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Pleite in den nächsten Krieg?

Den USA droht im innenpolitischen Schuldenstreit erneut die Zahlungsunfähigkeit

Von Olaf Standke *

Während sich die USA in ein neues, teures militärisches Abenteurer stürzen wollen, droht der gemessen am Bruttoinlandsprodukt größten Volkswirtschaft der Welt erneut die Zahlungsunfähigkeit.

2,5 Millionen Dollar kostet ein Marschflugkörper des Typs Tomahawk. Mit Dutzenden von ihnen, manche Militärexperten sprechen von 100, sind die vier hochmodernen Lenkwaffenzerstörer der US-Marine (USS Mahan, USS Barry, USS Gravely und USS Ramage) bestückt, die im östlichen Mittelmeer kreuzen; zwei davon nahe der syrischen Küste. Wie der TV-Sender NBC berichtete, stehen der Navy in der Region zudem zwei U-Boote mit über 150 Tomahawk-Raketen zur Verfügung. Das US-Militär verwendet sie traditionell als Erstschlagwaffen, und Beobachter gehen davon aus, dass sie jetzt auch bei dem geplanten Angriff auf Syrien zum Einsatz kommen werden.

Jeder Dollar, der hier verpulvert wird, wäre an der »Heimatfront« besser aufgehoben. Denn wieder einmal spitzt sich die Haushaltslage in den Vereinigten Staaten dramatisch zu. Können sich Demokraten und Republikaner nicht einigen, werden die Schulden der Supermacht Anfang Oktober auf astronomische 16,7 Billionen Dollar (12,5 Billionen Euro) angewachsen sein und damit die vereinbarte Obergrenze erreichen. Finanzminister Jacob Lew warnte jetzt vor »bedeutenden Störungen« für die Wirtschaft und die Kreditwürdigkeit des Landes. Nicht weniger wären allerdings auch John und Jane Doe betroffen, die sprichwörtlichen Normalverbraucher. Denn die Bundesbehörden müssten nach den ohnehin schon beschlossenen Einsparungen weitere drastische Einschnitte vornehmen, etwa bei den Gehältern der Beamten, beim Betrieb von Ämtern und Museen oder bei der Auszahlung von Sozialhilfen. Die ausbleibende Einigung hat in diesem Jahr bereits zu pauschalen Ausgabenkürzungen in Höhe von 85 Milliarden Dollar geführt, unter denen vor allem die Schwächsten der Gesellschaft leiden würden, wie sogar IWF-Chefin Christine Lagarde beklagte.

In einem Brief an Senat und Repräsentantenhaus hat Lew jetzt eine weitere Anhebung der Schuldengrenze gefordert. Denn sonst stünde der Bund Mitte Oktober wieder einmal an der »fiskalischen Klippe« und wäre zahlungsunfähig. Selbst wenn der Haushaltsausschuss des Kongresses davon ausgeht, dass die Mittel im Fall der Fälle noch bis November reichen könnten – die Lage ist prekär. Zumal sich beide Lager auch mit Blick auf die »Zwischenwahlen« zum Kongress im nächsten Jahr wenig kompromissbereit zeigen dürften. Die Republikaner, die das Repräsentantenhaus dominieren, beharren auf Ausgabenkürzungen und verlangen von Präsident Barack Obama Streichungen bei den Sozialprogrammen, etwa seiner Gesundheitsreform. Das lehnen die Demokraten, die die Mehrheit im Senat haben, ab und pochen auf Steuererhöhungen.

Längst liegt die Gesamtverschuldung der USA deutlich über ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung. Trotzdem leistete sich die Supermacht zuletzt über 700 Milliarden Dollar Militärausgaben, fast fünf Prozent des Bruttosozialprodukts. Und auch mit den Kürzungen von 40 Milliarden Dollar in diesem Jahr liegt man etwa ein Vielfaches über dem Etat Chinas (90 Milliarden Dollar). Vor allem die Kriegskosten für Afghanistan und Irak von insgesamt drei Billionen Dollar haben in der vergangenen Dekade zur einer massiven Steigerung des Pentagon-Etats geführt – und entscheidend zur dramatischen Erhöhung des Schuldenbergs beigetragen.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 30.08.2013


Kriegslärm stärkt Dollar

Globale "Anleger" flüchten in US-Währung. Börsen leicht erholt. Finanzmarktakteure reagieren auf US-Zögern bei geplanter Aggression gegen Syrien

Von Klaus Fischer **


Noch läßt der vermeintliche Weltgendarm keine Bomben auf Syrien werfen, schickt keine Marschflugkörper Richtung Damaskus oder versenkt die Flotte des Nahoststaates. Die Streitkräfte der USA und seiner Gefolgschaft bringen sich weiter in Stellung, doch die politische Führung in Washington scheint zu zögern. Für die global agierenden Spekulanten an den Finanzmärkten Anlaß genug, ein wenig erleichtert zu reagieren.

Zwar herrscht an den Devisenmärkten weiter Nervosität, aber die in den zurückliegenden Tagen verzeichneten Kursabstürze an wichtigen Aktienhandelsplätzen setzte sich am Donnerstag zunächst nicht fort. Auch die Ölpreise fielen leicht, nachdem sie in den Tagen zuvor deutliche angezogen waren. Eine Entwicklung indes verstärkt sich: Die Flucht in den US-Dollar.

Gradmesser dafür waren neben einer weiteren Verbilligung des japanischen Yen gegenüber der Weltreservewährung Nummer eins ein Nachgeben des Euro.

Für einen Dollar mußten am Donnerstag 98,26 Yen gezahlt werden, Tags zuvor waren es noch 97,62 Yen. Ein Euro kostete rechnerisch nur noch 1,3243 Dollar, so wenig wie seit zwei Wochen nicht mehr.

Während einige Börsianer Anzeichen für einen vielleicht doch nicht bevorstehenden Angriff des Westens auf Syrien sahen, verwiesen andere auf die weiter unklare Lage und die Entsendung von Kriegsschiffen und -Flugzeugen ins Mittelmeer. »Keiner weiß genau, was als nächstes passieren wird«, sagte ein Händler gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. »Die Anleger sind sehr nervös, und viele warten einfach ab.« Der Dollar sei da die sicherste Wahl.

Nach Tagen mit zum Teil deutlichen Verlusten präsentierten sich die Finanzmärkte damit einigermaßen stabilisiert. Auch der DAX stieg geringfügig, nachdem der deutsche Leitindex in dem die Wertentwicklung der 30 wichtigsten börsennotierten Konzerne widergespiegelt werden, in den vergangenen beiden Tagen um mehr als drei Prozent gefallen war. Auch an den Börsen in Japan, Indien, Indonesien, Malaysia und Thailand stoppte die Abwärtsbewegung der Kurse.

Das Faß (Barrel, 159 Liter) Öl verbilligte sich wieder etwas. Am Mittwoch war der Barrel-Preis auf den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren gesprungen. Im Falle einer Aggression westlicher Staaten und reaktionärer Nahost-Ölscheichtümer gegen Syrien könnte die Ölversorgung wichtiger Teile der Welt gefährdet sein. Vor allem dann, wenn sich die Verbündeten der syrischen Regierung zu militärischen Reaktionen genötigt sähen. Zwar fühlen sich die USA dank einer exzessiv ausgeweiteten Förderung von Öl und Gas mit dem Frackingverfahren einigermaßen autark. Doch Teile Westeuropas und vor allem Ost- und Südasiens stünden im Falle einer Blockade am Persischen Golf ohne den fossilen Brennstoff da. Die Frage eines »Militärschlags« sei auch weiter das beherrschende Thema am Ölmarkt, sagten Händler laut Reuters.

Interessanterweise verlangsamte sich auch der Währungsverfall wichtiger Schwellen- und Entwicklungsländer. Die zuletzt im dramtischen Absturz befindliche indische Rupie wurden, konnte sich am Donnerstag spürbar erholen. Zeitweise stieg sie um 1,7 Prozent auf 67,7 Einheiten je US-Dollar. Noch am Mittwoch war die Währung des 1,2-Milliarden-Einwohner-Landes um drei Prozent auf ein neues Rekordtief eingebrochen und hatte den größten Tagesverlust sei zwanzig Jahren verbucht. Als Hauptursache dafür gilt bislang ein mögliches Ende der ausufernden Gelderzeugung durch die US-Notenbank Fed. Die künstlich aufgeblähte Liquidität, verbunden mit Zinsen gegen Null, hatten die Spekulanten auf der Suche nach Profit in die aufstrebenden Staaten gelockt. Jetzt scheint nahezu bei allen derartigen »Investoren« das »Kommando zurück« zu gelten.

Auch andere Währungen der Region wurden zuletzt stark abgewertet. Während die Staaten ohne eigene nennenswerte Ölförderung wie Indien besonders unter den Folgen eines massiven Kapitalabzuges und steigender Leistungsbilanzdefizite leiden, traf das Phänomen auch die Rohstoffgiganten Brasilien und Rußland. Real und Rubel verloren ebenfalls deutlich an Außenwert.

** Aus: junge welt, Freitag, 30.08.2013


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