"So lange wie nötig"
Obama verlängert Betrieb des berüchtigten Gefangenenlagers Guantánamo
Von Rainer Rupp *
Am Sonntag findet im kleinen Kreis im Weißen Haus die offizielle Amtseinführung von US-Präsident Barack Obamas statt. Am Montag legt er dann öffentlich auf großer Bühne vor dem Kapitol seinen Eid ab. Die Popstars Beyoncé und Kelly Clarkson werden die zweite Amtszeit besingen. Auch Country-Rocker James Taylor spielt auf. Schon vor der Zeremonie und Feier hat Obama den Betrieb des Gefangenenlagers auf dem US-Militärstützpunkt Guantánamo um ein weiteres Jahr bewilligt, dessen umgehende Schließung er bei seiner ersten Amtseinführung 2009 versprochen hatte. Anfang Januar hatte Obama das Haushaltsgesetz 2013 für die Militärausgaben seines Landes unterzeichnet. Dem hatte der Kongreß u.a. eine Klausel über Guantánamo angehängt.
Stolz hatte Obamas Amtsvorgänger, US-Präsident George W. Bush, am 11. Januar 2002 mit dem Folterlager der Welt eine seiner wichtigsten Errungenschaften im »globalen Krieg gegen den Terror« präsentiert. In den folgenden Monaten und Jahren verschleppten die US-Geheimdienste Hunderte muslimische Männern aus aller Welt in diesen Exklave der Rechtlosigkeit, aber auch Kinder ab zehn und über 70jährige. Die USA, die sich selbst so gerne als Vorreiter und globaler Wächter der Menschenrechte darstellen, ließen diese Inhaftierten ohne Rechtsbeistand, ohne Anklage, ohne Prozeß und ohne Urteil einfach verschwinden. Nicht selten waren die Gefangenen willkürlich in Afghanistan oder anderswo als »Terroristen« aufgegriffen worden, meist, weil sie zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort waren.
Die Bush-Administration hatte Guantánamo ausgewählt, weil die auf Kuba gelegene US-Militärbasis außerhalb der juristischen Reichweite der Zivilgerichte der Vereinigten Staaten lag. Das war notwendig, denn bei den Gefangenen handelte es sich weder um Kriminelle noch um Soldaten. Beweise für eine Schuld gab es in der Regel nicht. Dennoch wurden sie vom US-Militär als »feindliche Kämpfer« klassifiziert. Für sie galten per Definition von Präsident Bushs Chefjuristen die Menschenrechte nicht. Und sie hatten diesen zufolge keinen Anspruch auf eine menschenwürdige Behandlung. Sogar über die Genfer Konvention mit ihrem Folterverbot, dieses »seltsam antiquierte Konstrukt«, machten sich Bushs Berater öffentlich lustig – und mit der Einführung »verschärfter Verhörmethoden« die Folter offiziell.
Zu Spitzenzeiten saßen 779 Insassen in den Käfigen von Guantánamo. Heute sind es laut offiziellen Angaben noch 166 Gefangene. Alle anderen waren nach langer Haft in den vergangenen Jahren sang- und klanglos in ihre Heimat entlassen oder abgeschoben worden – mit Ausnahme all jener, die sich in ihrer Verzweiflung das Leben genommen haben. Laut offiziellem Eingeständnis waren alle Entlassenen unschuldig.
Als Teil eines menschenverachtenden politischen Manövers im US-Kongreß haben die oppositionellen Republikaner mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus im Rahmen der Haushaltsdebatte durchgesetzt, daß in diesem Jahr keine weiteren Gefangenen entlassen werden. Dabei wurden von den 166 Männern 80 bereits offiziell für unschuldig erklärt. Sie warten auf ihre Freilassung. Von einer Lösung für die anderen 86 Männer ist man noch weit entfernt. 40 von ihnen sollen irgendwann doch noch vor ein Militärgericht gestellt werden Die restlichen 46 Gefangenen – und darüber scheinen sich Republikaner und Demokraten einig – sollen weiterhin »so lange wie nötig« ohne Anklage und ohne Verhandlung in Guantánamo inhaftiert bleiben. Begründung: Um ihnen den Prozeß zu machen, habe man keine ausreichenden Beweise, sie seien aber zu gefährlich, um entlassen zu werden.
* Aus: junge Welt, Samstag, 19. Januar 2013
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