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Der schlechteste Präsident aller Zeiten

Die Hinterlassenschaft von George W. Bush wirft dunkle Schatten für seinen Nachfolger

Von Reiner Oschmann *

Der scheidende Präsident George W. Bush (62), 43. Präsident der USA, besaß lange Zeit das Talent, der Öffentlichkeit seine Politik zu verkaufen. Auch diese Gabe kam ihm zum Ende seiner Amtszeit abhanden. Bushs erster und sein letzter Fototermin im besetzten Irak stehen dafür: Sein Geheimbesuch im Spätherbst 2003, um als strahlender Oberkommandierender mit Soldaten den Truthahn des Erntedankfests zu verspeisen, war propagandistisch ein Volltreffer. Sein Abschiedsbesuch fünf Jahre darauf machte zwar auch Schlagzeilen, doch zu Bushs Flucht vor einem geworfenen Schuh erklärten 79 Prozent der US-Amerikaner, sie würden den Präsidenten nicht vermissen, wenn er das Weiße Haus verlasse.

Wie Joe Klein, Kolumnist und Beobachter der vergangenen acht Präsidentschaftswahlkämpfe, feststellte, sei Bush im Grunde mit der Finanz- und Wirtschaftskrise seit September 2008 abgetaucht. »Am Ende einer Präsidentschaft von unfassbarer Unfähigkeit des Amtsinhabers wurde er zur lahmsten aller möglichen Enten.« Klein entschied sich für zwei andere symbolische Pole für das Scheitern der Präsidentschaft: Bushs Landung mit grünem Kampfanzug, weißem Helm und korsettiertem Geschlechtsteil auf dem Flugzeugträger »Abraham Lincoln« am 1. Mai 2003 unter dem Banner »Mission accomplished« (Auftrag erledigt) auf der einen und das Foto vom Spätsommer 2005 auf der anderen Seite, als Bush aus der »Air Force One« hilf- und teilnahmslos auf die Zerstörungen von Hurrikan »Katrina« in und um New Orleans blickt. »Das ist ein Präsident, der zwischen zwei Extremen schwankte – anmaßender Arroganz und lähmender Inkompetenz.«

Als wollte er die Urteile von Freund und Feind bestätigen, erledigte er dieser Tage seine letzte Pressekonferenz. Der Präsident verabschiedete sich nach acht Jahren – von der eigenen republikanischen Partei in den USA versteckt, im Ausland verhöhnt – mit den Worten: »Wenn ich nach Texas zurückgehe und dort in den Spiegel schaue, bin ich stolz auf das, was ich sehe.« Der Mann war in diesem Moment frei von Selbstironie. Er konnte keinen einzigen Kardinalfehler seiner Administration erkennen. Wenige Ereignisse seien nicht wie erhofft gelaufen – sein Auftritt auf dem Flugzeugträger sei verfrüht, seine Reaktion auf Hurrikan »Katrina« zögerlich, der Beweis, dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen versteckt hatte, enttäuschend gewesen. Doch er wisse nicht, »ob man diese Dinge als Fehler bezeichnen kann«. Scott McClellan, Bushs Ex-Pressesprecher, sagte letzten Mai öffentlich, dass er seinen früheren Chef immer noch bewundere, obgleich er bei ihm »extreme Abneigung gegen Analyse und ein autosuggestives Wunschdenken« festgestellt habe. »Instinkt statt Intellekt«.

Bushs Präsidentschaft ist von vielen dramatischen Ereignissen bestimmt worden. Die Terroranschläge am 11. September 2001 sowie das Erdbeben im September sieben Jahre darauf, das die bisherige kapitalistische Finanzarchitektur aus den Angeln hob und täglich neue Opfer in Wirtschaft und Gesellschaft fordert, sind die am schwersten wiegenden. Dazu kommen zwei andauernde Kriege in Afghanistan und Irak, präsidentieller Segen zur Folter (»Waterboarding«), der Folterskandal von Abu Ghoreib, das Menschenrechts-Niemandsland Guantanamo und eine Binnenbilanz mit Beinahe-Verdopplung der Staatsschuld, Anstieg der Zahl von US-Amerikanern ohne Krankenversicherung um über acht auf 47 Millionen, Abhängigkeit von rund 30 Millionen Menschen von Lebensmittelmarken sowie kulante Steuergeschenke an die Reichsten der Reichen im Lande. Bei einer Umfrage unter 109 Historikern beurteilten schon vorm Ablauf der Amtszeit 107 diese Präsidentschaft als Versagen, fast zwei Drittel halten Bush für den schlechtesten Präsidenten aller Zeiten. In den USA wird er auch für den riesigen Ansehensverlust der USA in der Welt verantwortlich gemacht.

Da amtierende Präsidenten stets das unerledigte Erbe ihrer Vorgänger antreten, wirft die Hinterlassenschaft Bushs für Barack Obama einen besonders dunklen Schatten. Er wird durch die Erklärung von Ex-Präsident Bush sen. (1989–1993) nicht heller, er hoffe, dass es nach dem Abschied seines älteren Sohnes George eines Tages dessen jüngerer Bruder Jeb, bis 2007 Gouverneur von Florida und mit einer Senatskarriere liebäugelnd, ins Weiße Haus schaffen möge.

* Aus: Neues Deutschland, 20. Januar 2009


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