RECHT UND GERECHTIGKEIT IM KAMPF GEGEN DEN TERROR
Checkliste: Auswertung der ersten 100 Tage Amtszeit von Präsident Obama *
Schließen Sie Guantánamo und stoppen Sie illegale Inhaftierungen!
1. Bestätigen Sie, dass die USA das Gefangenenlager in Guantánamo Bay für immer
schließen wird und setzen Sie eine kurze Frist für die Schließung.
Umgesetzt: Die Verfügung des Präsidenten vom 22. Januar 2009 ordnet an, genaue Angaben über die Identität der noch im Marinestützpunkt Guantánamo Bay Inhaftierten zu machen,
eine Überprüfung aller Fälle vorzunehmen, und die Hafteinrichtung zu schließen.
2. Ordnen Sie mit einer Verfügung an, dass jede Form von rechtswidriger Überstellung
(rendition), geheimer Haft oder langer Isolationshaft durch die US-Behörden oder in ihrem
Auftrag sofort beendet wird.
Fortschritt: Die Präsidentenverfügung „Sicherstellen gesetzlich einwandfreier Verhöre“
beendet das CIA-Programm der langfristigen geheimen Haft und gewährt dem Internationalen
Komitee vom Roten Kreuz Zugang zu Häftlingen der USA. Die Verfügung beendet jedoch nicht
die Praxis der rechtswidrigen Gefangenenüberstellungen und lässt der CIA die Möglichkeit,
kurzfristig und als Übergang Hafteinrichtungen oder vom Ausland kontrollierte Einrichtungen
zu nutzen und auf ihr Geheiß inhaftierte Personen zu verhören.
3. Heben Sie die Verfügung ihres Amtsvorgängers vom 20. Juli 2007 auf, mit der die Fortführung des CIA-Programms der Geheimgefängnisse und geheimen Verhören bewilligt wurde.
Umgesetzt: Diese Anordnung wurde durch Absatz 1 der Präsidentenverfügung „Sicherstellen
gesetzlich einwandfreier Verhöre“ zurückgenommen.
4. Heben Sie die Verfügung vom 13. November 2001 an das Militär über Inhaftierung,
Behandlung und Verfahren gegen bestimmte Nicht-US-Bürger im "Krieg gegen den Terror"
auf.
Unklar: Alle Präsidentenverfügungen der Jahre 2001 bis 2009, die nicht mit der
Präsidentenverfügung „Sicherstellen gesetzlich einwandfreier Verhöre“ in Einklang sind,
wurden zurückgenommen, auf einige Verfügungen wurden jedoch nicht konkret eingegangen.
So ist zum Beispiel unklar, ob die Verfügung vom 13. November 2001 ganz zurückgenommen
wurde, insbesondere als mögliche Autorisierung für die Inhaftierung von Einzelpersonen.
5. Schaffen Sie die Verfahren durch die Militärkommissionen ab und heben Sie das System
der Militärtribunale zur Überprüfung des Gefangenenstatus (Combatant Status Review
Tribunals) und die Kommissionen zur Überprüfung der weiteren Inhaftierung (Administrative
Review Boards) auf.
Fortschritt: Die Militärkommissionen wurden außer Kraft gesetzt. Sie sind jedoch nicht
dauerhaft abgeschafft worden und die US-Regierung beruft sich auf anhängige Klagen unter
dem Militärkommissionsgesetz, um bestimmte Habeas Corpus-Prüfungsanträge abzulehnen.
6. Kündigen Sie an, dass gegen Guantánamo-Häftlinge umgehend Anklage erhoben wird und
dass die entsprechenden Verfahren vor US-amerikanischen Bundesgerichten stattfinden werden. Sollte keine Anklage erhoben werden, müssen die Häftlinge mit einer Garantie für
vollständigen Schutz vor weiteren Menschenrechtsverletzungen freigelassen werden. Stellen
Sie eine ausreichende Finanzierung für die Durchsetzung dieses Vorhabens sicher.
Bisher nichts unternommen.
7. Gewährleisten Sie, dass Guantánamo-Häftlingen, die bei einer Rückkehr in ihr
Herkunftsland schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen fürchten müssen, die
Möglichkeit geboten wird, in den USA zu leben, falls sie dies wünschen. Arbeiten Sie mit
anderen Regierungen zusammen, damit Häftlinge, die nicht in den USA leben möchten,
Schutz in anderen Ländern erhalten.
Unterschiedliche Reaktionen: Andere Regierungen, darunter Frankreich und Irland, haben
angekündigt, dass sie Gefangenen Schutz anbieten, die nicht in ihre Heimatländer
rückgeführt werden können. Die US-Regierung hat sich nicht öffentlich verpflichtet,
Guantánamo-Häftlingen die Möglichkeit einzuräumen, in den USA zu leben, nicht einmal
denen, deren Freilassung von US-Gerichten angeordnet wurde.
8. Verpflichten Sie die US-Administration, niemanden willkürlich seiner Freiheit zu berauben
(auch nicht durch Rechtsverweigerung oder -manipulation einer erfolgreichen richterlichen
Überprüfung). Beenden Sie mit sofortiger Wirkung den Widerstand der US-Regierung gegen
die Durchführung von Haftprüfungsanhörungen der Guantánamo-Häftlinge und gegen andere
ähnliche Maßnahmen.
Rückschritt: Die Regierung hat die Politik der vorherigen Regierung hinsichtlich der
Inhaftierungen auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Afghanistan übernommen und gegen die
Entscheidung Rechtsmittel eingelegt, einigen dort Inhaftierten Haftprüfungsrechte (Habeas
Corpus) einzuräumen.
Obwohl das Recht der Guantánamo-Häftlinge auf Habeas Corpus-Prüfung anerkannt wurde,
erfährt diese juristische Überprüfung unter der neuen Regierung Verzögerungen. Die
Regierung lehnt es weiterhin ab, bei den Habeas Corpus-Verfahren die Behandlung der
Gefangenen und deren Haftbedingungen einzubeziehen.
Verbieten Sie jede Form von Folter und anderen Misshandlungen!
9. Erlassen Sie eine Verfügung, in der sich die USA verpflichten, dem Völkerrecht
entsprechend unter keinen Umständen Folter oder andere Formen grausamer, unmenschlicher
oder erniedrigender Behandlung anzuwenden.
Fortschritt: Die Präsidentenverfügung „Sicherstellen gesetzlich einwandfreier Verhöre“ ist ein
wichtiger Schritt nach vorne und läutet ein Ende der euphemistisch als „verbesserte
Verhörmethoden“ bezeichneten Techniken des Geheimen Haftprogramms ein. Amnesty
International ist jedoch besorgt darüber, dass das Army Field Manual (Handbuchs für die
Armee im Feld) als Grundlage dient, da es Lücken enthält, die der Folter und anderen
Misshandlungen Vorschub leisten können. Außerdem findet abgesehen von dem UNÜbereinkommen
gegen Folter die Notwendigkeit der Einhaltung des Internationalen Pakts
über bürgerliche und politische Rechte und anderer Menschenrechtsstandards darin keine
Erwähnung.
10. Geben Sie bekannt, dass die US-Regierung in Gerichtsverfahren auf keinerlei
Informationen zurückgreifen wird, die unter Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher
oder erniedrigender Behandlung erpresst worden sind. Dies gilt natürlich nicht für Fälle, in
denen gegen einen mutmaßlichen Täter solcher Folter- und Misshandlungsfälle ermittelt wird.
Bisher nichts unternommen.
11. Verpflichten Sie sich zur Zusammenarbeit mit dem Kongress, um alle Vorbehalte und
Einschränkungen in Bezug auf Folter und andere Misshandlungen zurückzuziehen, die die
USA bei der Ratifizierung von Menschenrechtsabkommen angebracht hat, einschließlich des
Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und des UN-Übereinkommens
gegen Folter.
Bisher nichts unternommen.
12. Ordnen Sie die Aufhebung der Geheimhaltung aller Rechtsgutachten und anderer
Dokumente an, in denen Verhörmethoden und Haftbedingungen genehmigt oder gutgeheißen
wurden und in denen die Frage diskutiert wird, ob die betreffenden Methoden oder
Bedingungen in Einklang stehen mit dem nationalen oder internationalen Verbot von Folter
oder anderer grausamer, unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung oder Bestrafung.
Fortschritt: Eine Reihe von zuvor unter Verschluss gehaltenen juristischen Kommentaren des
Büros für Rechtsberatung des US-Justizministeriums sind inzwischen veröffentlicht worden.
Die Rücknahme der Einstufung als geheim des erweiterten Berichts des Senatsausschusses
für die Streitkräfte lieferte ebenfalls wichtige Informationen.
Beenden Sie die Straflosigkeit!
13. Stellen Sie sicher, dass die Programme der rechtswidrigen Gefangenenüberstellungen
(renditions) und der Geheimgefängnisse, die durch die US-Behörden oder in ihrem Auftrag
durchgeführt worden sind, strafrechtlich verfolgt werden.
Bisher nichts unternommen.
14. Sorgen Sie dafür, dass Verbrechen, die gegen das Völkerrecht verstoßen, wie Folter,
andere Formen der Misshandlung von Häftlingen sowie das "Verschwindenlassen", nicht
ungestraft bleiben.
Bisher nichts unternommen: Der US-Präsident sowie der Justizminister und der Direktor der CIA scheinen willens zu sein,
Straflosigkeit zumindest für einige derjenigen zu akzeptieren, die für Verbrechen
verantwortlich sind, die gegen das Völkerrecht verstoßen, wie Folter, andere Formen der
Misshandlung von Häftlingen und das "Verschwindenlassen".
15. Setzen Sie eine unabhängige Untersuchungskommission ein, die alle Aspekte der
Inhaftierungs- und Verhörpraktiken der USA im sogenannten "Krieg gegen den Terror"
überprüft.
Bisher nichts unternommen: Präsident Obama sagte, dass „falls und wenn“ eine größere Rechenschaftspflicht nötig sein
sollte, der Kongress nach Wegen suchen könne, wie dies parteiübergreifend erzielt werden
kann. Abgesehen davon wurden allerdings von der Regierung keine Zusagen gemacht, die
sicherstellen würden, dass tatsächlich eine handlungsfähige und unabhängige
Untersuchungskommission eingesetzt wird.
16. Veröffentlichen Sie Namen, Staatsangehörigkeit, gegenwärtigen Aufenthaltsort, Status
und Umstände der Inhaftierung all derjeniger, die Opfer einer rechtswidriger Überstellung
(rendition) geworden sind oder in einem Geheimgefängnis festgehalten wurden.
Bisher nichts unternommen.
17. Kündigen Sie an, dass die US-Regierung alles daran setzen wird, dass Opfer von
Menschenrechtsverletzungen, für welche die US-Behörden verantwortlich sind, eine
vollständige Wiedergutmachung und eine angemessene Entschädigung erhalten.
Bisher nichts unternommen: Wenn überhaupt, gibt es hier nur Rückschläge zu verzeichnen.
Das Justizministerium beruft sich auf Staatsgeheimnisse und militärische Immunität in einer
Art und Weise, die es Opfern von Menschenrechtsverletzungen unmöglich machen würde,
eine vollständige Wiedergutmachung und eine angemessene Entschädigung zu erhalten.
Quelle: Website von amnesty international; www.amnesty.de
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