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US-Präsident hielt Rede an die Nation und forderte stärkere Nutzung erneuerbarer Energien

US-Präsident hielt Rede an die Nation und forderte stärkere Nutzung erneuerbarer Energien

Im Weißen Haus steigt der Öldruck US-Präsident hielt Rede an die Nation und forderte stärkere Nutzung erneuerbarer Energien Von John Dyer, Boston *

In seiner ersten Rede an die Nation aus dem Oval Office hat US-Präsident Barack Obama den Kampf gegen die Ölpest im Golf von Mexiko zur vorrangigen Aufgabe erklärt, BP verantwortlich gemacht und auf die Notwendigkeit verwiesen, alternative Energien auszubauen. Sehr konkret wurde er dabei allerdings nicht.

Die 18-minütige Ansprache an die Nation zeigte einen Obama, der seinen Punkt mit eiserner Faust, aber in einem Samthandschuh, setzte. Sie sollte die Bewohner der Region am Golf beruhigen und die Anstrengungen der Bundesregierung bei der Beseitigung der Folgen der Ölpest aufzeigen.

Spricht ein US-Präsident von seinem Arbeitsplatz im ovalen Büro des Weißen Hauses aus an die Nation, dann liegt immer ein besonderer Anlass vor. Vorgänger George W. Bush hatte die Irak-Invasion vom Oval Office aus verkündet, Bill Clinton den NATO-Kriegseinsatz auf dem Balkan. Obama nahm die Ölkatastrophe zum Anlass, in militärisch deutlichen Worten eine Neuordnung der US-Energiepolitik zu verlangen.

»Die Tragödie, die sich an unseren Küsten abspielt, ist eine höchst schmerzliche und deutliche Erinnerung daran, dass die Zeit jetzt gekommen ist, die Zukunft der sauberen Energie anzugehen«, sagte Obama. »Jetzt ist der Moment für diese Generation da, eine nationale Mission zu beginnen, um Amerikas Innovation zu entfesseln und die Kontrolle unseres eigenen Schicksals zu übernehmen.«

Obama reagierte mit seiner Rede auf die Sorgen der US-Amerikaner, die sich fragen, ob die Maßnahmen der Regierung in Washington gegen die größte Umweltkatastrophe in der US-Geschichte überhaupt wirksam sind. Rund 47 000 Arbeiter, Tausende von Schiffen und über 1600 Kilometer Ölbarrieren sollen das auslaufende Rohöl stoppen. Aber jetzt wird damit gerechnet, dass Öl auch an die bisher verschonten Strände von Texas und Florida gespült wird, bis es BP – im August – vielleicht gelingen wird, das Leck in 1600 Metern Tiefe tatsächlich zu versiegeln.

Der Präsident war sich dessen bewusst, als er den Golf-Anwohnern sein Mitgefühl ausdrückte. »Ich habe mit Krabbenfischern und Fischern gesprochen, die nicht wissen, wie sie ihre Familien dieses Jahr durchbringen sollen«, sagte Obama. »Die Traurigkeit und den Ärger, die sie erfüllen, drehen sich nicht nur ums Geld, das sie verlieren. Es geht um die drückende Sorge, dass ihre Art zu Leben für immer vorbei ist. Ich weigere mich, das geschehen zu lassen.«

Vom Mitgefühl kam Obama rasch zur Politik. Sein Ton wurde schärfer, fast so, als wollte er den Zuhörern das Gefühl vermitteln, sie trügen Mitschuld an der Katastrophe vom 20. April. »In diesen Tagen nach Öl zu bohren bringt große Risiken«, sagte er. »Denn letztlich ist Öl eine begrenzte Ressource. Wir verbrauchen mehr als 20 Prozent des Öls der Welt, besitzen aber nur zwei Prozent der Welt-Ölreserven. Und das ist ein Grund für die Unternehmen, eine Meile unter der Meeresoberfläche zu bohren, weil an Land und im flachen Wasser kein Platz mehr für neue Bohrungen ist.«

Obama forderte den Kongress auf, sein Klimaschutzgesetz anzunehmen, mit dem die Nutzung erneuerbarer und sauberer Energien verstärkt werden soll. Das Abgeordnetenhaus hatte Obamas Klimagesetz schon 2009 verabschiedet. Seither liegt es im Senat. »Die Konsequenzen unserer Untätigkeit liegen offen«, so Obama. »Länder wie China investieren in Jobs und Industrien der sauberen Energie, die hier in Amerika entstehen sollten. Und wir überweisen jeden Tag fast eine Milliarde an andere Länder für ihr Öl.«

* Aus: Neues Deutschland, 17. Juni 2010


Obama für neue Energiepolitik

Entschlossener Kampf gegen Ölpest / Präsident will BP zu Entschädigungen verpflichten

Die Ölpest soll mit allen Mitteln bekämpft werden, doch langfristig müssen die USA vor allem ihre Energiepolitik radikal ändern. Das war Präsident Obamas Botschaft in seiner ersten Rede aus dem Oval Office. Washington (dpa/ND) - Acht Wochen nach dem Ausbruch der Ölpest im Golf von Mexiko hat sich US-Präsident Barack Obama erstmals aus dem Oval Office im Weißen Haus direkt an die Nation gewandt und zu einem radikalen Umdenken in der Energiepolitik aufgerufen. Die Katastrophe im Golf von Mexiko sei die »schmerzlichste und stärkste Ermahnung«, dass es nun an der Zeit sei, auf saubere Energie umzustellen.

Obama sprach von gewaltigen Anstrengungen, die nötig seien, das Land aus seiner Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu befreien. Jetzt sei der Augenblick gekommen, »eine nationale Mission für amerikanische Innovation zu entfesseln«, sagte Obama. Er will eine rasche Verabschiedung seines Energie- und Klimagesetzes. Der Entwurf hängt derzeit im Senat fest.

Obama will sich für einen umfassenden Einsatz seiner Regierung gegen das unablässig sprudelnde Öl einsetzen. Erneut nahm Obama den Ölriesen BP ins Gebet. Er prangerte die »Rücksichtslosigkeit« des Konzerns an und bekräftigte: »Wir werden BP für den Schaden zur Kasse bitten, den das Unternehmen verursacht hat.« Dies könne über einen Treuhandfonds geschehen, aus dem von dem Desaster betroffene Arbeiter und Unternehmen entschädigt werden.

Der Präsident schlug in seiner Ansprache außerdem einen Langzeit- Plan vor, um die »einzigartige Schönheit und den Reichtum« der Golf- Region wieder herzustellen. »BP wird für die Auswirkungen zahlen, die die Ölpest auf die Region hat.«

Kurz vor seiner Rede hatte es wieder eine Hiobsbotschaft gegeben: Die Ölpest ist noch weit dramatischer als bisher angenommen. Nach jüngsten Schätzungen strömen derzeit bis zu 8200 Tonnen Öl pro Tag ins Meer, teilte die Regierung mit. Erst vor wenigen Tagen war die Menge auf ein tägliches Maximum von 5400 Tonnen nach oben korrigiert worden. Davor lag der angenommene Höchstwert bei 3400 Tonnen.

** Aus: Neues Deutschland, 16. Juni 2010


Worte gegen die Ölpest

Von Kurt Stenger ***

Wenn US-Präsidenten Ansprachen aus ihrem Amtszimmer, dem »Oval Office«, in die fernseherbestückten Wohnzimmer zwischen Alaska und Florida senden lassen, dann geht es um historische Anlässe. Wenigstens diese Erkenntnis scheint sich bei Barack Obama endlich durchgesetzt zu haben: dass die Ölpest im Golf von Mexiko eine Katastrophe nationalen Ausmaßes ist. Er unterschätzte die Bedeutung anfangs ähnlich wie sein ultrakonservativer Amtsvorgänger George W. Bush einst die Folgen des Hurrikans »Katrina«. Wegen der chaotischen Hilfsaktion musste der Krieger Bush innenpolitisch Federn lassen; Obama könnte die Ölpest mehr schaden als das Gerangel um die Gesundheitsreform.

Die Kritik freilich, dass die Regierung nicht selbst eingreift, ist falsch – BP hat die Katastrophe zu verantworten und steht deshalb zuerst in der Pflicht, den Ölstrom aus dem Bohrloch zu stoppen und die Betroffenen zu entschädigen. Doch dass die unselige Tradition zu laxer Kontrollen der mächtigen Ölkonzerne vor dem Unfall fortgesetzt wurde, muss sich Obama auf die eigenen Fahnen schreiben lassen. Er war einst mit dem Anspruch angetreten, dass die Energieriesen nicht mehr wie zu Bushs Zeiten jeglichen Umwelt- und Klimaschutz hintertreiben können. An diesem Anspruch wird man Obamas Reaktionen auf die Ölkatastrophe messen – nicht heute, sondern in einigen Monaten oder gar Jahren. Mit vagen Worten aus dem Oval Office wird es auf keinen Fall getan sein.

*** Aus: Neues Deutschland, 16. Juni 2010 (Kommentar)


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