Bush-Junior-Kabinett konfrontiert sein wird. Allerdings scheint »Condi«, wie sie von Bush genannt wird, seit vielen Jahren eine besonders enge Freundschaft mit der Familie des Gouverneurs von Texas zu pflegen - immerhin hatte sie auch schon unter Bush senior als Beraterin gewirkt -, was ihre Position im Konkurrenzbetrieb der Regierungspolitik stärken wird.

In den außenpolitischen Schlüsselfragen präsentiert das Bush-Team jedoch ein einheitliches Bild. Genau wie Powell hat Frau Rice wiederholt betont, daß die amerikanischen Streitkräfte nicht als Weltpolizei mißbraucht werden dürften, um überall und jederzeit für dubiose Operationen eingesetzt zu werden. Statt sich in unwichtigen Operationen zu verzetteln, sollte Washington mit harter Hand gegen »Schurkenstaaten und feindliche Mächte« vorgehen. Auch in bezug auf das nationale Verteidigungssystem gegen ballistische Raketen (NMD) plädiert die zukünftige amerikanische Sicherheitsberaterin gemeinsam mit ihrem Außenminister- Kollegen Powell für ein umfassendes, weitaus größeres Abwehrsystem als unter Clinton konzipiert. Die neue NMD- Version soll so gut wie alle Staaten der USA gegen Atomangriffe schützen und das NMD-Vorhaben Bushs dürfte weltweit auf noch mehr Widerstand stoßen als das von Clinton.

Frau Rices Vorname »Condoleezza« ist aus der italienischen Musiksprache »con dolcezza« entliehen und bedeutet soviel wie »mit Gefühl spielen«. Dieses Spiel scheint Frau Rice zu beherrschen. Anders als die jetzige Außenministerin Madeleine Albright, die gerne und bei jeder Gelegenheit mit dem Einsatz der geballten amerikanischen Macht drohte, empfiehlt Frau Rice ein bescheidenes Vorgehen der Supermacht, die sich künftig nur noch auf wesentliche außenpolitische Interessen konzentrieren soll. Notfalls auch ohne internationale Abstimmung und im Alleingang. Nicht umsonst wurde sie an der Uni Stanford als »velvet-glove forcefulness« beschrieben, ein »Kraftpaket im Samthandschuh«.
Rainer Rupp
Aus: junge welt, 19. Dezember 2000

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