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US-Befehlshaber für Mittelost gibt auf

Admiral Fallon gilt als Kritiker des konfrontativen Iran-Kurses von Bush *

Nach Differenzen mit der Regierung in Washington über den Kurs in Irak und die Politik gegenüber Iran ist der für die Mittelostregion verantwortliche US-Oberkommandierende William Fallon zurückgetreten.


Das Pentagon selbst gab am Dienstag (11. März) den Schritt des 63-jährigen Admirals bekannt, der erst vor einem Jahr die Leitung des wichtigen US-Zentralkommandos übernommen hatte.

Führende Demokraten wie Senatsfraktionschef Harry Reid und Senator Edward Kennedy werteten den Rücktritt als Zeichen dafür, dass die Regierung Kritiker mundtot machen wolle. In seiner Funktion als Chef des Zentralkommandos war Fallon auch für die Kriege in Irak und Afghanistan zuständig. Medienberichten zufolge gab es wiederholt Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und dem US-Truppenkommandeur in Irak, David Petraeus, der dem Weißen Haus sehr nahe steht.

Danach setzte sich der Admiral für einen rascheren Truppenabzug aus dem Land ein, als es Petraeus will. Wiederholt hatten Äußerungen Fallons auch zu erkennen gegeben, dass er sich mehr Diplomatie der US-Regierung gegenüber Iran wünscht.

Als wahrscheinlicher Nachfolger des Admirals gilt Petraeus selbst, über dessen Beförderung schon seit längerem spekuliert wurde. Der US-Truppenkommandeur in Irak könnte dann seinerseits durch Raymond Odierno ersetzt werden, der bis vor Kurzem der Stellvertreter von Petraeus war. Wie es hieß, wird Fallon seinen Platz Ende März räumen.

Unterdessen hat eine Gruppe bewaffneter Männer aus einem Gefängnis in Bagdad vier mutmaßliche Terroristen befreit. Die Zeitung »Al-Sabah« berichtete am Mittwoch, vier bis sechs Männer in Armeeuniformen seien am Dienstag ungehindert in das Gefängnis im Stadtteil Al- Tobadschi eingedrungen, in dem rund 400 Häftlinge einsitzen. Die Eindringlinge und die vier Gefangenen konnten entkommen. Die US-Armee berichtete derweil, ein amerikanischer Soldat sei am Dienstag durch eine Sprengstoffattacke in der südlichen Stadt Diwanija ums Leben gekommen.

Eine Einheit der US-Armee, die in der 170 Kilometer südöstlich von Bagdad gelegenen Stadt Al-Kut eingesetzt war, tötete am Dienstag nach Militärangaben mehrere Angehörige einer Schiiten-Miliz. Nach Darstellung irakischer Medien hatte die Polizei die US-Amerikaner zu Hilfe gerufen, als sie während einer Razzia von Mitgliedern der Mahdi-Armee des radikalen Predigers Muktada al-Sadr angegriffen worden war.

* Aus: Neues Deutschland, 13. März 2008

Mundtot gemacht

Von Olaf Standke

Eigentlich sollte er für seinen Präsidenten die Kastanien aus dem Feuer holen, doch nun will Admiral William Fallon schon nach einem Jahr als Chef der USA-Truppen im Nahen Osten und in Zentralasien seinen Hut nehmen und Ende des Monats den Posten an der Spitze des Central Command aufgeben. Auf den ersten Blick geht es dabei vor allem um Washingtons Strategie gegenüber Iran. Die hatte Fallon unlängst in einem Zeitschriftenartikel in Frage gestellt. Offiziell bestreitet er jetzt zwar Meinungsverschiedenheiten mit seinem Oberkommandierenden. Doch wissen die Auguren zu berichten, dass der Admiral die Option eines Militärschlages gegen Teheran zur Liquidierung des iranischen Atomprogramms intern noch viel deutlicher abgelehnt und mehr diplomatischen Dialog gefordert haben soll. Aber Fallon war auch für Irak und Afghanistan zuständig -- und dort sind die Verhältnisse nach einem militärischen Vorgehen der Supermacht katastrophal. Nach UN-Zahlen war 2007 mit 8000 Toten das bisher blutigste am Hindukusch. Und über das Zweistromland rollt kurz vor dem fünften Jahrestag des Kriegsbeginns eine neue Welle der Gewalt. Auch dort hat Fallon auf einen anderen Kurs gedrängt und etwa für einen schnelleren Rückzug der eigenen Truppen aus Irak plädiert. Da wurde wohl ein Bush-Kritiker mundtot gemacht.
* Aus: Neues Deutschland, 13. März 2008 (Kommentar)



Zurückgetretener des Tages: William Fallon **

Admiral William Fallon, seit dem 16. März 2006 der Top-US-Kommandeur für den Mittleren Osten, ist von seinem Posten zurückgetreten. Nach so kurzer Zeit ist das höchst ungewöhnlich, kommt aber nicht überraschend. Im letzten Herbst hatte Fallon wiederholt die wilde Kriegsrhetorik des Weißen Hauses gegen Iran konterkariert, indem er u. a. bekräftigte, daß es unter seinem Oberkommando keinen Krieg gegen Iran geben würde. In einer wahren Heldensaga über den Admiral berichtete jüngst der ehemalige Mitarbeiter des Pentagon, Thomas P. M. Barnett, in dem US-Magazin Esquire, daß Fallon deshalb großen Ärger mit Präsident George W. Bush und Vizepräsident Richard Cheney bekommen hatte. Barnett schrieb auch, »gut plazierte Beobachter« erwarteten, daß Fallon schon in Kürze gegen einen biegsameren Oberkommandeur ersetzt werden würde. Dafür hat Fallon nun den Weg frei gemacht, und US-Kriegsminister Robert Gates begrüßte dessen Entscheidung als »richtigen Schritt«. Dagegen wies Gates den Verdacht, daß Fallons Abgang nun US-Kriegsvorbereitungen gegen Iran signalisiere, als »lächerlich« zurück.

Fallon selbst ist keine Friedenstaube, sondern hatte sich nur aus taktischen Gründen gegen einen Angriff auf Iran ausgesprochen. Wie er jüngst erklärte, habe es dafür zwei Gründe gegeben. Erstens wollte er damit die äußerst verunsicherten arabischen Freunde der USA beruhigen, die durch einen weiteren Krieg die komplette Destabilisierung des Mittleren Osten erwarteten, und zweitens sei der Zeitpunkt für einen Krieg gegen Iran wegen Überbeanspruchung des US-Militärs in Irak und Afghanistan denkbar ungünstig. Ein Angriff könnte verheerende Folgen für die USA haben. Doch dann zeigte Fallon, daß er doch alle Qualitäten eines amerikanischen Oberkommandierenden besitzt: Denn wenn die Zeit gekommen sei, dann könnte man – so Fallon – die Iraner »zerquetschen wie Ameisen«. (rwr)

** Aus: junge Welt, 12. März 2008


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