Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Hauptverhandlung erneut verschoben

US-Behörden wollen Bradley Manning mit Julian Assange und beide mit Al-Qaida in Verbindung bringen

Von Jürgen Heiser *

Die Hauptverhandlung im Fall des »Whistleblowers« Bradley Manning ist am Mittwoch erneut verschoben worden. Sie wird nun nicht vor dem 3. Juni 2013 beginnen. Dann wird der Nachrichtenanalyst der US-Armee bereits drei volle Jahre in Untersuchungshaft sitzen.

Bereits am Dienstag hatte die vorsitzende US-Militärrichterin Denise Lind Manning in der aktuellen elften Anhörung eine knapp viermonatige Strafreduzierung auf eine mögliche Gefängnisstrafe gewährt. Der Angeklagte war Ende Mai 2010 in Bagdad unter dem Vorwurf verhaftet worden, interne Kriegsprotokolle aus Afghanistan und Irak und Dokumente des US-Außenamts an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergeleitet zu haben.

Wegen der Auseinandersetzung um Mannings Haftbedingungen war der Beschluß des Gerichts über einen Einstellungsantrag der Verteidigung mit großer Spannung erwartet worden. Richterin Lind räumte dem Obergefreiten eine Reduzierung von 112 Tagen auf eine von den Anklägern des Pentagon angestrebte lebenslängliche oder zumindest langjährige Gefängnisstrafe ein. Diese Reduzierung sei Manning zu gewähren, da er in der Haft der Marinebasis Quantico, Virginia, tatsächlich zeitweise »rechtswidrig vor dem Prozeß bestraft wurde«, so Lind. Seine Haftbedingungen seien »rigoroser als notwendig« und »zu exzessiv im Verhältnis zu den legitimen Sicherheitsinteressen des Staates« gewesen. Die Einstellung des Verfahrens lehnte die Richterin jedoch ab.

Am 16. und 17. Januar wird die Verteidigung deshalb in öffentlicher Verhandlung weiter ausführen, warum sie in der ständigen Verschleppung des Prozeßbeginns und der daraus folgenden »rechtswidrig langen Untersuchungshaft« ihres Mandanten ein weiteres Verfahrenshindernis sieht, das die Niederschlagung der Anklage zwingend mache. Die Staatsanwaltschaft hingegen erwartet in der nächsten Woche eine Gerichtsentscheidung zu ihrem Antrag, Beweiserhebungen über die Motive Mannings als »Whistleblower« im Prozeß nicht zuzulassen. Anklägerin Angel Overgaard kündigte zudem Beweisanträge zur Verbindung Mannings zu Wikileaks-Gründer Julian Assange an. Außerdem soll ein Brief aus dem Haus Osama bin Ladens in den Prozeß eingeführt werden, in dem der von US-Spezialkräften erschossene Anführer von Al-Qaida angeblich ein Mitglied seiner Organisation aufgefordert haben soll, »Dokumente des US-Verteidigungsministeriums« zu besorgen. Ein Hinweis auf die verzweifelten Versuche der US-Behörden, Manning mit Assange und beide mit Al-Qaida in Verbindung zu bringen.

Das sei eine Reaktion auch auf die Anträge der Verteidigung zum Beweis, daß Wikileaks »eine legitime Nachrichtenorganisation ist«, so Anwalt Coombs. Anklägerin Overgaard sieht jedoch »die Glaubwürdigkeit von Wikileaks« bezüglich Mannings Motiven als »irrelevant« an. Was Richterin Lind zu der Frage provozierte, ob die Anklagevorwürfe denn genauso lauten würden, »wenn es hier nicht um Wikileaks, sondern um die New York Times« ginge. »Aber sicher!« war die klare Antwort der Staatsanwältin.

* Aus: junge Welt, Samstag, 12. Januar 2013


Zurück zur USA-Seite

Zurück zur Homepage