Bei Watergate schien alles einfacher
USA: Die Demokraten wagen sich noch nicht an ein Impeachment-Verfahren gegen George Bush
Von Konrad Ege *
"Wenn der Kongress nicht sofort ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bush und Cheney einleitet, könnten die USA schon in einem Jahr ein diktatorischer Polizeistaat im Krieg gegen den Iran sein." Hysterisch? Alarmistisch? Solche Mutmaßungen, wenn auch nicht immer so zugespitzt formuliert, gehören in den USA allmählich zum politischen Diskurs. Unter den Gegnern des Irak- und Afghanistan-Krieges, frustriert von der rhetorisch gewaltigen, aber praktisch begrenzten Opposition demokratischer Politiker, mehren sich die Impeachment-Forderungen. "Peace Mom" Cindy Sheehan, Mutter eines im Irak gefallenen Soldaten und seit ihrem Protest im Sommer 2005 vor Bushs Landsitz das Gesicht der Friedensbewegung, organisierte gerade ein Sit-in im Büro des demokratischen Kongressabgeordneten John Conyers: Als Vorsitzender des Justizausschusses im Repräsentantenhaus müsse Conyers den Impeachment-Prozess beginnen. Bush habe mit seinen Kriegslügen und den Folterungen mutmaßlicher Terroristen Gesetz und Verfassung gebrochen. Nur ein Impeachment könne ihn und den Irak-Krieg stoppen.
Magenbeschwerden haben auch ein paar Konservative, die an die republikanischen Ideale glauben. Der selbst definierte "Kriegspräsident" und sein Vize trampelten auf den Prinzipien der Gründerväter herum, sagen sie: durch willkürliche Lauschangriffe, durch Haft ohne Prozess und - mit Blick auf den Irak und eine heraufziehende Konfrontation mit Iran - durch Kriege ohne Autorisierung des Kongresses. Der eingangs zitierte Alarmschrei kommt von Paul Craig Roberts, unter Reagan hochrangiger Mitarbeiter im Finanzministerium - er glaubt, Bush brauche eine Krise oder einen neuen Kriege, um die Republikaner und die rechtskonservative Ideologie an der Macht zu halten.
Die "9/11-Strategie", um eine imperiale Präsidentschaft zu rechtfertigen, hat an Überzeugungskraft eingebüßt. Patrick Leahy, der Vorsitzende des Justizausschusses im Senat, droht Justizminister Alberto Gonzales mit Ermittlungen wegen des Verdachts auf Meineid: Nach Ansicht mehrerer Senatoren soll Gonzales bei Aussagen über die vermutlich politisch motivierte Entlassung "nicht loyaler" Bundesanwälte und über ein möglicherweise verfassungswidriges Telefon- und Datenüberwachungsprogramm gelogen habe. Selbst FBI-Direktor Robert Mueller hat Gonzales´ Behauptung widersprochen, in der Regierung habe niemand Bedenken angemeldet gegen die Überwachung. Es habe vielmehr heftige Kritik gegeben, betont Mueller, und er selbst mit Rücktritt gedroht.
Bush weigert sich nun, den Kongress Dokumente über die Entlassungen und die Lauschangriffe einsehen zu lassen. Er hat von der Legislative vorgeladene Mitarbeiter angewiesen, sich nicht zu rühren. Die Missachtung einer Vorladung ist strafbar - das Justizministerium müsste eingreifen, aber Gonzales will dies offenbar nicht tun. Besteht der Kongress auf seinem Recht als ein der Exekutive ebenbürtiger Arm der Regierung droht ein Rechtsstreit historischen Ausmaßes. Im Weißen Haus wird trotzdem gemauert: Bei einer Kongressanhörung erklärte Sara Taylor, eine ranghohe Mitarbeiterin: Sie habe einen Eid auf George Bush abgelegt und halte sich an Weisungen des Präsidenten, bestimmte Fragen nicht zu beantworten. Senator Leahy musste Taylor korrigieren: In den USA gelobe man nicht dem Präsidenten Treue, sondern der Verfassung.
Den Staatsgründern galt ein Impeachment als Notbremse, damit nach der Revolution gegen die britische Monarchie kein Despot die Macht ergreifen konnte. Die Verfassung sieht ein entsprechendes Verfahren nur bei "schweren Verbrechen und Vergehen" des Präsidenten vor. Das Repräsentantenhaus muss es einleiten - der Senat entscheidet über Schuld oder Unschuld. 1998 fand ein wegen Meineids gegen Präsident Clinton gestellter Impeachment-Antrag keine Mehrheit. Richard Nixon trat 1974 noch während seines Impeachment-Verfahrens zurück. Die Demokraten haben sich noch nicht für ein Impeachment erwärmen können. John Conyers, ein scharfer Kritiker der Regierung, informierte Cindy Sheehan, es gebe bisher keine Mehrheit für einen solchen Schritt. Die Parteiführung handelt nach dem Prinzip, dass Bush und die Republikaner sich selber zerstören mit ihrer Irak-Strategie: Also: Machen lassen. Außerdem müsse man fragen: Gefährdet Bush wirklich die amerikanische Republik? Oder handelt es sich hier nur um einen harten, aber als politischen Schlagabtausch durchaus akzeptablen Konflikt?
Kriegsgegner freilich müssen entscheiden: Sagt man den Impeachment unwilligen Demokraten den Kampf an, wie Sheehan es getan hat mit ihrer Ankündigung, sie werde bei den nächsten Wahlen gegen die Abgeordnete Nancy Pelosi kandidieren, die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses und höchste Demokratin in Washington? Einst, bei Nixon und Watergate, schien alles viel einfacher. Zumindest rückblickend sieht es so aus.
* Aus: Freitag 31, 3. August 2007
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