Okinawa, Vorposten der USA in Südostasien
Warum China ausspioniert wird - Von Hans Peter Richter (Berlin)
Am 1. 4. 2001 kam es in der Nähe der chinesischen Insel Hainan zu einem
Zusammenstoß eines Spionageflugzeuges EP - 3E Aries II der US-Marine mit einem
chinesischen Jagdflugzeug. Eine chinesische Maschine stürzte ab. Der Pilot kam
ums Leben. Die beschädigte US-Maschine musste auf dem Militärflughafen Lingshui
auf Hainan notlanden. Die 24-köpfige Besatzung wurde von China freigelassen und
in den USA wie Volkshelden begrüßt. Tagelang wurde in den Medien darüber
berichtet. Dabei wurde Okinawa fast nicht erwähnt. Bei Konflikten in
Südostasien, in die die USA in Zukunft verwickelt sein werden, wird Okinawa aber
eine wichtige Rolle spielen.
Das US-Spionageflugzeug sieht äußerlich unauffällig, fast altmodisch aus. Es
handelt sich um eine viermotorige Turboprob-Maschine mit einer Flügelspannweite
von 33,20 m und einer Länge von 35,28 m Länge, die mit der modernsten Elektronik
ausgerüstet ist. Sie kann mindestens 12 Stunden in der Luft sein und hat eine
Reichweite von mindestens 3000 nautischen Meilen, d.h. 5559 km. Die
Höchstgeschwindigkeit liegt bei 650 km/h. Die Besatzung beträgt 24, davon 3
Piloten, 1 Navigator, drei taktische Bewerter und 1 Flugingenieur. Der Rest der
Besatzung bedient die technischen Geräte.
Die zwei chinesischen Jagdflugzeuge, die das US-amerikanische Spionageflugzeug
beschatteten, waren mit Python-3-Luft-Luft-Raketen ausgerüstet, damit hätten sie
das Spionageflugzeug leicht abschießen können. China hatte diese Raketen Ende
der 80er Jahre von Israel gekauft. Pikanterweise stammen diese Raketen aus einem
gemeinsamen Entwicklungsprogramm der israelischen Firma Rafael mit der
US-amerikanischen Firma Lockheed Martin. Der Verkauf erfolgte mit Wissen des
Pentagon, auch wenn jetzt einige US-Militärs vorgeben, sie hätten gar nicht
gewusst, dass China über so ein effizientes Waffensystem verfügt.
Was sollte ausspioniert werden?
Die Spionageflüge fanden bisher zwei mal pro Woche statt, 12 Stunden an der
chinesischen Küste entlang. Die USA wollen damit erforschen welche militärische
Ausrüstung China hat, welche Art von Raketen, Schiffen und Radarsystemen. Dabei
ist die Insel Hainan von besonderem Interesse. Hier ist das Hauptquartier der
chinesischen Südflotte, hier konzentrieren sich die Rüstungsentwicklungen.
Konkret ging es am 1.4. um die Überwachung eines neuen Zerstörers, den China von
Russland gekauft hatte und der von den Chinesen umgerüstet wurde. Die USA hatten
schon die Daten des russischen Schiffes gespeichert und wollten sie nun mit den
neuen Daten vergleichen, um die Art der Umrüstung festzustellen.
In Hainan wird zur Zeit eine neue Untersseboot-Flotte gebaut, werden Raketen für
Raumfahrtprogramme und entsprechende Kommunikations- und Radarsysteme
installiert. Die Daten von chinesischen Raketen für die Raumfahrt sind für die
USA auch interessant, um die Wirksamkeit von ballistischen Raketen beurteilen zu
können. Seit 1999 bietet China an, von Hainan aus kommerzielle Satelliten in den
Weltraum zu schicken. Für 500 Millionen $ kann man bei der chinesischen Firma
"Hainan New Century International Commercial Space Ltd." Satellitenstarts
bestellen. Der Startplatz liegt nahe Wenchang, etwa 3 km von der Küste entfernt.
In den nächsten fünf Jahren sind 30 Satellitenstarts geplant. Übrigens haben
chinesische Firmen im Dezember 2.000 Lizenzen von US-amerikanischen Raketenfirmen
erworben.
In Hainan hat China zwei Abhörstationen, mit denen die Signale von russischen
und US-Satelliten abgehört werden.
Das Spionageflugzeug kam aus Okinawa
Das Spionageflugzeug war vom US-Militärstützpunkt Kadena in Okinawa aus
gestartet. Okinawa gehört zu den japanischen Ryukyu-Inseln. Die Hauptinsel
Okinawa ist von Tokio 1.600 Km Luftlinie entfernt, aber nur 160 km von Taipeh auf
der Insel Taiwan. Bis zu chinesischen Küste sind es 650 km. Wegen dieser Lage
ist Okinawa von großer strategischer Bedeutung für die USA. Von Okinawa aus
kann der Luftraum in Ostasien und alle militärischen Entwicklungen überwacht und
beherrscht werden.
Nach dem 2. Weltkrieg war Okinawa bis 1972 von den USA besetzt. In dieser Zeit
wurde es zu einem Militärstützpunkt ausgebaut. Zumindest bis 1972 waren dort
auch Atomwaffen gelagert. 1972 gaben die USA Okinawa an Japan zurück, ohne
jedoch die Militärstützpunkte aufzulösen. Auf der Hauptinsel Okinawa und den umliegenden kleinen Inseln befinden sich insgesamt 39 US-Militärstützpunkte. Die Insel ist 115 km lang und insgesamt 1201
Quadratkilometer groß. 19,56 % der Landfläche der Hauptinseln werden von den
USA für Militärstützpunkte benutzt, das sind 75 % der US-Militärstützpunkte in
Japan überhaupt. Auch riesige Seegebiete um Okinawa werden von der US-Marine
beansprucht. Auf einer unbewohnten Insel wurde 1996 DU-Munition erprobt. 193 kg
Uran-238 liegen heute noch dort.
US-Militärstützpunkt Kadena
Kadena verfügt über zwei Landebahnen mit 3700 m Länge und ist der größte
Militärflughafen in ganz Ostasien. Hier sollen insgesamt 12 Spionageflugzeuge
des Types EP - 3E Aries II stationiert werden, 10 sind bisher erst ausgeliefert
worden.
Okinawa wird auch noch weiter ausgebaut. In der Nähe des Dorfes Henoko ist ein
gigantisches Rüstungsprojekt geplant. Dort soll im Wasser mitten in einem
Korallenriff ein sogenannter "Heliport" gebaut werden. Die Größe des Heliportes
beträgt 1500 x 500 m. Diese neue bisher einzigartige Militäranlage dient
gleichzeitig als Anlegestelle für US-Kriegsschiffe (einschließlich U-Booten) und
Landeplatz für eine neue Flugzeuggeneration "MV22 Osprey", einer Mischung aus
Flugzeug und Hubschrauber. In dem 30 m hohen "Heliport" sollen 2.500
Marinesoldaten stationiert werden.
Deutschland und Japan helfen den USA, Kriege zu führen
Japan hat mehrere Sicherheitsverträge mit den USA abgeschlossen. Zuerst 1951,
überarbeitet 1960. 1997 wurden "Richtlinien der Zusammenarbeit bei der
Verteidigung zwischen den USA und Japan" vereinbart. Danach muss sich Japan an
allen militärischen Aktionen der USA, die in der Region stattfinden, "die Japan
umgeben", beteiligen. Vor allem sind Militärstützpunkte, Versorgung und
Nachschub sicherzustellen. Schon heute trägt Japan 70 % aller Kosten, die durch
die Stationierung von ca. 50.000 US-Soldaten anfallen.
In Frankfurt am Main ist der größte US-Luftwaffenstützpunkt in Europa (Rhein -
Main - Airbase). Kadena auf Okinawa ist der größte Luftwaffenstützpunkt
Ostasiens überhaupt. Im Golfkrieg 1991 wurden von Kadena und Frankfurt/M.
Einsätze geflogen. (US-Bombenflugzeuge nach Jugoslawien starteten ebenfalls aus
Frankfurt/M.) Verletzte kamen immer in das US-Militärkrankenhaus in Wiesbaden.
Dieses Krankenhaus, das eigentlich auf deutschem Boden liegt, ist exterritorial
und gilt daher völkerrechtlich als US-Gebiet. Außer in Deutschland und Japan
haben die USA Militärstützpunkte in 20 weiteren Ländern.
Konfliktherd Taiwan
1949 spaltete sich Taiwan vom kommunistischen China ab. Der
Rüstungsexport-stopp, der noch zur Nixon-Ära galt, wurde aufgehoben und Taiwan
erhielt von den USA hochentwickelte Kampfflugzeuge, Luft-Luft-Raketen,
Anti-Schiffs-Raketen, Haubitzen, Maschinengewehre, Nachsichtgeräte und
Kommunikationssysteme. In den letzten 20 Jahren wurden aus den USA Rüstungsgüter
im Werte von fast 20 Mrd. $ ausgeführt. Diese Exporte erfolgten, trotzdem die
USA sich 1979 mit China darauf geeinigt hatten, dass es nur ein China gibt.
Im April 2001 haben die USA Taiwan die Lieferung von 8 Diesel betriebenen
U-Booten, 4 Zerstörer der Kidd-Klasse und 12 U-Boot-Bekämpfungsflugzeuge vom Typ
P3-Orion im Werte von 4 Mrd. $ zugesagt. Die USA stellen solche U-Boote nicht
her, daher interessierte sich Taiwan schon für deutsche U-Boote vom Typ 209. Der
Wunsch Taiwans zum Kauf von Zerstörern der Arleigh Burke-Klasse an, die mit
Aegis-Raketen bestückt sind, wurde von den USA (noch) nicht erfüllt. Diese
Schiffe sind mit neuartigem Radar und den dazugehörigen Computern ausgerüstet,
mit denen sich mehr als 100 Ziele gleichzeitig verfolgen lassen.
Die neuen Raketenabwehrsysteme TMD/BMD
Neben dem eigenen nationalen Raketenabwehrsystem der USA (NMD) werden zusammen
mit den Verbündeten ergänzende Systeme entwickelt. Bereits im September 1999
vereinbarten die USA und Japan die gemeinsame Entwicklung einer "Theater Missile
Defense" (TMD).
Diese Abfangrakete richtet sich gegen Nordkorea und China. Ihre Reichweite wird
bis zu 3000 km betragen. Es handelt sich um eine seegestützte Waffe, die eine
feindliche Rakete möglichst schon in der ersten Flugphase (boost) abfangen soll.
Die Raketen sollen von Zerstörern aus abgefeuert werden. 50 davon gibt es in
Japan schon, weitere 25 sind geplant. Die ersten 80 Raketen und vier Schiffe
dafür sollen 5,4 Mrd. $ kosten und 2010 installiert sein. Da die japanischen
Hoheitsgewässer bis fast an Taiwan heranreichen, könnte diese Waffe, einen
großen Teil Chinas abdecken. China hat schon Konsequenzen angedroht, falls die
USA Taiwan unter seinen "Raketenschutzschirm" nehmen würde.
Die Grafik zeigt zusätzlich geplante "Schutzinseln", die durch ein "Ballistic
Missile Defense" -System (BMD) geschützt werden sollen.
Immer wieder kommt der Krieg aus Okinawa
Die Spionageflüge gehen weiter. Nach dem Zusammenstoß mit einem chinesischen
Jäger haben die US-Militärs erwogen, dem Spionageflugzeug Begleitschutz von
Jagdflugzeugen zu geben. Es war die Rede davon, diese Jäger vom
US-Flugzeugträger "Kitty Hawk" (Heimathafen Yokosuka in Japan) starten zu
lassen. Wahrscheinlich wird es aber dazu nicht kommen, weil so ein Begleitschutz
zu aufwendig ist. Bei einem 12-Stunden-Einsatz müsste der Jäger wenigstens
einmal in der Luft aufgetankt werden. In Okinawa gibt es genug
US-Luftwaffenstützpunkte, da ist ein Flugzeugträger nicht nötig.
Außerdem planen die USA den Einsatz von weiteren Spionagesystemen:
-
unbemannte Spionageflugzeuge "Global Hawk"
-
eine "multi-mission-platform" (Vielzweck-Plattform) für den 24
Stunden-Einsatz und
-
ein "Common Widebody Multi-mission" - Flugzeug
Von Okinawa aus flogen die USA die Angriffe auf Korea im Krieg 1950-1953 und die
Angriffe auf Vietnam im Krieg 1964-1973. Auch am Golfkrieg 1991 waren
US-Militärstützpunkte in Okinawa beteiligt. Es ist sicher, dass auch wieder neue
Kriege der USA in Südostasien aus Okinawa kommen. Wann und gegen wen steht noch
nicht fest. Unter der neuen Bush-Regierung ist ein Krieg gegen China
wahrscheinlicher geworden. Aber welcher Krieg es auch sein wird, die USA
bereiten sich mit aller Macht in Okinawa darauf vor.
Der vollständige Artikel (mit Karten, Grafiken und Fotos) wird im nächsten Heft (5/2001) von PAX REPORT, der Zeitung des Deutschen Friedensrats erscheinen. Wir danken dem Autor für die Vorabveröffentlichung.
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