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Der gescheiterte Staatschef

Sicherheitsexperte Subrata Ghoshroy zieht ernüchternde Bilanz der USA-Außenpolitik

Von Dago Langhans *

Der renommierte US-amerikanische Wissenschaftler Subrata Ghoshroy beurteilt die Militärpolitik Barack Obamas äußerst kritisch.

Auf Einladung rüstungskritischer Organisationen legte der Sicherheitsexperte Subrata Ghoshroy auf dem Weg zu einer SIPRI-Konferenz in Oslo jüngst einen Zwischenstopp in Berlin ein, um über die Resultate der ersten 600 Tage der USA-Regierung zu referieren. Insbesondere mit Blick auf die Außen- und Militärpolitik zog er eine ernüchternde Bilanz der Versprechen, die im Wahlkampf und bei Obamas Großauftritten in Prag und Berlin gemacht wurden.

Seit 2005 beschäftigt sich Subrata Ghoshroy am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit Themen wie Atomwaffenverbreitung, nukleare Abrüstung, Weltraumrüstung und Raketenabwehr. Zuvor hatte er als wissenschaftlicher Berater eines demokratischen Abgeordneten während der Clinton-Amtszeit gearbeitet und später als technischer Berichterstatter für den Kongress zur Beurteilung des von George W. Bush geförderten »Raketenabwehrschirms«.

Nach Ghoshroys Angaben sind von 1980 bis heute 200 Milliarden US-Dollar in das Raketenabwehrsystem geflossen, ohne dass zuverlässige Prototypen der luftgestützten Laserabwehr oder ballistischer Abfangraketen entwickelt worden wären. Die trotzdem forcierten Pläne zur Stationierung von Raketen- und Radarstellungen in Polen, Tschechien und Aserbaidschan führten zu heftigen Gegenreaktionen aus Russland. Obamas generelle Option, aus der Nuklearrüstung auszusteigen, kontrastierte Ghoshroy mit der tatsächlich durchgesetzten Modernisierung der nuklearen Waffensysteme, wobei vor allem für die US-Atomlabore ein Großteil der bereitgestellten Summe in Milliardenhöhe aufgewendet werde.

»Aus dem Yes we can (Ja, wir schaffen das) ist eher ein Yes we can not (Ja, wir schaffen es nicht) geworden.« Für dieses Ergebnis machte der Wissenschaftler den militärisch-industriellen Komplex verantwortlich, dessen Gefährlichkeit bereits in der Abtrittsrede des Präsidenten Dwight D. Eisenhower 1961 vehement kritisiert worden war. Als neu angegliederte Komponente dieser Struktur versteht Ghoshroy den Bereich der Forschungsinstitutionen und Universitäten. Der Haushalt des Massachusetts Institute of Technology sei beispielsweise traditionell überwiegend abhängig von direkten und indirekten Forschungsprojekten im Dienste des US-Militärs und der Rüstungsindustrie.

Angesprochen auf den Truppenabzug aus Irak und die angekündigte Reduzierung von USA-Truppen in Afghanistan, verwies der MIT-Analytiker auf die Parallele zum Vietnamkrieg. Auch dort sei vor der endgültigen Niederlage die Truppenstärke zugunsten »modifizierter Aufstandsbekämpfung« reduziert worden. Zu dieser Strategie gehöre heute auch der Einsatz unbemannter Flugzeuge gegen angebliche Stellungen des afghanischen Widerstands, auch auf pakistanischem Territorium. »Obama liebt die Drohnen«, sagte Ghoshroy. Im Gespräch mit ND bestätigte er den zynischen Ansatz dieser Politik. Anstelle umfangreicher und kostenintensiver Befragung von Gefangenen - inklusive deren Unterbringung, Verschleppung und Folter in illegalen Lagern - sei man nun zu einer anderen Politik übergegangen: »Gefangene werden nicht mehr gemacht.«

Trotz der düsteren Ausblicke kann die Berliner Veranstaltung als ein gelungener Versuch gelten, kritische Wissenschaftler miteinander zu vernetzen. Die beteiligten Organisatoren um die Juristenorganisation IALANA sind auf dem richtigen Weg, wenn sie so die länderübergreifende Kommunikation zwischen Kriegskritikern stärken.

* Aus: Neues Deutschland, 27. September 2010


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