Bushs Gruselkabinett
Nochmaliger Rechtsruck innerhalb der US-Regierung
Im Folgenden dokumentieren wir einen Beitrag, der sich mit der Umbildung der US-Regierung nach dem Wahlsieg von Präsident Bush befasst. Er befindet sich IMI-Analyse 2004/033 auf der Homepage der IMI-Informationsstelle Militarisierung e.V.: www.imi-online.de.
Von Jürgen Wagner
Inzwischen kristallisiert sich ein erkennbares Muster hinter der
umfangreichen Kabinettsumbildung heraus, die US-Präsident George W.
Bush vor kurzem verkündet hat. Neben den Neubesetzungen der Energie-,
Landwirtschafts- und Familienminister, ist vor allem der Rücktritt des
christlichen Hardliners John Ashcroft als Justizminister und von Colin
Powell als Außenminister von Bedeutung.
Zusammen mit der Ernennung eines neuen Sicherheitsberaters und der
Diskussion um den Posten des stellvertretenden Außenministers deutet
die Kabinettsumbildung auf eine extreme Stärkung der ohnehin schon
dominierenden Hardliner hin: Jonathan Clarke vom amerikanischen
CATO-Institut bringt es auf den Punkt: "Die Botschaft lautet: 'Wenn du
gemocht hast, was in der ersten Amtszeit passierte, wirst du die
Zweite lieben.'" Bushs neues Gruselkabinett repräsentiert somit einen
Kantersieg für die Neokonservativen und ihre Kriegspolitik.
Ein Folterbefürworter als Justizminister
Bedauerlicherweise ist Ashcrofts Nachfolger, Alberto Gonzales, keinen
Deut besser. Der 49-jährige gehört dem engsten Kreis um Bush an.
Deutliche Einblicke wessen Geistes Kind Gonzales ist, eröffnete ein im
Februar 2002 verfasstes Memorandum, in dem er für die US-Regierung das
Recht reklamierte, Gesetze gegen Folter und Abkommen zum Schutz
Kriegsgefangener auszusetzen. Damit lieferte er den argumentativen
Unterbau für die in Abu Ghraib in die Praxis umgesetzten Folterungen
von Gefangenen. Des weiteren gilt er als Architekt der
völkerrechtswidrigen Inhaftierungen im kubanischen Guantanamo.
Die Ernennung von Gonzales war allerdings nur ein erster Fingerzeig
darauf, dass Bush in seiner zweiten Amtszeit weiterhin - und sogar
noch weit mehr als bisher - auf Personen aus dem Kreis der
neokonservativen Hardliner zurückgreifen wird und beabsichtigt
moderatere Stimmen nun vollständig zu marginalisieren.
Feindliche Übernahme des Außenministeriums
Mit Colin Powell verlässt die letzte vorsichtigere und dem Einsatz
militärischer Kräfte skeptisch gegenüberstehende Stimme die Regierung.
Zwar war ist es sicher kein Ruhmesblatt, dass der scheidende
Außenminister, nachdem er sich wie üblich nicht gegen die
Neokonservativen durchsetzen konnte, prinzipiell die Hacken
zusammenschlug und salutierend half die Kriegspolitik seines
Präsidenten umzusetzen. Denn hiermit diente er als multilaterales
Feigenblatt der Regierung und half dabei, deren unilaterale
Hegemonialpolitik international zu legitimieren. Überdeutlich wurde
dies, als er Anfang 2003 vor dem UNO-Sicherheitsrat mit windigsten
"Beweisen" die angeblichen Massenvernichtungsmittel Saddam Husseins
anprangerte, obwohl er Medienberichten zufolge wusste, dass diese
Anklagen auf wilden Spekulationen beruhten.
Dennoch artikulierte Powell mehrfach seine erheblichen Vorbehalte
gegenüber der neokonservativen Kriegspolitik. Von Bush und seinen
Schergen wurde ihm dabei besonders übel genommen, dass er aufgrund
seines marginalen Einflusses auf die Politik der Regierung mit seiner
Kritik häufig an die Öffentlichkeit ging und hierüber versuchte
gefällte Entscheidungen zu torpedieren. Das Außenministerium mit
seiner traditionell starken Betonung multilateraler, diplomatischer
Mittel wurde so zum Ärgernis für die Neokonservativen. Dies führte so
weit, dass Newt Gingrich, der Chefideologe der "Konservativen
Revolution", im April 2003 zum Generalangriff gegen Powell aber auch
das gesamte Außenministerium blies: Er forderte die Regierung auf, das
Ministerium anhand neokonservativer Kriterien zu säubern. Mann müsse
künftig "den Frieden erhalten, indem man Krieg nach unseren Begriffen
neu definiert." Dies bedeute ein Gesetz "für die Umstrukturierung des
Außenministeriums einzuleiten und den Frieden gemäß unseren
Vorstellungen neu zu bestimmen."
Bush, der offensichtlich deutlich mehr mit den Neokonservativen als
mit Powell sympathisiert, scheint der Abgang seines Außenministers
nicht ungelegen zu kommen: "Er bat Powell zu keinem Zeitpunkt im Amt
zu bleiben", wird ein Mitglied im Außenministerium zitiert. Widerworte
oder gar Widerstand gegen seine Kriegspolitik, will Bush künftig vom
Außenministerium nicht mehr hören, so die eindeutige Botschaft, die
sich mehr als deutlich in der Ernennung der bisherigen
Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice als Powells Nachfolgerin
niederschlägt.
Condoleezza Rice: Loyale Erfüllungsgehilfin der Kriegspolitik
Die Besetzung von Rice folgt einer deutlichen Logik: Einmal setzt Bush
mit ihr eine Außenministerin ein, die als vollständig loyal gegenüber
dem Präsidenten gilt. Zum zweiten vertritt sie weit härtere Positionen
und steht damit den Neokonservativen deutlich näher als Powell.
Insgesamt steht die Besetzung für das Ziel einer Disziplinierung des
Außenministeriums - vor allem auch seiner Bürokratie -, dem klar
signalisiert wird, sich künftig dem neokonservativen Programm
unterzuordnen.
Rice wird zumeist als "Pragmatikerin" - besser wäre wohl Opportunistin
- beschrieben. Dies hinderte sie jedoch nicht daran, sich in nahezu
sämtlichen Kernbereichen gegen Powell auf die Seite der
Neokonservativen zu schlagen. So kam sie zwar noch im Jahr 2000 zu dem
Ergebnis, Saddam Hussein besitze keine Massenvernichtungsmittel und
sei erfolgreich eingedämmt, nur um später weitgehend vorbehaltlos auf
den Kurs der Neokonservativen einzuschwenken.
Auch der Multilateralismus für den ihr Vorgänger stand, hat für Rice
allenfalls instrumentellen Charakter: „Der Präsident der Vereinigten
Staaten wurde nicht gewählt um Verträge zu unterzeichnen, die nicht im
amerikanischen Interesse sind," schrieb sie ebenfalls schon im Jahr
2000 in der Foreign Affairs. Die folgenschwerste Entscheidung der als
ehemaliges Aufsichtsratsmitglied von Chevron auch eng mit der Öl-Lobby
verwobenen bisherigen Sicherheitsberaterin war sicherlich ihre Rolle
bei der Abfassung der im September 2002 verabschiedeten Nationalen
Sicherheitsstrategie. Nachdem Powell einen Entwurf verfasst hatte,
ordnete Rice eine komplette Überarbeitung an: Das schließlich
veröffentlichte Dokument hatte wenig mit Powells Version, umso mehr
aber mit der neokonservativen Blaupause Rebuilding America's Defenses
aus dem Jahr 2000 gemein. Hiermit wurde deren politische Programmatik
endgültig zur offiziellen Regierungspolitik erhoben.
Die Nationale Sicherheitsstrategie mit ihrer Präventivkriegsdoktrin
verdeutlicht die neoimperialen Ambitionen der Neokonservativen ebenso,
wie die eindeutige Positionierung von Condeoleezza Rice in dieser
entscheidenden Frage zeigt, dass mit ihr eine klare
Richtungsverschiebung im Außenministerium einhergehen wird. Die
Ernennung von Rice mit ihrer Skepsis gegenüber Diplomatie und
Multilateralismus symbolisiert damit eine weitere Homogenisierung der
Regierung in Richtung der Hardliner. Deutlich vernehmbare Alternativen
zur neokonservativen Außenpolitik sind somit von dieser Seite künftig
nicht mehr zu erwarten.
John Bolton - Der Star im Falkenkarussell
Dass das Muster dieser Kabinettsumbildung eine gezielte Aufwertung der
Hardliner widerspiegelt bestätigt sich auch anhand der Diskussion um
die Position des stellvertretenden Außenministers. Nachdem der mit
Powell befreundete Richard Armitage ebenfalls seinen Rücktritt bekannt
gab, wird als heißester Kandidat hierfür der bisherige Staatssekretär
für Rüstungskontrollfragen im Außenministerium, John Bolton,
gehandelt. Seine Jobbeschreibung ist allerdings grob irreführend, denn
Bolton ist dafür bekannt, jegliche Form der Rüstungskontrolle und
international bindender Verträge rundweg abzulehnen. Die Woche
beschrieb seine Position folgendermaßen: „Laut US-Verfassung seien
internationale Verträge für die USA höchstens politisch, niemals aber
rechtlich bindend: Wenn sich Washington trotzdem an
multinationale-Vereinbarungen halte, dann nur aus eigenem Interesse."
Berüchtigt wurde Bolton auch mit seiner Forderung, die "Achse des
Bösen" um Libyen, Syrien und Kuba zu erweitern, denen er recht
unverblümt mit militärischen Angriffen drohte. Die einzige Diplomatie,
die Bolton vertritt ist die mit dem Kanonenboot. Allein dass Bolton
überhaupt für diesen Posten ernsthaft in Betracht gezogen wird
spiegelt die weitere Aufwertung des Unilateralismus innerhalb der
Administration und des Außenministeriums wieder.
Stephen Hadley - "Wizard of Armageddon"
Die Ernennung von Stephen Hadley zum nationalen Sicherheitsberater und
Nachfolger von Rice passt ebenfalls ins Bild. Während Rice erst nach
den Anschlägen des 11. September 2001 einen bewaffneten Angriff auf
den Irak forderte, zählt Hadley zu denjenigen, die sich schon vor
Amtsantritt der Regierung vehement für den Sturz Saddam Husseins
einsetzten. Er gilt als einer der wichtigsten Strippenzieher hinter
den Versuchen eine Verbindung zwischen Al-Qaida und Saddam Hussein
sowie den im Irak vorhandenen Massenvernichtungsmitteln zu "beweisen"
(vermutlich sind bspws. die gefälschten Hinweise auf irakische
Urankäufe im Niger und das angebliche Treffen irakischer
Geheimdienstmitarbeiter mit Mohammed Atta auf ihn zurückzuführen).
Besonders gefährlich sind Hadleys Vorstellungen im Bereich der
Nuklearpolitik. Er tritt offen dafür ein, dass Nuklearwaffen nicht nur
zur Abschreckung dienen sondern auch tatsächlich eingesetzt werden
sollten. Hadley ist damit einer der wichtigsten Befürworter nuklearer
Prävention, die atomare Vernichtung feindlicher
Massenvernichtungsmittel, falls diese, wie im Falle von tief
verbunkerten Anlagen, konventionell nicht zu zerstören sind. So war er
an einem Report des National Institute for Public Policy (NIPP)
beteiligt, der allgemein als die Blaupause des 2002 an die
Öffentlichkeit gelangten Nuclear Posture Review, der neu
überarbeiteten amerikanischen Nuklearstrategie, gilt. Der NIPP-Report
plädiert unter anderem für eine "Verwendbarkeit" von Atomwaffen zur
Proliferationsbekämpfung, für die Herstellung kleiner neuer Atomwaffen
- sogenannter Mini-Nukes - und damit die endgültige Beerdigung des
umfassenden Teststoppvertrags, für einen umfassenden
Raketenabwehrschild und die weitgehende Zusammenführung atomarer und
konventioneller Einsatzplanung. All diese Elemente, stehen für eine
dramatische Aufwertung der Rolle von Nuklearwaffen und fanden sich
komplett im Nuclear Posture Review wieder. Dass Dr. Seltsam inzwischen
direkt am Ohr des Präsidenten sitzt ist wohl der deutlichste Beweis
für den nochmaligen Rechtsruck der US-Regierung.
Quelle: IMI-Analyse 2004/033;
http://www.imi-online.de
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