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"Die Rassisten sind nicht mehr in der Mehrheit"

Michael Moore kommentiert in einem persönlichen Brief den Wahlsieg von Barack Obama (deutsch und englisch)


Kneift mich ...

eine Botschaft von Michael Moore

Mittwoch, 5. November 2008

Freunde,

wem unter uns fehlen nicht die Worte? Tränen fließen. Tränen der Freude. Tränen der Erleichterung. Ein atemberaubender gewaltiger Erdrutsch der Hoffnung in einer Zeit tiefer Verzweiflung.

In einer Nation, die auf Völkermord gegründet wurde und dann auf den Rücken von Sklaven erbaut wurde, war es ein unerwarteter Moment, unerhört in seiner Einfachheit. Barack Obama, eine guter Mann, ein schwarzer Mann, sagte, er würde Washington einen Umbruch bringen, und die Mehrheit im Lande begrüßte diese Idee. Die Rassisten waren während des gesamten Wahlkampfes und in der Wahlkabine präsent. Doch waren sie nicht mehr die Mehrheit; wir werden noch zu unseren Lebzeiten die Flamme ihres Hasses erlöschen sehen.

Es gab in der vorigen Nacht noch eine andere bedeutende Premiere. Niemals in unserer Geschichte wurde ein bekennender Anti-Kriegs-Kandidat während einer Kriegszeit zum Präsidenten gewählt. Ich hoffe, der designierte Präsient Obama erinnert sich daran, wenn er in Erwägung zieht, den Krieg in Afghanistan auszuweiten. Das Vertrauen, das wir heute haben, wird verspielt sein, falls er das wichtigste Thema vergisst, mit dem er in den Vorwahlen seine Kollegen der Demokratischen Partei hinter sich ließ und dann im Endspurt einen großen Kriegshelden. Die Menschen in Amerika sind kriegsmüde. Es hängt ihnen zum Halse heraus. Und ihre Stimme war gestern laut und deutlich.

Es waren unverzeihliche 44 Jahre, seit ein Präsidentschafts-Kandidat der Demokratischen Partei 51% erreicht hat. Weil die meisten Amerikaner in Wirklichkeit die Demokraten niemals gemocht haben. Sie meinen, sie hätten kaum den Mumm, den Job zu machen oder für die Arbeitnehmer einzutreten, die sie zu unterstützen versprechen. Nun – jetzt haben sie die Gelegenheit. Sie ist ihnen durch das Wahlvolk übergeben worden, in Gestalt eines Mannes, der kein Parteigaul ist, kein Umgehungsstraßen-Bürokrat in einer Lebensstellung. Wird er jetzt zu einem von denen oder wird er sie zwingen, wie er zu sein? Wir beten für das letztere.

Doch heute feiern wir diesen Triumph des Anstandes gegen persönliche Angriffe, des Friedens über den Krieg, der Intelligenz über den Glauben, dass Adam und Eva vor gerade mal 6.000 Jahren auf Dinosauriern umherritten. Wir wird es sein, einen klugen Präsidenten zu haben? Die Wissenschaft, die acht Jahre verbannt war, wird zurückkehren. Man stelle sich vor, wie die führenden Köpfe des Landes sich anstrengen, Krankheiten zu heilen, neue Formen der Energie entdecken und arbeiten, um unseren Planeten zu retten. Ich weiß schon – kneift mich.

Wir könnten auch - möglicherweise - eine Zeit der erfrischenden Offenheit erleben, der Aufklärung und Kreativität. Künste und Künstler werden nicht als Feinde angesehen. Vielleicht wird die Kunst erforscht werden, um die größeren Wahrheiten zu entdecken. Als FDR [Präsident Franklin Delano Roosevelt – d.Ü.] 1932 mit seinem Erdrutschsieg gewählt wurde, kamen Frank Capra und Preston Sturgis, Woody Guthrie und John Steinbeck, Dorothea Lange und Orson Welles. Während der ganzen Woche wurde ich von Medien bestürmt, die fragten „Mensch, Mike, was wirst du bloß machen, wenn Bush nicht mehr da ist?“ Wollen sie mich veräppeln? Wie wird es erst sein, in einer Umgebung zu arbeiten und kreativ zu sein, die Film und Künste fördert, Wissenschaft und Erfindergeist, und die Freiheit, alles das zu sein, was man sein möchte. Seht tausend Blumen blühen! Wir sind in eine neue Ära eingetreten, und wenn ich unseren gemeinsamen ersten Gedanken über diese neue Ära zusammenfassen könnte, ist es dieser: „ALLES IST MÖGLICH.“

Ein Afro-Amerikaner wurde zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt! Alles ist möglich! Wir können unsere Wirtschaft den Händen der skrupellosen Reichen entreißen und sie dem Volk zurückgeben. Alles ist möglich! Jedem Bürger kann medizinische Versorgung garantiert werden. Alles ist möglich! Wir können das Abschmelzen des Polareises zum Stillstand bringen. Alles ist möglich! Diejenigen, die Kriegsverbrechen begangen haben, werden vor Gericht gestellt. Alles ist möglich!

Wir haben wirklich nicht viel Zeit. Eine gewaltige Arbeit muss getan werden. Doch dies ist für uns alle die Woche, diesen großen Augenblick zu genießen. Dankbar dafür zu sein. Behandelt die Republikaner nicht für den Rest eures Lebens in der gleichen Weise, wie sie euch in den vergangenen acht Jahren behandelt haben. Zeigt ihnen die Toleranz und Anständigkeit, die Obama während des Wahlkampfes ausgestrahlt hat. Obwohl sie ihn mit jedem nur möglichen Schimpfnamen belegten, weigerte er sich, ebenfalls in die Gosse hinabzusteigen und den Schmutz zurückzuwerfen. Können wir diesem Beispiel folgen? Ich weiß, das wird schwiergi.

Ich möchte allen danken, die ihre Zeit und ihre Möglicheiten einsetzten, um diesen Sieg möglich zu machen. Es war ein weiter Weg, diesem großen Lande war schwerer Schaden zugefügt worden, ganz zu schweigen von den Vielen, die ihren Arbeitsplatz verloren, durch medizinische Rechnungen bankrott gingen, oder dadurch litten, dass ein geliebter Mensch in den Irak geschafft wurde. Wir werden jetzt daran arbeiten, diese Schäden zu reparieren – und es wird nicht einfach sein.

Aber, welche Art, zu beginnen! Barack Hussein Obama, der 44. Präsident der Vereinigten Staaten. Toll - im Ernst, toll!

Euer Michael Moore

Unauthorisierte Übersetzung aus dem Amerikanischen: Hannes H., Straelen

Vielen Dank, Ellen Diederich, für diese Initiative!



Pinch Me ...

a message from Michael Moore

Wednesday, November 5th, 2008

Friends,

Who among us is not at a loss for words? Tears pour out. Tears of joy. Tears of relief. A stunning, whopping landslide of hope in a time of deep despair.

In a nation that was founded on genocide and then built on the backs of slaves, it was an unexpected moment, shocking in its simplicity: Barack Obama, a good man, a black man, said he would bring change to Washington, and the majority of the country liked that idea. The racists were present throughout the campaign and in the voting booth. But they are no longer the majority, and we will see their flame of hate fizzle out in our lifetime.

There was another important "first" last night. Never before in our history has an avowed anti-war candidate been elected president during a time of war. I hope President-elect Obama remembers that as he considers expanding the war in Afghanistan. The faith we now have will be lost if he forgets the main issue on which he beat his fellow Dems in the primaries and then a great war hero in the general election: The people of America are tired of war. Sick and tired. And their voice was loud and clear yesterday.

It's been an inexcusable 44 years since a Democrat running for president has received even just 51% of the vote. That's because most Americans haven't really liked the Democrats. They see them as rarely having the guts to get the job done or stand up for the working people they say they support. Well, here's their chance. It has been handed to them, via the voting public, in the form of a man who is not a party hack, not a set-for-life Beltway bureaucrat. Will he now become one of them, or will he force them to be more like him? We pray for the latter.

But today we celebrate this triumph of decency over personal attack, of peace over war, of intelligence over a belief that Adam and Eve rode around on dinosaurs just 6,000 years ago. What will it be like to have a smart president? Science, banished for eight years, will return. Imagine supporting our country's greatest minds as they seek to cure illness, discover new forms of energy, and work to save the planet. I know, pinch me.

We may, just possibly, also see a time of refreshing openness, enlightenment and creativity. The arts and the artists will not be seen as the enemy. Perhaps art will be explored in order to discover the greater truths. When FDR was ushered in with his landslide in 1932, what followed was Frank Capra and Preston Sturgis, Woody Guthrie and John Steinbeck, Dorothea Lange and Orson Welles. All week long I have been inundated with media asking me, "gee, Mike, what will you do now that Bush is gone?" Are they kidding? What will it be like to work and create in an environment that nurtures and supports film and the arts, science and invention, and the freedom to be whatever you want to be? Watch a thousand flowers bloom! We've entered a new era, and if I could sum up our collective first thought of this new era, it is this: Anything Is Possible.

An African American has been elected President of the United States! Anything is possible! We can wrestle our economy out of the hands of the reckless rich and return it to the people. Anything is possible! Every citizen can be guaranteed health care. Anything is possible! We can stop melting the polar ice caps. Anything is possible! Those who have committed war crimes will be brought to justice. Anything is possible.

We really don't have much time. There is big work to do. But this is the week for all of us to revel in this great moment. Be humble about it. Do not treat the Republicans in your life the way they have treated you the past eight years. Show them the grace and goodness that Barack Obama exuded throughout the campaign. Though called every name in the book, he refused to lower himself to the gutter and sling the mud back. Can we follow his example? I know, it will be hard.

I want to thank everyone who gave of their time and resources to make this victory happen. It's been a long road, and huge damage has been done to this great country, not to mention to many of you who have lost your jobs, gone bankrupt from medical bills, or suffered through a loved one being shipped off to Iraq. We will now work to repair this damage, and it won't be easy. But what a way to start! Barack Hussein Obama, the 44th President of the United States. Wow. Seriously, wow.

Yours,

Michael Moore

Source: www.michaelmoore.com/


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