Bush's Neue Weltordnung mit Bomben und Raketen
Es geht nicht nur um den Irak
Torsten Wöhlert schrieb im Freitag vom 23. Februar 2001 einen Kommentar: "America first", worin er sich mit der Außen- und Weltpolitik des neuen, vom Gericht eingesetzten US-Präsidenten George W. Bush auseinandersetzt. Wir dokumentieren daraus die uns wesentlich erscheinenden Passagen:
...
Wenn Saddam Hussein macht, was der vermeintlich mächtigste Mann der
Welt will, darf er sehr alt werden, tönt es aus dem Weißen Haus. Wenn
nicht, hagelt es Raketen. Die Bushs haben mit Saddam Hussein ein
"unfinished business", etwas, das noch erledigt werden muss. Da ist eine
alte, sehr persönliche Rechnung offen, heißt es. Stimmt. Bush senior
beendet den Kalten Krieg "siegreich", gewinnt die Schlacht am Golf - und
verliert zu Hause gegen ein Greenhorn aus Arkansas, das sich dann acht
Jahre an der Macht hält und im Schlingerkurs durch die schöne neue
Weltordnung stolpert. Diese Schmach sitzt tief.
Sicher: Auch Clinton hat immer wieder Bomben über Irak ausklinken
lassen. Und dass die UNO-Inspektoren seit über zwei Jahren nicht mehr
nachsehen können, wie gut der Diktator in Bagdad sein Arsenal an
Massenvernichtungswaffen wieder gefüllt hat, geht auf Clintons
schießwütige Reflexe während der Lewinsky-Affäre zurück. Doch beide,
Vater Bush und Clinton, besaßen wenigstens so etwas wie einen Plan,
bevor sie in dieser sensiblen Region den dicken Knüppel schwangen. Und
ein paar Telefonnummern im Kopf, die anzurufen nützlich oder wenigstens
höflich ist.
Der neue Texaner im Weißen Haus aber scheint völlig von Sinnen zu sein:
Europäische Verbündete ... murren hörbar oder hüllen sich in beredtes Schweigen; Moskau
und Peking schlagen Alarm; gemäßigte arabische Eliten am Golf und
anderswo packt blankes Entsetzen; ... und in Palästina
zwingt der Druck einer frustrierten Bevölkerung Arafat & Co. zu
Solidaritätsadressen gegenüber Bagdad, die an unsägliche Bücklinge aus
vergangenen Invasionstagen erinnern, als Saddam Husseins Truppen sich
des reichen Nachbarn zu bemächtigen suchten.
Doch hinter Bushs Bomben auf Bagdads Flugabwehr steckt mehr als ein
persönlicher Rachefeldzug im Namen des Vaters. Der Schwachsinn hat
Methode! ...
... Es sieht so aus, als befände sich die
Bush-Administration in einer Art von sicherheitspolitischem Delirium. Vor
allem Hardliner wie Vizepräsident Cheney und Pentagon-Chef Rumsfeld
scheinen dem Rausch einer Supermachtpolitik erlegen, die alles darf und
Kompromisse nicht mehr nötig hat.
Dabei waren es Vater Bush, Dick Cheney und Collin Powell, die Saddam
Hussein nach dem Wüstensturm aus regionalpolitischem Kalkül an der
Macht ließen. Zehn Jahre später sitzt seine Clique immer noch fest im
Sattel. All das haben auch die Nachbarn zur Kenntnis nehmen müssen und
sind dabei, ihre Fühler gen Bagdad auszustrecken. Man ist bereit, sich
wieder zu arrangieren. Sehr zum Ärger der neuen Administration, die von
den Vermittlungsversuchen Kofi Annans ebenso wenig hält, wie von der
französisch-russischen Golfphilosophie, dass man Saddam ein "Licht am
Ende des Tunnels" zeigen müsse, um ihn zur Kooperation zu bewegen.
Washingtons Raketen sind daher durchaus mit strategischem Kalkül
abgefeuert worden. Sie gelten beileibe nicht nur Bagdad. Der zur Routine
gewordene militärische Kleinkrieg um die - völkerrechtlich nicht
unumstrittenen - Flugverbotszonen ist in "normalen" Zeiten kaum noch eine
Agenturmeldung wert. Die Wüstenstürmer von einst setzen auf tradierte
Instrumente einer Irakpolitik, die da heißt "Knüppel aus dem Sack" und
"Unterstützung der irakischen Opposition", wie diffus letztere auch immer
daher kommen mag. Proteste der arabischen Straße kümmern dabei nur
wenig. Im Gegenteil: Sie kommen sogar gelegen, weil die Verdammung des
"amerikanisch-zionistischen Imperialismus" einer Großen Koalition in Israel
eher zu- als abträglich sein dürfte. Je bedrohlicher die Lage, desto größer
die Bereitschaft der Arbeitspartei, sich einer Regierung der Nationalen
Einheit trotz politischer Bedenken aus patriotischem Pflichtgefühl nicht zu
verweigern.
Und natürlich muss ab und an vorgeführt werden, dass es die Schurken
noch gibt, vor deren Terror die USA mit einem Raketenschild geschützt
werden sollen. Was Freund und Feind von den NMD-Plänen halten, spielt
keine Rolle. Auch dies eine deutliche Botschaft nicht nur gen Moskau und
Peking, sondern vor allem an die Adresse der europäischen Verbündeten,
deren sicherheitspolitische Emanzipationsübungen bei der neuen
Administration keineswegs auf reine Gegenliebe stoßen.
Amerika will die Welt nach seinen Prinzipien ordnen, und Saddam Husseins
Irak bietet sich der Bush-Dynastie zum zweiten Mal als Versuchsfeld an.... Nach der
Devise: America first - koste es, was es wolle.
Auszüge aus: Freitag, 23. Februar 2001
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