"Miami five" läuft die Zeit davon
Letzte Berufungsfrist für kubanische Agenten endet Anfang Dezember
Von Leo Burghardt, Havanna *
Seit zehn Jahren sitzen die sogenannten Cuban five (Miami five) in den USA in Haft, weil sie in
Miami für Havanna Material aus dem Umfeld einer antikubanischen Terrororganisation
zusammentrugen. Anfang Dezember läuft die letzte Berufungsfrist ab.
Den Verteidigern der »Miami five« läuft die Zeit davon – von den seit zehn Jahren inhaftierten fünf
Kubanern ganz zu schweigen. Bis Anfang Dezember bleibt den Anwälten noch Zeit, in einem
allerletzten Versuch beim Obersten Gericht der Vereinigten Staaten ihren Mandanten Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen. Das hieße nichts anderes als Freilassung. Denn der einzige
Gesetzesverstoß, der ihnen nachgewiesen werden konnte und was die Angeklagten auch
gestanden, ist eine Lappalie. Die Fünf haben als kubanische Agenten die Terrororganisationen in
Florida unterwandert, ohne ihre Tätigkeit beim US-Justizministerium registrieren zu lassen. Alles
andere wurde von den Staatsanwaltschaften und Gerichten unverhältnismäßig aufgebauscht.
Bisher haben die Fünf ein halbes Dutzend Appellationsverfahren durchlaufen, in denen
Zeugenaussagen zu ihren Gunsten unterdrückt und Gutachten renommierter Juristenorganisationen
ignoriert wurden. Die illustre Reihe ist lang: Die Union lateinamerikanischer Juristen, die nationale
Vereinigung der Kriminalverteidiger der USA, die oberste Juristenorganisation Brasiliens, das
nationale Gremium der Rechtsanwälte der Vereinigten Staaten, die iberoamerikanische Föderation,
Amnesty International und zwei Dutzend ähnlich kompetente Organisationen widerlegten die
Anklagepunkte, die zu hohen Strafen führten. Die Fünf wurden mit insgesamt drei Mal lebenslänglich
und 75 Jahren Haft bestraft.
An Fürsprechern fehlt es ihnen nicht. Gerade haben 130 Prominente von Südafrikas Erzbischof
Desmond Tutu über Literaturnobelpreisträger José Saramago bis hin zur Friedensnobelpreisträgerin
Rigoberta Menchú an die Behörden der USA appelliert, den Ehefrauen Besuchsvisa auszustellen.
Sie durften teilweise seit acht und mehr Jahren ihre Männer nicht mehr sehen.
Selbst Ex-Generäle der US-Streitkräfte und Ex-Admirale sprachen sich für die Angeklagten aus. Die
Staatsanwaltschaft hatte ihnen nur Zeugen entgegenzusetzen, die sich in Widersprüche
verhedderten. 26 schwere Formfehler wiesen die Verteidiger der Staatsanwaltschaft nach, von
denen jeder für sich, wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre, zum endgültigen Platzen des
Verfahrens geführt hätte.
Allein die Wahl Miamis als Gerichtsstandort war und ist ein grober Verstoß gegen die USamerikanische
Verfassung, die Angeklagten einen fairen Prozess in einer neutralen Umgebung
garantiert. Und das ist in Miami nicht der Fall. Der Stand ist, dass irgendeine Appellationsrunde
anwies, die Urteile von drei der Angeklagten nochmals zu analysieren. Die anderen beiden müssen
damit rechnen, dass sie unschuldig hinter Gittern sterben.
Wenn die große US-amerikanische Presse sich nicht befehlsgemäß gegen die Fünf verschworen
und die Gesetzesverstöße hinter einer Mauer des Verschweigens verborgen hätte, wäre der Fall
nicht zu dieser grausamen, unsinnigen Farce ausgeartet.
Seit zwei, drei Monaten tut sich allerdings etwas mehr. Solidaritätskomitees haben rund 150 000
Unterschriften für die Freilassung der Fünf gesammelt. Die Presse regt sich jedoch kaum. Ihr ist
offensichtlich nicht klar, dass die Appellation vor dem Obersten Gericht die letzte vage Möglichkeit
ist, die Fünf unvoreingenommen zu beurteilen. Vage deshalb, weil die obersten Richter fast alle von
Bush sen. ernannt wurden.
Der ehemalige Bürochef von Ex-Verteidigungsminister Powell, Oberst Lawrence Wilkerson, hielt
zunächst für unglaublich, was ihm die Verteidiger aus ihrem Material vorwiesen. Dann sagte er: »Ich
war vier Jahre in der Administration Bush und weiß, wie tief man sinken kann: Folter, Lügen,
erfundene Recherchen, Tyrannei. Dieser Prozess ist eine Parodie auf die Gerechtigkeit.«
* Aus: Neues Deutschland, 13. Oktober 2008
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