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Immer noch geheim

US-Regierung verweigert Kongreß Informationen zu Drohnenmorden

Von Knut Mellenthin *

Präsident Barack Obama verweigert dem Kongreß immer noch die Herausgabe wesentlicher Gutachten zur angeblichen Rechtmäßigkeit des Einsatzes bewaffneter Drohnen für »gezielte Tötungen«. Das berichtete die New York Times am Donnerstag. Genau gesagt geht es nicht einmal um den Kongreß insgesamt, sondern lediglich um die Mitglieder der Geheimdienstausschüsse von Abgeordnetenhaus und Senat. Sie sind zur absoluten Verschwiegenheit über vertrauliche Mitteilungen der Regierung verpflichtet. Aber selbst sie werden vom Weißen Haus nur spärlich mit Informationen bedient. Statt, wie von den Ausschüssen gefordert, neun Gutachten herauszugeben, ließ Obama nur Einsicht in zwei Papiere zu. Und eben wirklich nicht mehr als eine kurze Einsicht für eine genau vorgeschriebene Zeit. Die Ausschußmitglieder durften laut New York Times weder Rechtsanwälte noch Mitarbeiter ihres Büros hinzuziehen.

Selbst diese äußerst beschränkte Akteneinsicht kam erst zustande, nachdem der Sender NBC am 4. Februar die 16seitige offizielle Kurzfassung eines der geheimgehaltenen Memoranden veröffentlicht hatte. In dem Papier geht es um die Rechtfertigung der gezielten Tötung von US-Bürgern im Ausland durch Drohnenangriffe. Solche Hinrichtungen ohne Urteil, ohne Prozeß und sogar ohne Anklageerhebung sind demzufolge legal, »wenn ein informierter hochrangiger Regierungsbeamter entschieden hat, daß die Zielperson eine unmittelbare Gefahr eines gewaltsamen Angriffs gegen die USA darstellt« und »wenn eine Operation zur Gefangennahme nicht durchführbar ist« oder wenn sie »unangemessene Risiken« für das erforderliche Personal mit sich bringen könnte. Die Regierung, letztlich Obama selbst, übernimmt die Rollen von Richter und Henker, ohne auch nur die Prinzipien ihres Handelns – geschweige denn ihre Gründe in jedem Einzelfall – offenzulegen.

Dennoch prahlte Obama am 12. Februar, acht Tage nach der NBC-Veröffentlichung, in seiner Rede zur Lage der Nation: »In diesem Kampf müssen wir unseren Werten verpflichtet bleiben. Deshalb hat meine Regierung unermüdlich daran gearbeitet, als Anleitung für unsere Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung ein dauerhaftes juristisches und politisches Rahmenwerk zu formen. Durchweg haben wir den Kongreß vollständig über unsere Bemühungen unterrichtet. Ich erkenne an, daß in unserer Demokratie niemand sich nur auf mein Wort verlassen sollte, daß wir die Dinge auf richtige Weise erledigen. Deshalb werde ich in den kommenden Monaten fortfahren, den Kongreß einzubinden, um nicht nur sicherzustellen, daß unsere Zielauswahl, Inhaftierung und Verfolgung von Terroristen in Übereinstimmung mit unseren Gesetzen und unserem System verfassungsmäßiger Kontrollen bleiben, sondern auch, daß unsere Bemühungen für das amerikanische Volk und für die Welt sogar noch transparenter werden.«

Der Streit um die von den Geheimdienstausschüssen angeforderten Memoranden hat einen aktuellen Hintergrund: Der Senat muß über die Bestätigung des von Obama nominierten neuen CIA-Chefs John O. Bren­nan entscheiden. Als Chefberater des Präsidenten in den vergangenen vier Jahren war der Kandidat maßgeblich für die Vervielfachung der Drohneneinsätze mitverantwortlich. Einige Senatoren beider Parteien neigen dazu, ihr Votum für Brennan von der Herausgabe der Memoranden abhängig zu machen.

Obama versucht der New York Times zufolge, dieses Junktim zu umgehen, indem er einzelne Republikaner mit dem Angebot ködert, statt dessen mehr Informationen über die Vorfälle vom 11. September 2012 im libyschen Benghasi zu liefern. Damals waren beim Angriff einer bewaffneten Gruppe mehrere US-Amerikaner, darunter Botschafter Christopher Stevens, getötet worden.

* Aus: junge welt, Freitag, 22. Februar 2013


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