US-Justiz gnadenlos
René González möchte zu seinem schwer erkrankten Bruder nach Havanna. Washington beharrt auf Ausreiseverbot
Von André Scheer *
Seit Oktober ist René González auf freiem Fuß, nachdem er 13 Jahre in den USA im Gefängnis gesessen hatte. Der 55jährige Kubaner war verurteilt worden, weil er zusammen mit seinen Genossen rechtsextremistische Gruppierungen in Miami unterwandert hatte, um Attentate in seiner Heimat zu verhindern. Vier seiner Mitstreiter sitzen noch immer im Gefängnis und verbüßen Haftstrafen, die bis zu zweimal lebenslänglich reichen. International sind sie als »Cuban Five« oder »Miami 5« bekannt geworden, in ihrer Heimat werden sie als Helden verehrt, die das Land vor Terroranschlägen beschützt haben.
Obwohl González aus der Haft entlassen wurde, darf er drei Jahre lang die USA nicht verlassen, so eine der von Bundesrichterin Joan Lenard im Oktober verhängten Bewährungsauflagen. Am 24. Februar haben González und sein Rechtsanwalt Philip R. Horowitz jedoch beantragt, ihm aus humanitären Gründen doch eine Reise nach Havanna zu gestatten. René González fürchtet um seinen Bruder Roberto. Dieser ist an Krebs erkrankt und wurde in ein Krankenhaus in der kubanischen Hauptstadt eingewiesen. Seine Ärzte schätzen seinen Zustand als sehr ernst ein. Die beiden Brüder waren auch in den Jahren, in denen René im Gefängnis saß, eng verbunden. Roberto gehörte zu Renés Verteidigerteam und konnte ihn am 7. Oktober am Gefängnistor abholen.
Bis Freitag (2. Feb.), eine Woche nach der Antragstellung, hatte sich Richterin Lenard noch nicht zu der Bitte um eine humanitäre Ausnahmeregelung geäußert. Daraufhin sah sich René González gezwungen, seinem Bruder einen Brief zu schreiben. Das Internetportal Cubadebate veröffentlichte den Wortlaut dieses Schreibens: »Wenn die Bedingungen regulär wären, müßte ich dir diese Dinge persönlich sagen können, und manche müßte ich nicht einmal aussprechen«, heißt es in dem Brief. »Dieser Kampf mit verschränkten Armen gegen eine Krankheit, die dich zu verschlingen versucht, müßte für dich vollkommen ausreichend sein. Aber zu dieser kommt noch der Kampf gegen eine noch viel tödlichere menschliche Krankheit, den Haß.« Dieser Haß verhindere, daß René seinen Bruder in den Arm nehmen könne. »Der Haß, der mich damit quält, mich nicht mit all denen, die dich lieben, an deiner Betreuung beteiligen zu können und der es verhindert, (deiner Frau) Sary und den Kindern zu helfen.«
Seit seiner Haftentlassung hält sich René González an einem unbekannten Ort in den USA auf. Neben den Justizbehörden wissen nur wenige Verbindungsleute, wo er sich genau befindet. Der Grund dafür sind Drohungen, die González aus Kreisen der antikubanischen Gruppierungen in Miami erhalten hat und die von seinen Verteidigern sehr ernst genommen werden. Die Gefahr für Leib und Leben war deshalb bereits Anfang Februar, vier Monate nach der Haftentlassung, ein zentrales Argument seiner Anwälte, um bei Richterin Lenard eine Aufhebung des Ausreiseverbotes zu beantragen. So habe die erzreaktionäre Republikanerin Ileana Ros-Lehtinen, eine der eifrigsten Verfechterinnen eines harten Kurses gegen Kuba im US-Repräsentantenhaus, auf ihrer Homepage Lügen über González verbreitet, wonach dieser »nordamerikanisches Blut an den Händen« habe. Sein Mandant sei jedoch kein Mörder oder Gewalttäter, »und das einzige Blut, das er je an der Hand hatte, stammte von einem Schnitt beim Rasieren«, unterstrich Horowitz. Durch solche Lügen werde jedoch die Stimmung gegen ihn weiter aufgeheizt, weshalb er in unmittelbarer Gefahr sei. »Die 13 Jahre im Gefängnis waren wirklich schlimm. Die vier Monate getrennt von seiner Frau, seinen Töchtern, seiner Familie, seinen Eltern und seinem Heimatland jedoch sind eine Beleidigung«, kritisierte der Rechtsbeistand. Doch auch nach fast fünf Monaten in scheinbarer Freiheit zeichnet sich für René González keine Verbesserung ab.
* Aus: junge Welt, 3. März 2012
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