"Die Stellung der Prävention bleibt unverändert in unserer nationalen Sicherheitsstrategie"
US-Präsident George W. Bush verkündet eine neue "Nationale Sicherheitsstrategie für die Vereinigten Staaten von Amerika" - Kurze Zusammenfassung
Am 16. März 2006 verkündete US-Präsident George W. Bush eine neue Nationale Sicherheitsstrategie für die Vereinigten Staaten von Amerika. Gerade noch rechtzeitig vor dem dritten Jahrestag des Angriffs auf den Irak, der von der Friedensbewegung und kritischen Intellektuellen in der ganzen Welt als "Tag der Lüge" begangen wird.
Das 49 Seiten umfassende Papier, dem ein Vorwort des Präsidenten vorangestellt ist, behandelt in 11 Kapiteln alle wesentlichen Herausforderungen, denen sich die USA seit dem 11. September 2001 weltweit gegenüber sieht.
Bush beginnt sein Vorwort mit dem markigen Satz: "Amerika befindet sich im Krieg." Damit ist der politisch-historische Rahmen benannt, in den die Strategie gestellt ist: Es ist in erster Linie eine Kriegsstrategie, d.h. es sind Überlegungen, wie mit militärischen Mitteln den realen oder vermeintlichen oder vorgegebenen Bedrohungen und Angriffen begegnet werden kann. Im zweiten Schritt geht es dann um den Aufbau des Friedens - in Amerika selbst und in der Welt. Bush stellt zwei Pfade zur Auswahl - einen "Pfad der Angst" oder einen "Pfad der Zuversicht". Der erste Pfad wird von denjenigen befürwortet, die vor den großen Herausforderungen kapitulieren und die Chancen nicht sehen. Er führe geradewegs in den Isolationismus und Protektionismus. Der zweite Pfad indessen, für den sich die Regierung entschieden hat, ist vom Willen gekennzeichnet, die Führungsrolle in der Welt einzunehmen und sich dem freien Welthandel zu stellen. Militärisch gesprochen handelt es sich bei dieser Strategie um den bekannten Grundsatz, den Feind außerhalb des Landes zu bekämpfen, damit er gar nicht erst Gelegenheit hat in den USA anzukommen. Die USA müssten die Welt gestalten und nicht von der Welt gestaltet werden. Bush beschwört in diesem Zusammenhang ausdrücklich die US-Präsidenten Truman und Reagan, deren aggressive Weltpolitik (Truman-Doktrin, Reagans atomarer Aufrüstungskurs) offenbar Vorbildfunktion für die gegenwärtige Administration hat.
Die beiden Säulen, auf denen die US-Sicherheitsstrategie beruht, sind einmal die Förderung von "Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde" in aller Welt, der Kampf gegen Tyrannei, die Verbreitung von Demokratie und Wohlstand, zum anderen die Zusammenarbeit mit einer wachsenden Zahl von Demokratien in der Welt. Dieses Plädoyer für "multinationale" Anstrengungen findet seine krönende Bestätigung in der Führungsrolle, die natürlich den Vereinigten Staaten zufällt. "Amerika muss weiterhin führen", heißt der letzte Satz im Vorwort des Präsidenten.
Die Nationale Sicherheitsstrategie 2006 (NSS 2006) baut auf den Grundsätzen seiner Vorläuferin, der NSS 2002, auf. Die veränderte Lage, der sich die US-Administration gegenübersieht, besteht darin, dass die großen Bedrohungen des 20. Jahrhunderts, "Faschismus und Kommunismus" besiegt wurden und nun an deren Stelle eine neue "totalitäre Ideologie" getreten sei, die auf der "Perversion einer stolzen Religion" beruht. (Der Text vermeidet hier - Seite 6 - die Nennung des Islam oder Islamismus, nichts anderes aber ist gemeint. Deutlich wird das auf S. 16.) Auch wenn sich die Ideologie vom Kommunismus unetrscheidet, so seien doch die Mittel dieselben: "Intoleranz, Mord, Terror, Versklavung und Unterdrückung".
Daraus ergeben sich dann für die Vereinigten Staaten neun wichtige Aufgaben (die dann im einzelnen in den Kapiteln II bis X abgehandelt werden). Die USA müssen
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sich für die hohen Ziele der Menschenwürde engagieren (Kap. II),
- Allianzen gegen den globalen Terror schmieden um Angriffe auf die USA oder ihre Freunde zu verhindern (Kap. III),
- mit anderen zusammen arbeiten um regionale Konflikte zu entschärfen (Kap. IV),
- die Feinde daran hindern, die USA oder ihre Freunde mit Massenvernichtungswaffen zu bedrohen (Kap. V),
- eine neue Ära globalen ökonomischen Wachstums entfachen, das auf freien Märkten und freiem Handel beruht (Kap. VI,
- den Kreislauf der Entwicklung erweitern durch Öffnung der Gesellschaften und den Aufbau demokratischer Strukturen (Kap. VII,
- Strategien ("agendas") entwickeln für gemeinsame Aktionen mit anderen Zentren "globaler Macht" (Kap. VIII),
- die Institutionen der nationalen Sicherheit so verändern, dass sie den Herausfoederungen des 21. Jahrhunderts gerecht werden (Kap. IX),
- die Chancen wahrnehmen und sich den Herausforderungen der Globalisierung stellen (Kap. X).
Das abschließende 11. Kapitel enthält eine kurze Zusammenfassung der drei Hauptgedanken der NSS: Erstens wird darauf hingewiesen, dass die USA trotz ihrer großen Macht nun ihrer Möglichkeiten nicht alle Probleme allein lösen kann. Sie sind also auf Kooperation angewiesen und dürfen sich nicht in die Isolation zurückziehen. Zweitens wird betont, dass die Sicherheitsstrategie "idealistisch hinsichtlich ihrer Ziele" und "realistisch hinsichtlich ihrer Mittel" ist. Und zum dritten wird noch einmal die Führungsrolle der USA hervorgehoben: "Amerika muss durch die Tat und durch das Vorbild führen."
Die einzelnen Kapitel sind alle nach dem selben Schema aufgebaut: Zunächst wird an die NSS 2002 angeknüpfte, d.h. es wird an wesentliche Aussagen der NSS 2002 zu dem jeweiligen Sachbereich erinnert. In einem zweiten Schritte werden die Entwicklungen bzw. Erfolge ("Successes") dargestellt, die die USA in den letzten drei Jahren zu verzeichnen haben, und es werden die "Herausforderungen" ("Challenges") bzw. die unerledigten Aufgaben benannt. Und in einem dritten Schritt wird der noch vor uns liegende Weg ("The Way Ahaed") beschrieben.
Neues gegenüber der NSS 2002 bringt die NSS 2006 nicht. Man kann eher sagen, die NSS 2002 wird in allen zentralen Aussagen bestätigt, insbesondere wenn es um das usurpierte "Recht" der USA auf Präventivkriege" geht: "Die Stellung der Prävention bleibt unverändert in unserer nationalen Sicherheitsstrategie." (S. 23) Und zwei Sätze davor heißt es ebenso unmissverständlich: "Falls erforderlich (...) schließen wir den Einsatz von Gewalt nicht aus, um einen Angriff zu verhindern, auch wenn Ungewissheit über Zeit und Ort eines feindlichen Angriffs herrscht." (S. 23) Der aktuelle politische Kontext ist ebenfalls klar: Zuvor war von der Hauptbedrohung Iran (v.a. S. 20f) sowie von Nordkorea die Rede gewesen.
Neben dem Iran und Nordkorea gibt es - um in der Diktion der NSS zu bleiben - noch eine Reihe anderer "Schurkenstaaten" ("rogue states"). Das sind Syrien, Kuba, Weißrussland (Belarus), Burma (Myanmar)
und Simbabwe (S. 3). Alle diese "Tyranneien" bedrohen die Interessen der freien Welt und der Demokratie und müssen daher "beendet" werden (S. 4, 6). Von den heute vorhandenen 196 Staaten haben nach US-Auffassung ca. 120 demokratische Regierungssysteme. Zu den bereits genannten sieben Oberschurken können sich also jederzeit weitere 70 Staaten hinzu gesellen. Am schärfsten geht die NSS 2006 mit dem Iran ins Gericht: "Das iranische Regime finanziert den terrorismus, bedroht Israel, versucht den Frieden im Nahen Osten zu vereiteln, stört die Demokratie im Irak und leugnet den Wunsch seines Volkes nach Freiheit", heißt es im Kapitel V, das sich mit der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen befasst (S. 20).
P. Strutynski
Hier geht es zur Originalfassung der Nationalen Sicherheitsstrategie vom 16. März 2006 (englisch):
The National Security Strategy of the Unites States of America (pdf-Datei).
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