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Washingtons Kriege sind künftig "smart"

Clinton will als Außenministerin die USA-Führung in der Welt auch mit Diplomatie erneuern

Von Olaf Standke *

Nach einer reibungslosen Senatsanhörung scheint der raschen Bestätigung Hillary Clintons als USA-Außenministerin nichts mehr im Wege zu stehen. Bereits heute will der Auswärtige Ausschuss des Washingtoner Oberhauses über ihre Berufung abstimmen, danach soll ein Votum des gesamten Senats folgen, damit Clinton ihr neues Amt bereits am 20. Januar, dem Tag der Vereidigung von Präsident Barack Obama, antreten kann.

Hillary Clinton kam in Begleitung ihrer Tochter Chelsea zur Anhörung ins Kapitol, ohne Ehemann Bill. Und die Seitenhiebe einiger Republikaner gegen dessen in aller Welt tätige Stiftung waren dann auch schon der kritischste Punkt der Fragestunde. Senator Lugar forderte sogar, dass Bill Clintons Lieblingsprojekt von jenem Tag an, da die neue Außenministerin ihr Amt antritt, keine Spenden mehr aus dem Ausland annehmen dürfe, um jeden Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden. Hillary Clinton soll als Senatorin seit 2001 in mindestens sechs Fällen für US-amerikanische Firmen politisch tätig geworden sein, die später für die »Clinton Global Initiative« Geld gegeben hätten.

Ansonsten aber gab es viel Lob für die Kandidatin, nicht nur vom Ausschussvorsitzenden, ihrem demokratischen Parteikollegen John Kerry (»außerordentlich fähig und intelligent«). Auch Richard Lugar pries die Qualifikation der einstigen First Lady. Sie könne das Image der USA in der Welt wieder verbessern. Wie aber will sie das tun? Zum Beispiel durch die dezidierte Absage an internationale Alleingänge. »Amerika kann die drängendsten Probleme der Welt nicht allein, und die Welt kann sie nicht ohne Amerika lösen«, so die neue Washingtoner Formel. Ihre Außenpolitik werde »auf Prinzipien und Pragmatismus, nicht auf rigider Ideologie« beruhen, sagte Clinton mit Blick auf die scheidende Bush-Administration. Sie plädierte für eine »Vertiefung der traditionellen Vertrauensbeziehungen zu Europa« und erwähnte dabei namentlich auch Deutschland. Ungeachtet »unvermeidlicher Meinungsverschiedenheiten« werde man den Europäern »die Hand entgegenstrecken«. So soll der Kampf gegen den Klimawandel zu den Prioritäten der neuen Außen- und Sicherheitspolitik gehören. Nicht nur hier warte die Welt auf »Amerikas Führerschaft«.

Dabei habe künftig Diplomatie Vorrang vor militärischen Lösungen. »Smart Power« nennt die designierte Außenministerin diese Strategie. Sie werde vom Pentagon völlig geteilt. Kein Wunder, denn ein Abschied von militärischer Abschreckung und Gewaltanwendung ist dieses Konzept der »klugen Machtausübung« keineswegs. Es umfasse »den Einsatz unseres vollen Arsenals«, betonte Clinton: »Militäreinsätze werden bisweilen nötig sein, und wir werden auf sie als letztes Mittel setzen.« Das gelte auch in der Iran-Politik, wo »keine Option vom Tisch« sei. Denn eine nukleare Bewaffnung Tehe-rans könne man nicht akzeptieren. Vorerst werde aber angestrebt, mit Diplomatie, schärferen Sanktionen und der Bildung von Koalitionen interessierter Staaten eine atomare Bewaffnung Irans zu verhindern. Auch in Afghanistan, der »zentralen Front im Kampf gegen den Terrorismus«, sei eine »kluge Kombination aus Diplomatie, Entwicklungspolitik und militärischen Operationen« notwendig. Bisher jedoch scheint nur klar, dass Obama die Truppenstärke am Hindukusch mit 30 000 zusätzlichen Soldaten fast verdoppeln wolle, wie die »Washington Post« schrieb. Und vom Wahlkampfversprechen, in 16 Monaten alle Kampftruppen aus Irak abzuziehen, ist längst keine Rede mehr.

Recht schweigsam zeigte sich Obama bisher in Sachen Nahost. Nun kündigte seine künftige Außenministerin verstärkte Anstrengungen zur Lösung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern an. »Das Leiden palästinensischer und israelischer Zivilisten schmerzt auch uns.« Man werde »jede Anstrengung unternehmen«, um eine Friedensregelung zu unterstützen. Ausdrücklich billigte Clinton Israel ein Recht auf Selbstverteidigung gegen Angriffe der Hamas zu. Grundsätzlich tritt Präsident Obama für eine Zwei-Staaten-Lösung ein.

Ambivalent sind die Signale an Moskau. Einerseits sprach sich Clinton für die Wiederbelebung der Verhandlungen über den Abbau von Nuklearsprengköpfen sowie einen umfassenden Atomteststopp aus und regte eine enge Zusammenarbeit in der arktischen Region an, sei die doch künftig von großer ökologischer und energiepolitischer Bedeutung. Zum anderen nannte sie die geostrategischen Positionen Russlands, die sich im derzeitigen Gasstreit widerspiegelten, »ein signifikantes Sicherheitsproblem«. Notwendige Gespräche mit den Europäern über »Energiesicherheit« könnten sich da auch auf Artikel 5 des NATO-Vertrages (Beistandsverspflichtung) erstrecken. Das nennt man dann wohl eine handfeste Drohung.

Während der scheidende Präsident Bush seine letzten Amtstage für einen Rundumschlag gegen Kuba nutzte, will sein Nachfolger die Beziehungen wohl vorsichtig verbessern. Geplant seien Reiseerleichterungen für Menschen, die ihre Verwandten auf der Insel besuchen wollten, sagte Clinton. Im Gegenzug müsse sich aber auch Havanna bewegen. Zu hoffen sei auf eine Freilassung von politischen Häftlingen und eine Öffnung der kubanischen Wirtschaft. Brasilien hat sich angeboten, zwischen den USA und Kuba, aber auch Venezuela und Bolivien zu vermitteln.

* Aus: Neues Deutschland, 15. Januar 2009


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