Buhlen um Neu-Delhi
USA setzen weiter auf Indien als Partner für "Missionen" in Asien und Irak
Im Folgenden dokumentieren wir eine Einschätzung des Südasien-Korrespondenten Hilmar König, die wir der "jungen Welt" entnommen haben.
VonHilmar König
Trotz Neu-Delhis nein zum US-amerikanischen Wunsch, indische Truppen
in Irak zu stationieren, hält das Pentagon unvermindert daran fest,
Inder, Pakistaner und Bangladeschis mit ins »irakische Boot« zu
holen. Daran ließ Verteidigungsminister Donald Rumsfeld kürzlich
bei einem Briefing in Washington keinen Zweifel. Und mit derselben
Absicht dürfte er General Richard B. Myers, den Chef der US-Stabs-
chefs, in dieser Woche nach Neu-Delhi und Islamabad geschickt haben.
Allerdings wollte der General vor Reportern die Katze nicht aus dem
Sack lassen. Man habe mit dem indischen Militär über die Situation
in Irak und Afghanistan »Meinungen ausgetauscht«. Ansonsten sei
»jeder Beitrag zum Peacekeeping in Irak willkommen«, bemerkte er
lediglich.
Was sich hinter den Kulissen abspielte, enthüllten auch die Inder
nicht. Bekannt wurde aber, daß US-Außenminister Colin Powell in
einem Telefonat mit seinem indischen Kollegen Yashwant Sinha an-
deutete, Washington wolle sich um eine neue UN-Sicherheitsratsre-
solution zu Irak bemühen. Powell kennt die Bedingung Neu-Delhis:
Nur wenn die UNO ausdrücklich internationale Peacekeeper an Euphrat
und Tigris befürwortet, würde Indien eigene Truppen entsenden.
Washingtons Interesse an einer engen Militärkollaboration mit Indien
geht über Irak hinaus. Ein jetzt bekannt gewordener Pentagon-Bericht
vom Oktober 2002 spricht davon, Indien als kompetenten militärischen
Partner zu gewinnen, der in Asien wichtige »Nebenarbeiten«, wie
Peacekeeping, Such- und Rettungsaktionen, humanitäre Assistenz,
Katastrophenhilfe und Eskortieren von Warentransporten mit hohem
Wert übernehmen könne. Das wiederum würde dem US-Militär erlauben,
»sich auf Kampfmissionen zu konzentrieren«. In diesem Zusammenhang
wünscht sich das Pentagon Zugang zu indischen Stützpunkten und zur
militärischen Infrastruktur. Damit wäre die US-Luftwaffe z. B. in
der Lage schneller auf regionale Krisen in instabilen Regionen wie
Mittelasien, Südostasien und dem Persischen Golf zu reagieren und
die »US-Macht-Projektion in diesen Arealen zu entwickeln«. Die USA
brauchen, so heißt es in dem Bericht, Alternativen in Asien, und
Indien sei wegen seiner strategischen Lage und dem militärischen
Kommunikationsnetz die erste Wahl.
Keine Frage, daß man in indischen Regierungskreisen diese Töne mit
Wohlgefallen vernimmt. Deshalb auch hat man die Tür nach Irak zwar
geschlossen, aber nicht verriegelt. Vorerst gilt das am 14. Juli
verkündete Nein zur »Reise nach Bagdad«, doch die Streitkräfte
sind auf alle Eventualitäten vorbereitet. Die bereits ausgewählte
Infanterie-Division von 17.000 Mann, komplettiert mit gepanzerten
Fahrzeugen und Artillerie-Brigaden, soll bereits abmarschbereit
sein.
Die Meinung der Mehrheit der Inder hat sich indes nicht geändert.
Der Erfolgsautor Amitav Ghosh warnte in einem Essay: Man solle
keine Illusionen über die Rolle indischer Truppen in Irak haben.
Sie würden nicht als Polizei fungieren, sondern Krieg führen.
»Was auch immer behauptet wird, klar ist, daß der Krieg in Irak
längst nicht zu Ende ist.«
Aus: junge Welt vom 02.08.2003
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